[Update:] Der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann griff auf große Worte zurück, um den Pilot-Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie einzuordnen: „Inmitten einer der schwersten Krisen in der Geschichte der Bundesrepublik haben wir erreicht, dass die Krisenfolgen fair verteilt und nicht einseitig bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abgeladen werden.“ Der Abschluss, der nach Redaktionsschluss am Montag in Nordrhein-Westfalen erzielt wurde, soll für das gesamte Bundesgebiet übernommen werden.
Es sei „gelungen, die Einkommen der Beschäftigten zu stabilisieren und Arbeitsplätze zu sichern“, heißt es aus der IG Metall. Wie schon im Jahr 2020 wird es auch im Jahr 2021 keine Erhöhung der Tabellenentgelte geben. Stattdessen gibt es eine Einmalzahlung von 500 Euro als „Coronabeihilfe“. Im Februar 2022 soll es eine Sonderzahlung in Höhe von 18,4 Prozent eines Monatsentgelts geben, die ein Jahr später auf 27,6 Prozent steigt und künftig jährlich gezahlt wird. Laut IG Metall entspricht das einem Lohnplus von 2,3 Prozent, die als „Transformationsgeld“ auch als Teillohnausgleich bei verkürzten Arbeitszeiten verwendet werden können – darüber entscheiden sollen Betriebsräte und Unternehmen.
Weit über 600.000 Metallerinnen und Metaller haben sich seit Anfang März an Aktionen und Warnstreiks beteiligt, um auf die Metallkapitalisten Druck zu machen. Diese hatten zum Ziel, auch für das Jahr 2021 eine Nullrunde durchzusetzen. Tabellenwirksame Erhöhungen lehnen sie in den Tarifverhandlungen nach wie vor ab. Bei den anderen Forderungen (Tarifvertrag für Dual-Studierende, Beschäftigungssicherung) heißt es, die Tarifparteien hätten sich aufeinander zu bewegt. Genaueres wird aber von beiden Seiten nicht erläutert (Stand 28.3.).
Die Tarifparteien in Nordrhein-Westfalen haben bereits sechs Verhandlungsrunden hinter sich. Dort sollte es noch vor Ostern eine weitere Verhandlung geben. Wenn es hier zu einem Abschluss gekommen sein sollte, wäre es ein Pilotabschluss, also einer, der in den anderen Bezirken meist übernommen wird.
Der Verhandlungsführer der Kapitalseite in NRW, Arndt Kirchhoff, hatte sich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ dahingehend geäußert, dass er eine „substanzielle Einmalzahlung“ vorschlagen wird. Es werde dabei „sicherlich um mehr als 100 Euro gehen“. Am Freitag vergangener Woche hieß es, es sei in der 6. Verhandlungsrunde eine Einmalzahlung von 350 Euro angeboten worden. Die IG Metall wies dies als „völlig unzureichend“ zurück. Das Angebot würde „Reallohnverluste für die Beschäftigten bedeuten“, so der NRW-Bezirksleiter der IG Metall, Knut Giesler.
Eine Einmalzahlung vorzuschlagen ist dreist. Wenn Warnstreiks nicht genügend Druck machen, um angemessene Angebote zu bekommen, braucht es Ganztagesstreiks. Die Kolleginnen und Kollegen haben gezeigt, dass sie bereit sind zu kämpfen. Es besteht keine Not, vor Ostern abzuschließen. Die freien Tage können genutzt werden, um Kraft zu tanken und nach Ostern mit voller Kraft in Tagesstreiks zu wechseln.
Dabei geht es nicht nur um die Frage des Geldes. Eine Verkürzung der Arbeitszeit ist notwendiger denn je, um die bedrohten Arbeitsplätze zu erhalten. Doch diese Forderung spielt in den auf Kundgebungen gehaltenen Reden oder auf Delegiertenversammlungen kaum eine oder keine Rolle mehr. Dabei zeigt auch die Frage des Erhalts der Gesundheit der Beschäftigten, dass kürzere Arbeitszeiten nötig sind: Zwischen 2009 und 2019 ist die Anzahl der Fälle von Arbeitsunfähigkeit um 27 Prozent und die der Arbeitsunfähigkeitstage um 36 Prozent gestiegen (BKK Gesundheitsreport 2020).
Dass Arbeitszeitverkürzung möglich ist, zeigt ein Blick auf die Produktivität. Wie das Institut der deutschen Wirtschaft in seiner Statistik-Reihe „Deutschland in Zahlen“ veröffentlichte, sind im Zeitraum von 1991 bis 2019 die Jahresarbeitsstunden der Voll- und Teilzeitbeschäftigten um 10,1 Prozent zurückgegangen, während gleichzeitig die Produktivität um 79,8 Prozent gestiegen ist. Es gibt keinen Grund, die Produktivitätssteigerung komplett in die Taschen der Kapitalisten fließen zu lassen. Dazu kommt, dass die in den letzten Wochen veröffentlichten Jahresbilanzen gute Gewinne ausweisen – sei es bei Daimler, BMW, Porsche, bei Knorr-Bremse oder vielen Maschinenbauern.
Auch die Angleichung der Arbeitszeiten und Entgelte im Osten an die westlichen Bundesländer darf nicht nochmal unter die Räder kommen. Sie ist mehr als überfällig, weil sie den Drohungen der Kapitalisten, in den „billigen Osten“ zu verlagern, einen Riegel vorschiebt.
Geben wir jetzt in dieser Tarifrunde nach und schließen einen faulen Kompromiss, werden die Angriffe weitergehen und sich verschärfen. Das Kapital will die Krise massiv nutzen, um erkämpfte Errungenschaften abzubauen, Löhne zu senken und Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Trotz Aufschwung und guter Gewinne in 2020 vernichten die Konzerne auch weiterhin Arbeitsplätze.
Grund genug, die Gangart zu verschärfen und Ganztagesstreiks zu organisieren.
„Auto“-Flyer erschienen
Die DKP Stuttgart hat ein Flugblatt mit Informationen zur Automobilindustrie herausgegeben. Themen sind unter anderem die Krise der Branche, die Haltung der IG Metall zur Frage der „Transformation“ sowie die Zukunft des Autos und die Perspektive der Elektromobilität.
Der Flyer ist abrufbar unter: kurzelinks.de/q5qs