Beim Atomausstieg ist die Bundesregierung offenbar gewillt, einen gewaltigen Schritt auf die Atomkonzerne zuzugehen. Gleichwohl ist die zuständige Kommission des Bundeswirtschaftsministeriums nicht wie geplant bis Ende Februar mit den vier Atomkonzernen in Deutschland zu einer Übereinkunft gekommen.
Der Kommissionsvorsitzende Jürgen Trittin (Grüne) hatte noch vor wenigen Tagen in einem dpa-Interview zu einer raschen Einigung geraten und vor einem Pokerspiel bei der Verteilung der Lasten zwischen Unternehmen und Staat gewarnt: „Eine Einigung um jeden Preis wird es nicht geben.“ Letzten Freitag hatte es aber nach einem Gespräch von Trittin mit den anderen beiden Kommissionsvorsitzenden, Ole van Beust (CDU) und Matthias Platzeck (SPD), geheißen, dass noch Sachfragen offen seien. Deswegen wollten sie am Montag der Kommission vorschlagen, ihre Arbeit fortzusetzen. Laut Süddeutscher Zeitung (28.2.) könne man vor Ostern mit keinem Ergebnis rechnen.
Die Rheinische Post (22.2.) wollte aus den Kreisen der von der Bundesregierung eingesetzten Atomkommission zuvor erfahren haben, dass eine Einigung zwischen Atomkonzernen und Bundesregierung offenbar kurz bevorstehe: Während offenbar die sogenannten Ewigkeitslasten auf einen öffentlich-rechtlichen Fonds übertragen werden sollen, sind die Konzerne nur noch für den Rückbau der Atommeiler verantwortlich.
Ursprünglich waren RWE, E.on, EnBW und Vattenfall gesetzlich verpflichtet, Rücklagen in Höhe von rund 38 Milliarden Euro zu bilden, von denen sie sowohl den Rückbau der Kraftwerke finanzieren als auch die Kosten für die Endlagerung des Atommülls bestreiten sollten. Nach den Informationen, die nun durchgesickert sind, sollen sie rund 18 Milliarden Euro an einen Fonds abgeben. Sollte diese Summe allerdings nicht ausreichen, übernehme nach Angaben des Handelsblatts (22.2.) „ab einem gewissen Zeitpunkt“ der Staat die Mehrkosten für die Endlagerung.
„Die Kuh, die man melken will, sollte man nicht umbringen“, sagte Michael Vassiliadis nach einem Bericht von Reuters und warnte davor, die Atomkonzerne zu überlasten. Zudem dürfe die geplante Lösung sich nicht negativ auf die Kohlesparten der Unternehmen auswirken.
Kritisiert wurde dieser Deal dagegen unter anderem vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Dessen Vorsitzender Hubert Weiger erklärte, die Haftung der Konzerne für die von ihnen verursachten radioaktiven Altlasten sei nicht verhandelbar. Die Kommission dürfe „eine unbefristete Haftung der Betreiber für den Rückbau der Atomkraftwerke und für die Atommüll-Lagerung nicht in Frage stellen oder einschränken“. Schockierend sei zudem, dass für die Betreiber der Atommeiler in Deutschland das Verursacherprinzip ausgehebelt werden solle. Enorme finanzielle Risiken, „auch was die künftige Kosten- und Zinsentwicklung angeht“, müssten am Ende wohl vom Steuerzahler getragen werden.
Dieser Kritik schloss sich in den letzten Tagen auch Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) an. Finanzielle Beihilfen seitens des Staates seien unzulässig, sagte er gegenüber der Deutschen Presseagentur. Weil sich die Europäische Kommission sicherlich den Deal genau anschaue, appellierte er an die Kommission, sich nicht auf die Vorschläge der Konzerne einzulassen.
Weil die Verhandlungen bisher hinter verschlossenen Türen stattgefunden hätten, seien die wenigen bisher kursierenden Informationen kaum überprüfbar. Es gebe aber berechtigte Zweifel daran, dass die Rückstellungen von mehr als 38 Milliarden Euro tatsächlich ausreichen werden.
Ziel der Kommission ist es, den Profit der Konzerne nicht zu gefährden, gleichzeitig aber das Risiko für den Staat so gering wie möglich zu halten. Denn, so die offizielle Argumentation, wenn die Unternehmen die Kosten nicht bewerkstelligen könnten und deswegen Pleite gehen, kämen sämtliche Kosten auf den Staat zu. Dass die Rückstellungen der Konzerne auf keinen Fall ausreichen und der Steuerzahler einspringen muss, wird schon aus den Kostenschätzungen der Kommission ersichtlich: In einem Papier werden die Kosten für Stilllegung und Rückbau der Kraftwerke sowie für die Endlagerung des Atommülls auf 49 Milliarden geschätzt – im günstigsten Szenario. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten sie sich aber auch auf bis zu 170 Milliarden Euro belaufen.