Zur Einigung bei Daimler Untertürkheim

Einiges abgewehrt

Die Vernichtung von 4.000 Arbeitsplätzen bei Daimler Untertürkheim ist erst einmal vom Tisch. Nach sechs Monaten zäher Verhandlungen und zahlreicher Aktionen der Beschäftigten gibt es endlich ein Ergebnis. Die Werksleitung hatte ursprünglich geplant, 4.000 Arbeitsplätze den Profitinteressen zu opfern – so die Ansage letzten Sommer. Das wäre mehr als jeder fünfte Arbeitsplatz gewesen. Produktionszusagen beim konventionellen Antrieb (unter anderem Kurbelwellenfertigung) wollte die Werksleitung nicht mehr einhalten, es sollte in Osteuropa produziert werden – zu niedrigeren Löhnen natürlich. Ein Vertragsbruch auf dem Rücken der Beschäftigten, gegen den Tausende protestierten. Sie haben dem Betriebsrat den Rücken gestärkt, einige Angriffe konnten abgewehrt werden.

Die neue Vereinbarung enthält zusätzliche Beschäftigung und umfangreiche Produktionszusagen. Untertürkheim soll darüber hinaus zum Kompetenzzentrum für Antriebstechnologie werden. In der Betriebszeitung „Scheibenwischer“ werden über 20 Produkte für die zukünftige Fertigung am Standort genannt, mit denen der Technologiewechsel hin zum Elektro-Antrieb erfolgen soll.

Ausscheidungsvereinbarungen, die auf doppelter Freiwilligkeit beruhen, sollen weiterlaufen, ebenso freiwillige Wechsel an andere Standorte in der Region wie zum Beispiel Sindelfingen oder Rastatt. Auch temporäre Versetzungen auf gleichwertige Arbeitsplätze innerhalb einer Jobfamilie mit gleichem Lohn sind vereinbart. Allerdings machen weder Betriebsrat noch Werksleitung Angaben zur Anzahl der Beschäftigten in den nächsten Jahren. Klar, der Abschluss ist komplex, die Entwicklungen schwer abzusehen. Es weist aber auch darauf hin, dass ein weiterer Arbeitsplatzabbau nicht ausgeschlossen ist.

Negativ ist zu bewerten, dass der Abschluss bei temporärem Bedarf in der Produktion bis zu 15 Prozent über Leiharbeit abgedeckt werden kann (bisher maximal 8 Prozent). Was außerdem verwundert: Im Herbst wurde noch von 19.000 Beschäftigten im Werk gesprochen, mittlerweile nur noch von 18.000. Das würde bedeuten – zu lesen und hören ist darüber nirgendwo etwas –, dass bereits circa 1.000 Kolleg­innen und Kollegen über den „MOVE Rahmensozialplan“, Altersteilzeit, Rente und anderes ausgeschieden sind.

Was im Abschluss komplett fehlt, ist der Gedanke einer sozial-ökologischen Verkehrswende.

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"Einiges abgewehrt", UZ vom 12. März 2021



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