Vergangenes Wochenende fand der 25. Bundeskongress der SDAJ in Eschborn statt. Der Jugendverband wertete seine Aktivitäten der letzten zwei Jahre aus und diskutierte über Krieg, Krise und Corona-Pandemie. Einstimmig beschlossen die Delegierten aus 36 Ortsgruppen die Kampagne „Wir wollen Frieden! Nein zur Aufrüstung!“. UZ sprach mit Andrea Hornung, Bundesvorsitzende der SDAJ.
UZ: Ihr habt auf dem Bundeskongress eine Antikriegs-Jugendkonferenz für den 23. April beschlossen, wo ihr über den Kampf für Abrüstung diskutieren wollt. Was habt ihr vor?
Andrea Hornung: Bei der Antikriegs-Jugendkonferenz wollen wir diskutieren, wie wir die Aufrüstung hier in Deutschland bekämpfen und uns damit gegen den Hauptfeind hier ausrichten können. Die Konferenz organisieren wir gemeinsam mit SDS, solid Hessen, lokalen Gewerkschaftsjugenden und weiteren Bündnispartnern. Das ist ein wichtiges Zeichen in Zeiten der Kriegshetze und Militarisierung und auch ein wichtiges Signal in die Friedensbewegung.
UZ: In einer gemeinsamen Erklärung rufen der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele und du zum gemeinsamen Friedenskampf auf. Wie sieht das konkret aus?
Andrea Hornung: Wir waren schon in den letzten Wochen in vielen Orten gemeinsam aktiv, so zum Beispiel in Frankfurt, wo wir vor drei Wochen eine gemeinsame Aktion der hessischen Landesverbände von solid, SDAJ und DKP sowie weiteren Bündnispartnern durchgeführt haben (siehe UZ vom 4. 3.).
Auf dem Kongress haben wir auch eine Kampagne mit dem Titel „Wir wollen Frieden! Nein zur Aufrüstung!“ beschlossen. Wir wollen mit unserem Umfeld, an Schule und Betrieb, mit Bündnispartnern in die gemeinsame Diskussion und Aktion kommen. Indem wir hier gemeinsam gegen Aufrüstung kämpfen, bekämpfen wir zugleich unseren Hauptfeind: den deutschen Imperialismus. Wir wollen aufzeigen, was gerade für eine Aufrüstung stattfindet und was diese für die arbeitenden Menschen bedeutet: Demokratieabbau und sozialen Kahlschlag. Die Militarisierung in der Gesellschaft schreitet voran und unsere gemeinsame Aufgabe ist es, die Friedensbewegung gegen die Aufrüstung hier und die weitere Kriegstreiberei Deutschlands in NATO und EU auszurichten.
UZ: Im Referat auf dem Bundeskongress sagtest du, das Militär nehme eine zentrale Rolle ein beim Versuch des Westens, die schwindende globale Dominanz gegen China zu verteidigen. Wie wirkt sich das heute schon auf die Jugend aus?
Andrea Hornung: Im Moment erleben wir dies durch die enorme Kriegshetze und den Kampf um die Köpfe der Jugendlichen. Das ist nichts Neues, aber hat sich in den letzten Wochen nochmal deutlich verschärft. Die Bundeswehr hat in den letzten Jahren immer mehr versucht, im öffentlichen Raum präsent zu sein – durch Plakate, YouTube-Serien und auf sozialen Netzwerken wie Tiktok. Die Präsenz hat auch durch die Corona-Pandemie, zum Beispiel mit den Einsatz der Bundeswehr in Gesundheitsämtern, nochmal zugenommen. Sogenannte Jugendoffiziere gehen verstärkt in die Schulen, um gegen Russland zu hetzen, für einen größeren Krieg mobil zu machen und Jugendliche zu werben, die keine Perspektive in diesem System haben.
Wir haben in den letzten Jahren bereits gesehen, dass immer mehr Schwimmbäder und Jugendzentren geschlossen werden und dass es einen Sanierungsstau von 60 Milliarden an den Schulen gibt. Der Hartz-IV-Satz für Kinder und Jugendliche wurde um lächerliche 3 Euro erhöht, während jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut aufwächst. Gleichzeitig ist für Aufrüstung Geld da und man diskutiert über die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Jugendliche in ihrer prekären Lage sollen für den Krieg im Interessen der Profite gewonnen werden. Dieser Kriegshetze müssen wir was entgegensetzen und jetzt das Bewusstsein schaffen, dass wir als Jugendliche kein Interesse am Krieg, kein Interesse an Aufrüstung haben.
UZ: In eurer Handlungsorientierung analysiert ihr auch die Auswirkungen der Krise auf die Jugend. Was sind die Hauptangriffe auf die Jugend von Seiten des Kapitals?
Andrea Hornung: In den letzten zwei Jahren haben wir erlebt, dass sich die Situation der arbeitenden und lernenden Jugend in fast allen Bereich verschlechtert hat. So hat zum Beispiel der Leistungsdruck an den Schulen enorm zugenommen, der Arbeitsmarkt wurde immer weiter prekarisiert. Schüler haben nach der Schule keine ordentlichen Perspektiven mehr.
Das liegt aber auch an dem Umgang mit der Corona-Pandemie der Bundesregierung. Junge Menschen hatten zwei Jahre lang keine ordentliche Schule, keine ordentliche Uni. Sie werden damit alleine gelassen, müssen aber trotzdem die zentralen Abschlussprüfungen am Ende ablegen. Dazu kommt, dass die Zahl der Ausbildungsplätze enorm zurückgegangen und die Ausbildungsqualität gesunken ist. In 72 Prozent der Unternehmen kam es zu deutlichen Einschränkungen der Ausbildung, das konnte in den meisten Fällen nicht ausgeglichen werden. Der Einstieg für uns Jugendliche in den Arbeitsmarkt ist deutlich schwerer geworden. Die Jugendarbeitslosigkeit ist gestiegen und unter dem Vorwand der Corona-Pandemie sind zahlreiche Stellen gestrichen worden. Die Armut unter Jugendlichen hat deutlich zugenommen. Fast jeder vierte Unter-18-Jährige lebt nach offiziellen Zahlen in Armut. Das macht auch was mit der Psyche der Jugendlichen. Jeder dritte Jugendliche zeigt mittlerweile psychische Auffälligkeiten, weil es für uns keine Perspektiven gibt.
UZ: Ihr bezeichnet die Corona-Pandemie auch als Triebfeder für den reaktionären Staatsumbau. An was macht ihr das fest?
Andrea Hornung: Die Bundeswehr wird im Innern eingesetzt, Versammlungen wurden eingeschränkt und zum Teil verboten. Vor zwei Jahren durften wir nicht zu den Ostermärschen auf die Straßen gehen. Es war ein Kampf, dass wir zum 1. Mai auf die Straße gehen durften. Wir haben das neue Versammlungsgesetz in NRW, das sich – heuchlerisch begründet mit Blick auf die Querdenker – gegen alle fortschrittlichen Kräfte wendet.
Wir erleben auch Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte im Betrieb, wenn jetzt möglich wird, dass der Chef den Impfstatus abfragt. Und das Ganze ist nicht vorbei. Arbeitgeberverbände haben schon eine „Agenda 2030“ vorschlagen, bei der Sozialleistungen noch drastischer gekürzt werden sollen, der Achtstundentag weiter aufgeweicht, das Renteneintrittsalter erhöht und Arbeitsverhältnisse insgesamt flexibilisiert werden sollen.
UZ: Es gibt viel zu tun. Glaubst du, der Kongress konnte dem Jugendverband helfen, sich für die kommenden Kämpfe aufzustellen?
Andrea Hornung: Ja, auf jeden Fall. Wir haben für den Kongress seit einem Jahr im Verband diskutiert, wie wir die aktuellen Entwicklungen einschätzen, was die nächsten Schritte im Verband sein müssen, und wir haben es durch diese ausführliche kollektive Diskussion in allen Gruppen vorher geschafft, dass wir eine hohe Einigkeit auf dem Kongress erzielt haben. So sind wir uns zum Beispiel sehr einig darin, dass jetzt unsere Aufgabe ist, hier in Deutschland gegen die Aufrüstung zu kämpfen, den Fingerzeig auf den deutschen Imperialismus, die NATO und die EU zu richten und deutlich zu machen, dass von denen die Aggression ausgeht und nicht von Russland.
Wir sind uns sehr einig darin, dass die aktuelle Situation erfordert, dass wir stärker in die Breite gehen, dass wir als Verband wachsen, mehr Leute aufnehmen, weil unsere Strukturen sich das leisten können. Zudem erlaubt es die politische Situation mit Krise, Pandemie, Krieg und Umweltkatastrophe, dass wir offensiver für uns werben.
Insgesamt bin ich sehr zufrieden und denke, wir konnten wichtige Weichen für die nächsten zwei Jahre stellen.