Am 6. April hat die Marx-Engels-Stiftung in Wuppertal eine Veranstaltung zum Thema „Faschismusgefahr und AfD“ durchgeführt. 40 Teilnehmer waren gekommen, um sich darüber zu verständigen:
- Gibt es eine akute faschistische Gefahr? Kann und sollte von „Faschisierung“ gesprochen werden?
- Der Charakter der AfD: Wie kann der in Bezug auf die Faschismusgefahr eingeschätzt werden?
- Welchen Charakter haben die Anti-AfD-Proteste?
Im ersten Referat führte Jörg Lang aus, dass der Faschismus als Teil des globalen Kampfes gegen den Sozialismus zu betrachten sei. Die USA seien dabei die globale Hauptmacht. Nicht jede Art der Gewalt sei gleich Faschismus. Faschismus wäre eine Herrschaftsform, um die Krise des Monopolkapitalismus zu bewältigen und die Kräfte des Sozialismus zu vernichten.
Die Anti-AfD-Proteste richteten sich vorgeblich gegen Faschismus. Aber sie argumentierten nur scheinmoralisch und indifferent. Vor allem stellten sie keine Zusammenhänge zwischen Rechtsentwicklung, Krieg, Sozialabbau und Abbau demokratischer Rechte her, was aber mit Faschismus einhergehe. Fast alle Beteiligten an den Protesten äußerten sich gegen die AfD, träten aber für Waffenlieferungen ein – perverserweise unter dem Begriff der „Solidarität“. Die Einheitsfront gegen die AfD als politische Konkurrenz solle vom militaristischen Umbau des Staates ablenken. „Rechts“ und „Links“ seien bis zur Unkenntlichkeit vermischt.
Die AfD stimme zwar für die weitere Aufrüstung der Bundeswehr, weil sie für eine militaristische Außenpolitik im Interesse des deutschen Imperialismus gegen die USA und damit auch für die Militarisierung der Gesellschaft eintrete, sei aber aus diesem Grund gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Als Lang äußerte, dass die AfD die einzige Partei sei, die die Schädigung Deutschlands durch die Politik der USA und die Unterwerfung „legitimer Interessen der deutschen Nation“ unter die US-Politik durch die Ampelregierung thematisiere, gab es spontanen Unmut im Plenum und bei einzelnen Referenten. Grüne, so argumentierte Lang, seien gefährlicher als die AfD („baden moralisch im Blut“).
Ekkehard Lieberam betonte: Wenn man über Faschismus als Herrschaftsform rede, müsse man auch über Kapitalismus reden. Faschismus sei sehr flexibel. Auch er unterstrich, dass bei den Anti-AfD-Protesten nicht auf die Aufrüstung und große Kriegsgefahr aufgrund der Außenpolitik der Ampel-Koalition eingegangen werde.
Um Faschismus von anderen diktatorischen Herrschaftsformen zu unterscheiden, müsse präzise analysiert werden. Drei konstante Merkmale machten den Faschismus aus:
- Faschismus sei eine Reaktion auf eine bestimmte historische Situation, in der das integrative Herrschaftssystem nicht mehr funktioniert und eine offene Diktatur verfolgt wird. Faschismus sei eine Form diktatorischer Herrschaft
- Faschismus sei aber auch Bewegung und gebe sich aufgrund auch der integrativen Funktion antikapitalistisch
- Faschismus sei schließlich eine Massenbewegung.
Nach Meinung von Lieberam habe der VII. Weltkongress der Komintern bei der Analyse des Faschismus eine gute analytische Grundlage geschaffen, auf die auch heute noch aufgebaut werden könne. Allerdings bestehe heute keine Faschismusgefahr, weil es (noch) keine umfassende Akzeptanzkrise der parlamentarischen Demokratie gebe.
Jürgen Lloyd leitete die Fragestellungen der Tagung grundsätzlich aus den Herrschaftsinteressen des Monopolkapitals ab. Es sei festzustellen, dass die zur Zeit vorherrschende integrative Herrschaftsform nicht frei von Krisenerscheinungen sei. Aufgrund antagonistischer Widersprüche sei das monopolistische Herrschaftssystem nicht dazu in der Lage, sich dauerhaft auf eine reine Integration stützen zu können.
Bei der Beurteilung der AfD müsse man sich die Funktion anschauen, die sie habe. Es genüge nicht, nur das Programm anzuschauen, die persönlichen Biographien und was Politiker der AfD sagten. Nicht subjektive Motive, sondern die objektive Wirkung sei wichtig. Die AfD sei zur Zeit eine Sammlungsbewegung, aber noch keine faschistische Partei. Aber mit ihr werde diese Option offen gehalten.
Die Anti-AfD-Proteste seien objektiv Teil der Formierung und förderten aus Sicht von Lloyd die Rechtsentwicklung.
Auch Ulrich Schneider ging bei der Frage nach der Faschismusgefahr von der Frage aus, wie groß die Krise des Systems sei und welchen Charakter diese habe. Die durchgängige Erscheinung in der Praxis der AfD sei faschistisch. Er verwehrte sich dagegen, die AfD als „Friedenspartei“ zu sehen, weil sie gegen Waffenlieferungen an die Ukraine sei, denn sie sei gleichzeitig für Aufrüstung, um deutsche Interessen unabhängig von den USA zum Durchbruch zu verhelfen.
Aktuell drohe jedoch keine faschistische Gefahr. Praxis sei eher ein „reaktionär-militaristischer Staatsumbau“, der auch von der Ampel-Koalition aktiv betrieben werde. Die Anti-AfD-Proteste seien keine Regierungsdemonstrationen, sondern die Menschen seien ernsthaft besorgt, auch wenn sie die Faschismusgefahr nur unzureichend in ihrem Charakter verstanden hätten. Für Schneider ist die AfD eine völkisch-nationalistische Partei, und es gebe keinerlei Ansätze für Gesprächsmöglichkeiten mit der Partei.
Allgemein gab es Konsens darüber, dass exakte und genaue Analysen notwendig seien, um die Gefahr des Faschismus zu begreifen. Es gebe keine unmittelbare Faschismusgefahr. Die Verwendung des Begriffes der Faschisierung müsse als unangemessen zurückgewiesen werden.
Übereinkunft bestand darin, die Diskussion fortzuführen. Es gab Interesse an einer Wochenendveranstaltung über den VII. Weltkongress, dessen Vorgeschichte, die kritischen und kontroversen Diskussionen, die Veränderung der Strategie und die Folgen dieses Kongresses.
Videoaufzeichnungen der Vorträge von Jörg Lang, Ekkehard Lieberam, Jürgen Lloyd und Ulrich Schneider sind online verfügbar.