Haydar Demiray kämpft gegen den Zwang zur Anstaltskleidung

Eingesperrt und widerständig

Der politische Gefangene Haydar Demiray setzt seinen bereits Mitte März begonnenen Hungerstreik in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Düsseldorf fort. Der Streik war kurz unterbrochen worden, nachdem auf Demirays Forderungen scheinbar eingegangen worden war. Hintergrund der Aktion ist der Zwang, Anstaltskleidung tragen zu müssen. In der Türkei hat der Widerstand gegen die staatlich verordnete Kleidung in Haft eine lange Tradition. Der Zwang wird als Machtdemonstration betrachtet, um Gefangenen ihre politische Identität zu nehmen und sie zu unterwerfen. Bei Hungerstreiks kommen immer wieder Gefangene zu Tode.

Laut seiner Ehefrau Sonnur Demiray hatte das JVA-Personal ihm die persönliche Kleidung ausgehändigt und der Verlegung in die Haftanstalt Dortmund zum 1. Juli zugestimmt, woraufhin Haydar Demiray seinen Hungerstreik beendete. Im Nachhinein will die Leiterin der JVA Düsseldorf davon nichts mehr wissen.

Demirays Rechtsanwalt Yener Sözen hat bereits drei Anträge an die JVA Düsseldorf gestellt, in denen er eine Genehmigung für das Tragen eigener Kleidung oder hilfsweise eine Verlegung seines Mandanten in eine Anstalt, in der das Tragen eigener Kleidung möglich ist, durchsetzen wollte. Als er am 17. Juli einen gleichlautenden Antrag an die Leitung der JVA Dortmund stellte, erfolgte nur einen Tag später die Rückverlegung in die Landeshauptstadt.

Wenigstens erfolgte Anfang August eine schriftliche Begründung der JVA Düsseldorf, die UZ vorliegt. Darin heißt es, Demiray sei aus „behandlerischen Gründen“ nach Dortmund verlegt worden, ohne dass ihm seine persönliche Kleidung ausgehändigt worden sei. In Ermangelung weiterer zu beachtender Einzelfallerwägungen und im Sinne der Gleichbehandlung aller Gefangenen würde ihm die Aushändigung weiterhin verweigert. Die Anstaltsleitung argumentiert auch mit der Anstaltssicherheit und Ordnung. Konkreten Bezug nimmt die JVA auf den Paragrafen 15 des Strafvollzugsgesetzes NRW. Dort heißt es, dass Gefangene Anstaltskleidung zu tragen hätten.

Im Gespräch mit UZ weist Sözen allerdings auf den zweiten Satz des ersten Absatzes des Gesetzestextes hin. Dieser lautet: „Das Tragen eigener Kleidung innerhalb der Anstalt kann gestattet werden, soweit die Gefangenen für Reinigung, Instandhaltung und regelmäßigen Wechsel auf eigene Kosten sorgen.“

Sözen sieht die Weigerung, seinem gesundheitlich stark angeschlagenen Mandanten seine Kleidung auszuhändigen, als politisch motiviert. In der Vergangenheit sei es politischen Gefangenen in anderen Verfahren gestattet worden, eigene individuelle Kleidung zu tragen. In der JVA Werl sei es zudem möglich, Jogginganzüge zu tragen. Der Anwalt fordert, dass die politisch Verantwortlichen endlich einlenken, bevor der stark abgemagerte und an Konzentrationsschwäche leidende Demiray am Ende sein Leben verliere. „Mein Mandant sieht in der Haftkleidung seine Menschenwürde verletzt. Seine Forderung kann aus rechtlichen Erwägungen erfüllt werden, wenn der politische Wille vorhanden ist. Ich hoffe, dass es nicht zum Äußersten kommt.“

Demiray wurde 2022 festgenommen und wegen Mitgliedschaft in der linken DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) nach Paragraf 129b des Strafgesetzbuchs als Mitglied einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Individuelle Straftaten wurden dem Verurteilten nicht zur Last gelegt, sondern völlig legale Aktivitäten wie die Teilnahme an Demonstrationen und Veranstaltungen. Auch der Besuch von linken Kulturvereinen wurde als Beleg für seine Mitgliedschaft gewertet.

Unser Autor ist Mitglied des Bundesvorstandes der Roten Hilfe.

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