Baerbock benimmt sich bei G20 daneben

Einflussnahme nicht gelungen

Kolumne

Vielleicht sollte Annalena Baerbock künftig doch mal das Versprechen einlösen, das sie zu Beginn ihrer Amtszeit gegeben hat: ihre Dienstreisen häufiger nicht mit der Flugbereitschaft der Bundeswehr, sondern mit regulären Linienflügen zu absolvieren. Das wäre nicht nur gut für das Klima; es würde der Außenministerin vor allem helfen, halbwegs rechtzeitig in den oft viele tausend Kilometer entfernten Ländern einzutreffen, die sie mit ihren Besuchen beglückt. Australien? Das ist, wie man seit August vergangenen Jahres weiß, mit Maschinen der Bundesregierung kaum erreichbar. Dschibuti? Für Flüge dorthin erhält das Auswärtige Amt keine Überfluggenehmigung aus Eritrea. Und aus Rio de Janeiro, wo Baerbock sich am vergangenen Donnerstag zum G20-Außenministertreffen aufhielt, nach New York, zum UN-Hauptquartier? Wenn das so einfach wäre. Um 17:30 Uhr habe man eigentlich losfliegen wollen, stach ihr offenkundig stinksaures Ministerium an die Medien durch. Dann allerdings sei erst das Auftanken, anschließend auch noch die Freigabe zum Abflug verzögert worden. „In 40 Jahren Flugdienst habe ich so was noch nicht erlebt“, stöhnte der Kapitän: „Die Brasilianer legen uns heute irgendwie Steine in den Weg.“

Brasilien bremst die Bundesaußenministerin bei ihrer Reise in die USA aus? Nun, was auch immer auf dem Flughafen in Rio los war, als ihre Maschine starten sollte, aber nicht konnte: Gründe, auf Baerbock wütend zu sein, hatten die Gastgeber des G20-Treffens allemal. „Eine gerechte Welt und ein nachhaltiger Planet“ – so lautet das Motto, unter das die brasilianische Regierung ihren G20-Vorsitz gestellt hat. Um diesem Ziel näher zu kommen, um Armut und Klimawandel zu bekämpfen, hat sie einiges mit den G20 vor. Zumindest Letzteres, der Schutz des Klimas, sollte eigentlich auch der Berliner Regierung am Herzen liegen; jedenfalls predigt sie das aller Welt, wo immer sie kann. Nun aber trifft Baerbock zu einer Zusammenkunft mit ihren G20-Amtskollegen in Rio de Janeiro ein, und anstatt sich, zum Beispiel, wichtigen Klimafragen zu widmen, setzt sie zu einer Rede an, die den Rahmen sprengt: Sie zieht wie wild über Russland, über dessen wenige Plätze neben ihr sitzenden Außenminister Sergei Lawrow und über Russlands Krieg gegen die Ukraine her. Der Kampf gegen Armut und Klimawandel aber? Baerbock räumt dem Machtkampf gegen Moskau Vorrang ein.

Brasilien schlägt sich – nach Indonesien und Indien – als schon dritter Staat im G20-Vorsitz damit herum, dass der Westen auch dieses Format zu nutzen sucht, um Russland zu isolieren. Die Folge: Die eigentlichen Ziele der G20 kommen zu kurz, werden regelmäßig vom Streit um den Ukraine-Krieg überlagert. Indien gelang es im September nur mit Müh und Not, eine Abschlusserklärung für den G20-Gipfel zusammenzuzimmern. Brasilien hat es für das G20-Außenministertreffen in der vergangenen Woche gar nicht erst versucht. Sein Außenminister Mauro Vieira war bemüht, das Beste aus der misslichen Lage zu machen; er lobte die G20 also: Wenigstens säßen da „Länder mit gegensätzlichen Ansichten immer noch am Tisch“.

Selbst daran aber beginnt sich in Deutschland Kritik zu regen. Der Westen hatte ab 2008 Interesse am G20-Format entwickelt, weil dieses es zu ermöglichen schien, auf wichtigere Schwellenländer Einfluss zu nehmen, ohne die immer weniger ging. Nun zeigt sich aber: In den Fragen, die für den Westen zentral sind – in seinem Machtkampf gegen Russland etwa –, gelingt die Einflussnahme nicht mehr. Ergibt das G20-Format dann noch Sinn? Zweifel ließ vergangene Woche etwa die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ erkennen. „Die deutsche Außenpolitik muss strategischer werden“, schrieb sie nach dem G20-Außenministertreffen, „und dazu gehört, mehr auf Länder zu setzen, die unsere Interessen teilen, statt mit denen zu palavern, die andere haben“. Mehr Kampf gegen Russland und weniger Kampf gegen die Armut, gegen den Klimawandel also; mehr G7, weniger G20? So sieht es wohl aus.

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"Einflussnahme nicht gelungen", UZ vom 1. März 2024



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