… ist auch hierzulande journalistischer Alltag

Einflussnahme auf Berichterstattung

Von B. M.

Die Antikorruptionsorganisation Transparency International warnt in einer neuen Studie, dass auch in Deutschland der unabhängige Journalismus in Gefahr sei. Demnach gehören anscheinend „Korruption, Erpressungsversuche sowie die inhaltliche Einflussnahme auf die Berichterstattung“ zum journalistischen Alltag.

Aber auch das Netzwerk Recherche warnt, dass Deutschland in der Rangliste der Pressefreiheit von Platz 12 auf Platz 16 abgerutscht ist. Diese Entwicklung sei mit aggressiver Hetze und Gewalt gegen Reporter und Kamerateams einhergegangen, aber auch der Druck auf Journalisten und ihre Informanten, die geheime Informationen ans Tageslicht bringen, habe zugenommen. Beispiele dafür seien der Skandal um die Online-Plattform netzpolitik.org und die vom Spiegel aufgedeckten Bemühungen des Waffenherstellers Heckler & Koch, die Quelle negativer Berichterstattung mit Hilfe des Militärgeheimdienstes MAD aufzudecken.

Solche offensichtlichen Fälle, die Presse im gewünschten Sinne zu beeinflussen, dürften allerdings nicht die Regel sein, subtilere Methoden dürften vorherrschen. Im Rahmen einer Masterarbeit am Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Hamburg wurden nun erstmalig Journalisten aller Mediengattungen und Ressorts befragt, wie sie Korruption und Medienbeeinflussung wahrnehmen und welche Erfahrungen sie selbst damit haben. Transparency International hat die Ergebnisse in einer neuen Studie ausgewertet.

Was dabei herauskam, wirft „einen finsteren Schatten auf die vermeintliche Pressefreiheit im Land“, heißt es in einer Mitteilung der Organisation. 77 Prozent der Befragten halten „Angebote von geldwerten Vorteilen an Journalisten für verbreitet, 69 Prozent haben eine solche Praxis schon selbst erlebt“. Es ist dabei eine gängige Praxis, sagen 44 Prozent, dass in Verbindung mit solchen Angeboten eindeutig eine Veränderung der Berichterstattung gefordert wird.

Unabhängiger Journalismus ist im Kapitalismus kaum möglich: Der Druck „der sich zunehmend aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von Verlagen und Medienunternehmen gegenüber von beispielsweise Anzeigenkunden ergibt“, sei besorgniserregend, betont Transparency International. Die Journalisten nehmen ihn sowohl seitens der Verlage als auch von Auftraggebern wahr. 70 Prozent halten „Pressionen und Erpressungsversuche durch Unternehmen für verbreitet“. Fast ein Drittel hat ein solches Vorgehen eines Unternehmens schon selbst erlebt; die Hälfte von ihnen in den letzten 12 Monaten, und jeder Achte von ihnen hat auf Grund dieser Drohungen seine Berichterstattung geändert.

Korruption zeigt sich auf verschiedene Weise. Ihre Facetten erstrecken sich für den einzelnen Journalisten vor allem auf Geschenke: Produktreporter erhalten beispielsweise neueste technische Geräte als „Dauerleihgabe“ und luxuriöse Reisen; Journalisten werden mit Rabatten für bestimmte Produkte bis hin zur persönlichen Nähe zu einflussreichen Personen oder Kreisen belohnt. Als besonders anfällig für das Erschleichen von Gefälligkeiten galten zumeist bislang der Reise- und der Motorjournalismus, da der Reisejournalist zumindest das Land besucht haben musste, über das er schrieb, und der Motorjournalist zumindest das Auto gefahren haben musste, um glaubwürdig darüber zu schreiben.

Ein großer Teil des Problems ist allerdings struktureller Natur, und dazu gehört unter anderem der Tausch von Anzeigen gegen redaktionelle Berichterstattung. Einige weitere Beispiele hat Transparency International gemeinsam mit dem Netzwerk Recherche schon 2013 in der Kurzstudie „Gefallen an Gefälligkeiten – Journalismus und Korruption“ veröffentlicht. Die wachsende strukturelle ökonomische Abhängigkeit des Journalismus von der Werbewirtschaft, aber auch Umstrukturierungen innerhalb der Medienkonzerne wie die Beschaffung extern produzierter Inhalte und das Ausgliedern redaktioneller Teile bieten Einfallstore für die Beeinflussung von außen, unter anderem von den PR-Strategien der Konzerne. Und das gelte vor allem für den Wirtschaftsjournalismus.

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"Einflussnahme auf Berichterstattung", UZ vom 20. Mai 2016



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