Telekom im Umorganisationstaumel – mal wieder

„Einfach anders“

Von Bernd Blümmel

Kollegen der Telekom beim Breitband-Ausbau

Kollegen der Telekom beim Breitband-Ausbau

( Wolfram Scheible/Deutsche Telekom AG)

Tarifflucht hat verschiedene Gesichter. Die Abspaltung von Kantinen, Hausmeistertätigkeiten oder Reinigungskräften in eigenständige Gesellschaften, deren Löhne anschließend unterhalb der Tariflöhne des Ursprungsunternehmens liegen. Die Verlagerung eines Großteils der Kernbelegschaften in Unternehmenstöchter, die in einen abgesenkten Tarifvertrag gepresst werden (Delivery der Deutschen Post AG im letzten Jahr). Oder aber, der pfiffige Kapitalist hat bereits – wie bei der Telekom – unterschiedlich tarifierte Gesellschaften unter einem Dach und verschiebt, je nach Bedarf, die Beschäftigten von einer GmbH in die andere. Und senkt „nebenbei“ das Lohnniveau. Das schafft Spielräume für die Dividendenausschüttung, hat aber einen gewissen Mehraufwand bei der Organisation zur Folge.

Wenn die Telekom nicht gerade Personal abbaut – wie in den letzten Jahren bei den zentralen Querschnittsfunktionen (Personalabteilungen, Finanzen und Controlling oder in den letzten zwei Jahren beim internen IT-Dienstleister TSystems), dann organisiert sie um. Und auch dabei werden Arbeitsplätze vernichtet. Bei TSystems über 5 000 Arbeitsplätze in den letzten Jahren. Bei den inländischen Betrieben und Unternehmen zwischen 18 000 und 30 000 Arbeitsplätze in den nächsten Jahren.

§ 613a verhindert Arbeitskämpfe

Aktuell ist wieder Umorganisation angesagt. Das betrifft im Wesentlichen die sogenannten Servicegesellschaften „Deutsche Telekom Technik“ (DT Technik), „Deutsche Telekom Technischer Service“ (DT TS) und „Deutsche Telekom Kundenservice“ (DT TS), die sich um den Ausbau des Netzes, die Kundenanschlüsse und die Kundenanfragen kümmern. Außerdem sind die Telekom-Shops (TSG) und die Telekom Deutschland GmbH (TDG) von der Umorganisation betroffen. Insgesamt werden etwa 15 000 Beschäftigte zwischen den Gesellschaften „verschoben“. Rechtliche Basis ist der § 613a BGB, der Betriebsübergänge regelt. Der § 613a BGB regelt allerdings nicht nur Betriebsübergänge, er verhindert in der Regel auch Arbeitskämpfe im Zusammenhang mit Betriebsübergängen. Das musste ein Großteil der auch jetzt wieder betroffenen Kolleginnen und Kollegen bereit 2007 erfahren. Damals hatte es der Konzern geschafft, die Arbeitszeit in den Service-Gesellschaften anzuheben und das Lohnniveau gleichzeitig abzusenken. Mehr als zehn Wochen Arbeitskampf konnten dies nicht verhindern. Am Ende siegte das Organisationsrecht der Eigentümer und ihrer hoch bezahlten Büttel im Management über die Interessen der Kolleginnen und Kollegen.

Auch bei der aktuellen Umorganisation liegt das Tarifniveau in den meisten Zielbetrieben wieder deutlich unter dem der Herkunftsbetriebe. In den von der zuständigen Gewerkschaft ver.di ausgehandelten Regelungen zum Betriebsübergang gibt es zwar einen Bestandsschutz für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen, bei künftigen Einstellungen aber kommt das niedrigere Niveau zur Anwendung. Damit hat das Management eine dauerhafte Absenkung erreicht.

Kleiner Lichtblick

Einer der wenigen Lichtblicke in dem Regelwerk stellt die Verkürzung der Wochenarbeitszeit mit 50 Prozent Lohnausgleich dar. Von der Wochenarbeitszeitverkürzung von 38 auf 36 Stunden werden rund 40 000 Kolleginnen und Kollegen betroffen sein. Das entspricht etwa 2 200 Arbeitsplätzen.

Daneben haben sowohl ver.di, als auch die Telekom noch einmal das Ziel formuliert, die Entgelt-Tarifverträge im Konzern zu harmonisieren. Dies würde dem Unternehmen wenigstens die Möglichkeit der Tarifflucht durch das Verschieben der Beschäftigten zwischen den einzelnen Gesellschaften der Telekom nehmen.

Wie das harmonisierte Tarifniveau am Ende allerdings aussieht, ob die Produktivitätssteigerung in Folge der Digitalisierung durch Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich kompensiert wird und damit auch den Kolleginnen und Kollegen zu Gute kommt und ob die künftigen Versuche des Managements zur Tarifflucht verhindert werden können, das wird mit Sicherheit nicht vom ver.di-Verhandlungsgeschick abhängen. Dazu bedarf es einer starken und kämpferischen Gewerkschaft. Und es wäre gut, wenn ver.di sich und die Kolleginnen und Kollegen auf die anstehenden Angriffe der Kapitalseite vorbereiten würde.

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"„Einfach anders“", UZ vom 7. Oktober 2016



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