Auf ihrem 22. Parteitag im März beschloss die DKP die Unterstützung der Kampagne „Abrüsten statt Aufrüsten“. Das Ziel, bis zum Herbst dieses Jahres 100 000 Unterschriften gegen die Aufrüstungspläne von NATO und Bundesregierung zu sammeln, wollte sie mit 30 000 Unterschriften unterstützen. Scheinbar ein unrealistisches Ziel: Die kleine Partei, noch dazu mit der Organisation eines eigenen Großfestes im September beschäftigt, sollte gleich ein Drittel der Unterschriften für die u. a. von Gewerkschaftsvorsitzenden, Udo Lindenberg, Daniela Dahn und Margot Käßmann unterstützten Initiative sammeln? Es stellte sich die Frage, was „Abrüsten statt Aufrüsten“ von anderen zahlreichen Kampagnen der Friedensbewegung abhebt. Der ebenfalls im März neugewählte Parteivorstand sah die besondere Bedeutung neben dem prominenten Kreis der Erstunterzeichner, der über den Kreis der „üblichen Verdächtigen“ der Friedensbewegung hinausragt, die enge inhaltliche Verbindung der drohenden Aufrüstungsrunde mit der gegen Russland gerichteten aggressiven NATO-Politik. So fordert der Aufruf eine Entspannungspolitik mit Russland und wendet sich gegen den neuen Kalten Krieg. Daran anknüpfend beschloss der DKP-Parteivorstand, diesen Aspekt der Kampagne mit den Losungen „Raus aus der NATO. NATO raus! Frieden mit Russland!“ in den Vordergrund zu stellen, ohne darauf zu verzichten, den mit Aufrüstung einhergehenden Sozialabbau anzugreifen.
Das Unterschriftenziel wurde erreicht. Bei tausenden Diskussionen auf der Straße, Veranstaltungen, bei Aktionen, in Bündnissen und Gewerkschaften konnten wichtige Erfahrungen gemacht werden. Deutlich wurde die Spannbreite an Reaktionen der Menschen bei der Ansprache auf eine Unterschrift. Während eine beträchtliche Zahl eine Verdoppelung des sogenannten Verteidigungshaushaltes rundweg ablehnte, griff bei manchen die „Löchrige-Socken-Kampagne“ von der Leyens, die das Gespenst einer mangelnden Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr an die Wand malte. Viele der Angesprochenen lehnten Rüstung nicht per se ab, waren einer Diskussion über die Zwecke der aktuellen Aufrüstungsrunde aber aufgeschlossen. Das Argument, dass gegen Russland aufgerüstet wird, dass damit die Kriegsgefahr in Europa steigt und die Sicherheit der Menschen aufs Spiel gesetzt wird, brachte manchen zum Nachdenken. Der Wunsch nach einem gut-nachbarschaftlichen Verhältnis zu Russland ist ein entscheidender Anknüpfungspunkt in Gesprächen – und ein Problem für die transatlantischen Scharfmacher jeglicher Couleur. In den Diskussionen um die Flüchtlingspolitik betonten die Unterschriftensammler der DKP immer wieder den Zusammenhang zwischen den Kriegen des Westens und den daraus folgenden Fluchtbewegungen – „NATO: Fluchtverursacher Nr. 1!“.
Ein nicht unerheblicher Aspekt der „Abrüsten statt Aufrüsten“-Kampagne“ ist aber überhaupt erst die Aufklärung über das Vorhaben der Bundesregierung und die tatsächliche Dimension der zunächst gering erscheinenden „2 Prozent“-Erhöhung des Militäretats. Der politische Wert der bislang insgesamt über 115 000 gesammelten Unterschriften besteht also auch darin, mehrere zehntausend Menschen zum ersten Mal über die NATO-Aufrüstung informiert zu haben. Angesichts der kleinen Friedensbewegung eine beachtliche Leistung.
Einen besonderen Stellenwert im Rahmen der Kampagne hatte die aktive Teilnahme einer DKP-Delegation an der 20-wöchigen Mahnwache am Fliegerhorst Büchel der Bundeswehr, in dem ca. 20 US-Atombomben lagern. Im Rahmen dieser „Aktionspräsenz“ blockierten DKP-Mitglieder im Juni für mehrere Stunden den Fliegerhorst, so dass keine Zufahrt möglich war. Nach einem erfolgreichen Jahr hat „atomwaffenfrei jetzt – Büchel ist überall“ die Planungen für noch kraftvollere Aktionen im kommenden Jahr aufgenommen. Zusätzlich zur Mobilisierung nach Büchel hatte die DKP in diesem Jahr zum ersten Mal beschlossen, auch die Demonstration gegen die US-Airbase Ramstein in Rheinland-Pfalz zu unterstützen, die eine zentrale Funktion für fast alle Kriege von USA und NATO sowie die gegen Russland gerichteten Raketen in Osteuropa hat.
Den vorläufigen Höhepunkt der Kampagne für die DKP bildete das UZ-Pressefest in Dortmund Anfang September. Neben der Übergabe der bis dahin gesammelten Unterschriften an Reiner Braun für „Abrüsten statt Aufrüsten“ wurde in zahlreichen Veranstaltungen über die Erfahrungen und Aufgaben der Friedensbewegung diskutiert, u. a. mit Klaus Hartmann, Karl-Heinz Peil, Marion Küpker und Anne Rieger.
Nach einer ersten Auswertung der bisherigen Aktivitäten beschloss der DKP-Parteivorstand im September, auf eine Fortführung der Kampagne hinzuwirken. Zwar reichen die Kräfte der Friedensbewegung derzeit nicht aus, um mit einer Massenbewegung die bevorstehende Erhöhung des Militärhaushaltes um rund vier Milliarden Euro zu verhindern. Doch bleibt die Notwendigkeit und Möglichkeit, die bereits bestehende Skepsis und Ablehnung in weiten Teilen der Bevölkerung zu verstärken und in Widerstand zu wandeln.
Dies wird je realistischer, desto mehr es im kommenden Jahr gelingt, „Abrüsten statt Aufrüsten“ stärker als bisher in örtlichen Friedens- und Ostermarschbündnissen zu verankern und gemeinsam mit mehr Mitstreitern organisiert Druck auf die Bundesregierung auszuüben. Auch in den Gewerkschaften ist die Kampagne noch zu wenig angekommen, obwohl gerade auf Gewerkschaftsversammlungen – diese Erfahrung machten DKP-Mitglieder – die Kampagne einen Nerv traf und viele Kollegen sofort unterschrieben. Unerlässlich für einen weiteren Aufschwung für „Abrüsten statt Aufrüsten“ ist es, die Zuspitzung der Konfrontation mit Russland als reale Bedrohung einer sicheren Zukunft der Bevölkerung in der Bundesrepublik zu benennen und gegen die Profiteure der verschärften Aufrüstungspolitik und Fluchtverursachung mobil zu machen. Gelegenheit dazu bietet die „Europawahl“ 2019, bei der die DKP als Alternative zu allen rechten, „linken“, liberalen und konservativen NATO-Fans, Rüstungstreibern und Russland-Hassern auf dem Wahlzettel stehen wird.