Anna Hartmann ist verschwunden. Ein Handy-Video deutet auf eine Entführung hin. Das Auswärtige Amt (AA) beauftragt Georg Dengler mit der Suche nach der Mitarbeiterin. Der Auftrag kommt zur rechten Zeit, steckt er doch notorisch in finanzieller Schieflage. Nun hat er nicht nur einen lukrativen Job, sondern auch eine gewiefte Assistentin. Petra Wolff, ehemalige Sekretärin im LKA weiß was zu tun ist. Denglers Freundin Olga, begnadete Hackerin, ist die Dritte im Bunde.
Anna Hartmann, hochrangige Mitarbeiterin des AA, überwacht zur Zeit für die Institution, besser bekannt als Troika, die ordnungsgemäße Abwicklung der Geldflüsse für die „Griechenland-Rettung“. Ihre Eltern geben an, Anna habe Griechenland retten wollen, arbeite an einem Konzept für das griechische Gesundheitswesen. Ihre Mutter ist Griechin, kommt aus Distomo und hat das Massaker der Deutschen am 10. Juni 1944 überlebt. Sie schildert ihre Tochter als ein munteres Kind, verwöhnt von ihrem Großvater, den sie vergöttert habe und er sie. Anna wird von ihm gefördert und protegiert, sie soll sein Lebenswerk weiterführen. Seinem Sohn konnte er die Griechin nie verzeihen. Otto Hartmann gehörte dem Direktorat der Deutschlandbank an und gründete die „Otto-Hartmann-Stiftung“, deren Vorsitz Anna übernehmen sollte und wollte. Den Tod des Großvaters nimmt sie gefasst auf, den Vorsitz der Stiftung übernimmt sie erst mal nicht. Der Geschäftsführer und kommissarische Vorsitzende kann es sich nicht erklären.
Das alles ermittelt die Detektei Dengler ziemlich schnell. Auch, dass sich Anna in Athen in den Künstler Petros verliebte. Er zeigte ihr die Auswirkungen der von der Troika verlangten Kürzungspolitik. Stellt sich die Frage: Hat sie ihre Haltung geändert? Arbeitet sie an anderen Konzepten? Ist ihre Arbeit so brisant, dass sie jemandem gefährlich werden könnte? Vieles deutet darauf hin. Drei Personen konnte Dengler als Beteiligte an der Entführung ermitteln. Zwei wurden ermordet, einer verschwand auf mysteriöse Weise. Es waren Mietgangster. Dann findet er bei einer erneuten Durchsuchung von Annas Wohnung einen Datenstick. Er lag auf einem Heizungsrohr, war großer Hitze ausgesetzt. Nur weniges ist lesbar. Es geht offensichtlich um Griechenland. In Ermangelung anderer Hinweise beschließt er, hier das Motiv zu suchen.
Schon die ersten Ergebnisse enthüllen Erstaunliches über die Grundlagen der Griechenland-Krise. Dengler & Co erfahren, dass Griechenland 1998 die Maastricht-Kriterien für den Beitritt zur Euro-Zone nicht erfüllte. Die Kohl-Regierung war gegen eine Aufnahme, Industrie und Banken waren dafür. Kanzler Schröder, der Genosse der Bosse, machte den Weg frei, sollte sich die fiskalische Situation des Landes verbessern. Mit Hilfe von Goldman Sachs hübschten die Hellenen ihre Bilanz auf und wurden 2001 in die – für sie zerstörerische – Euro-Zone aufgenommen. Es gibt einen anderen Aspekt. 1999 tobte der Krieg der Nato im Kosovo. Der Hafen von Thessaloniki war wichtig für den Nachschub. Die Griechen standen jedoch eher den Serben nahe. Kurz, es gab womöglich einen Deal: Hafen gegen Euro. Griechenland blieb das schwächste Glied in der Kette, fiel Spekulationen, die eigentlich dem Euro galten, zum Opfer. Banken und andere Geldinstitute verzockten sich mit griechischen Staatsanleihen, Milliardenverluste drohten. Die EZB kaufte sie ihnen ab und spannte einen Rettungsschirm über Griechenland auf. Das Drama beginnt. Bis auf zehn Prozent der 250 Milliarden Euro geht die Griechenlandhilfe, wahrscheinlich ohne Umweg über Athen, an französische und allen voran an deutsche Banken.
Die Ausplünderung Griechenlands durch den deutschen Staat und die Deutsche Bank, ist nicht neu. Als 1941 Nazideutschland in Griechenland einmarschierte, wurde der Sehnsuchtsort zur auspressbaren Kolonie. Schon einen Tag nach der Einnahme durch Wehrmacht und SS unterschreibt Hermann Josef Abs,Vorstandsmitglied der Deutschen Bank (im Buch Deutschlandbank), die Verträge zur Übernahme der Griechischen Nationalbank. Er war es auch, der 1952 als Delegationsleiter der BRD bei der Schuldenkonferenz in London ein Moratorium der Reparationen bis zu einem Friedensvertrag durchsetzte. Darum wurde der Vertrag über den Anschluss der DDR an die BRD „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ und nicht „Friedensvertrag“ genannt. Die Bundesregierung hatte und hat nicht die Absicht, ihre Schulden an Griechenland zurückzuzahlen. Sie hat sich einen umfassenden Schuldenschnitt besorgt.
Wolfgang Schorlau macht in „Der große Plan“ die „Griechenlandrettung“ und den Finanzmarktkapitalismus zum Thema und zieht eine Verbindungslinie von der Besatzung durch raubende, brandschatzende, mordende Nazis zu den Rettern von heute. Parallel zu Denglers Fall erzählt er die Geschichte des Nazis Otto Hartmann. Sein fiktives Personal bietet Schorlau die Möglichkeit, Personen der Zeitgeschichte wie Hermann Josef Abs zu entlarven und ihren Einfluss auf die Politik der BRD darzustellen. Um mit Lucas Zeise zu sprechen „Wer über Geld und den Finanzsektor reden will, kann über Politik nicht schweigen.“
Dengler wird den oder die Täter entlarven. Auch wenn es lebensgefährlich für ihn wird und weiter Geheimnisse zu lösen sind. „Der große Plan“ ist eine packende Geschichte. Erschütternd und aufschlussreich. Auch wenn vielen Linken und UZ-Lesern bekannt sein dürfte, wohin die Spur des Geldes für Griechenland führt. Die neuere deutsch-griechische Geschichte ist selten in dieser Komplexität beschrieben worden. Ob dies in einem Krimi zumutbar ist, stellt Schorlau daselbst zur Diskussion. Ist es. Unbedingt. Und bitte immer wieder.