Am 3. November 1914 wurde Kurt Julius Goldstein in Scharnhorst, heute ein Stadtbezirk Dortmunds, geboren. Er entstammte einer jüdischen Familie, lernte bereits in der Schule Antisemitismus kennen und schloss sich zunächst dem linken jüdischen Jugendbund „Kameraden“ an. Später trat er der SPD-nahen Sozialistischen Arbeiterjugend bei, schließlich dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands, 1930 der KPD. Kommunist blieb er sein Leben lang.
Ab November 1936 nahm er als Interbrigadist am Spanischen Krieg teil, wurde nach der Demobilisierung in Frankreich interniert, im Juli 1942 an das faschistische Deutschland ausgeliefert und nach Auschwitz verschleppt. Er verrichtete Sklavenarbeit in einer Kohlengrube, überlebte 1945 den Todesmarsch nach Buchenwald und war Zeuge der Selbstbefreiung des Konzentrationslagers am 11. April 1945.
In den folgenden Jahren arbeitete er für die KPD in Dortmund, siedelte 1951 in die DDR über und war seit 1956 beim Rundfunk tätig, von 1969 bis 1978 als Intendant des „Deutschlandsenders“ (ab 1971 „Stimme der DDR“). Er war Ehrenpräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Ehrenvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) und berichtete bis zu seinem Tod unermüdlich vor allem in Schulen als Zeitzeuge. Er war Ehrenbürger Spaniens, erhielt 2005 das Bundesverdienstkreuz und gehörte 2006 zu den Unterstützern der „Berliner Erklärung“ der Initiative „Schalom5767 – Frieden 2006“, die für eine Palästina-Politik entsprechend den Grundsätzen des Humanismus und des Völkerrechts eintrat.
Nur noch antiquarisch sind Bücher über und von ihm zu haben, zum Beispiel der von Wolfgang Herzberg 1990 herausgegebene Band „Überleben heißt erinnern. Lebensgeschichten deutscher Juden“ oder die von Friedrich-Martin Balzer 1999 besorgte Zusammenstellung mit Reden und Schriften Goldsteins: „Wir sind die Letzten – fragt uns“. 1996 veröffentlichten die Schriftsteller Rosemarie Schuder (1928 – 2018) und Rudolf Hirsch (1907 – 1998) seine Biographie unter dem Titel: „Nr. 58866: ‚Judenkönig‘“, die der PapyRossa Verlag 2004 noch einmal veröffentlichte.
Bereits Ende 2019 hatte die Bezirksvertretung Dortmund-Scharnhorst beschlossen, eine Straße nach Goldstein zu benennen. Am 5. Dezember stimmten nun zehn der 18 anwesenden Mitglieder der Bezirksvertretung dafür, eine neue Erschließungsstraße im Ortsteil Grevel nach Goldstein zu benennen. Dafür waren laut dem lokalen Internetportal „nordstadtblogger.de“ die Fraktionen der SPD und der Grünen, gemeinsam dagegen stimmten CDU, FDP, „Die Partei“ und AfD.
Dem ging eine Kontroverse über den Namensgeber voraus. Auf Antrag der Scharnhorster CDU-Fraktion war die Abstimmung am 3. November verschoben worden (siehe UZ vom 10. November). Die CDU folgte dabei der AfD-Fraktion, die erklärt hatte, Goldstein habe „in der DDR auch hohe Ämter“ innegehabt. Der Sprecher der CDU-Fraktion Jürgen Focke entblödete sich nicht, am 5. Dezember zu erklären, Goldsteins „Verhältnis zur Demokratie“ sei „so undifferenziert“, er habe nach 1990 den „Unrechtsstaat DDR relativiert“. Focke behauptete zugleich, er respektiere die Lebensleistung von Goldstein und habe noch am selben Tag mit dessen Enkel telefoniert, um dem seinen Standpunkt zu erläutern. Am 8. Dezember distanzierte sich der Kreisvorstand Dortmund von „Die Partei“ in einem offenen Brief entsetzt vom Verhalten seines Mitglieds in der Bezirksvertretung.
Das Geschehen ist exemplarisch. Erstens: Eine „Brandmauer“ zwischen CDU und AfD existiert hier auf lokaler Ebene nicht. Das gilt längst bundesweit. Zweitens: Da es offiziell – siehe zum Beispiel die Bundestagssitzung am 9. November zum 85. Jahrestag des Novemberpogroms – in diesem Land nur „linken“ oder „importierten“ Antisemitismus gibt, darf sich der von rechts ermuntert fühlen und sich entsprechend betätigen. Nicht nur in Scharnhorst.