Aber die Polizei lobt sich, in Bautzen die Ruhe wiederhergestellt zu haben

Eine offenbar geplante Hetzjagd

Von nh

Bei „Anne Will“ wurde am Sonntagabend „nachgelegt“: Aber nicht die Wahlen in Berlin, sondern die letzten Ereignisse in Bautzen (Sachsen) waren Thema. Über die „Eskalation in Bautzen – Was steckt dahinter?“ wurde diskutiert. Dazu eingeladen war auch Alexander Ahrens, der parteilose Oberbürgermeister. Der erinnerte an die Vorgänge in der vergangenen Woche und wandte sich dagegen, dass die Stadt zum Aufmarschplatz für Rechte wird.

In Bautzen hatten sich am 14. September etwa 20 Flüchtlinge auf dem Kornmarkt in der Innenstadt mit Nazis angelegt. Die Situation hatte sich schon in den Tagen zuvor zugespitzt. Die Nazis waren in der Mehrheit und begannen, die Flüchtlinge zu jagen.

Später gab die Polizei allein den Flüchtlingen die Schuld an der Eskalation. Diese hätten die andere Gruppe provoziert, beschimpft und mit Flaschen beworfen. Ein großer Teil der bürgerlichen Medien übernahm diese Behauptung.

Die überwiegend minderjährigen „unbegleitete“ Flüchtlinge erhielten eine Ausgangssperre und Alkoholverbot.

Einen Tag später versammelten sich Rechte, um erneut gegen Flüchtlinge zu hetzen. Laut „Spiegel-Online“ vom 16. September erklärte der örtliche Polizeidirektor Uwe Kilz dazu: „’Die unschönen Szenen, wie sie an den vergangenen Abenden am Kornmarkt zu sehen waren, gab es heute nicht’ … Heißt: Gehen Sie bitte weiter, hier gibt es nichts mehr zu sehen.“

„Die Polizei in Bautzen lobt sich für die Wiederherstellung der Ruhe in der Stadt“, konnte man auf „Spiegel-Online“ lesen: „Tatsächlich hat sie den Rechtsextremen das Feld überlassen, indem sie die Flüchtlinge in ihre Unterkünfte sperrt.“

Die Antirassistische Initiative Berlin erklärte am 16. September zu den Ereignissen in Bautzen unter dem Titel „25 Jahre nach dem Pogrom in Hoyerswerda und 35 Kilometer von Hoyerswerda entfernt: Rassistische Menschenjagd in Bautzen – Lokalpresse, Polizei und Stadt Bautzen machen aus Opfern Täter“: „Alle im Internet veröffentlichten Videos zeigen Angriffe auf Geflüchtete; der Angriff rechter Gewalttäter auf einen Rettungswagen wird von der Polizei bagatellisiert, die Hetzjagd durch die Stadt schlicht ignoriert. Die Kinder und Jugendlichen seien die Täter. Eine Phalanx aus Polizeiführung und Stadtregierung redet sich die geduldeten Pogrome in Bautzen zurecht und macht die Opfer zu Tätern. Ihre absurde Variante bringt es bis in die Tagesschau. Als verlängerter Arm des rechten Mobs verhängt die Stadt eine Ausgangssperre über die Bautzener Geflüchtetenlager, so wird ein Lager zum Knast. Sie inhaftiert Minderjährige täglich ab 19 Uhr. Die minderjährigen Geflüchteten haben es gewagt, sich gegen den rechten Mob zu verteidigen.“

„Es ist mir völlig unverständlich, dass die Polizei … zu Beginn mit nur acht Mann vor Ort war, wie Augenzeugen berichten. Die Polizei hat nicht etwa die Rechten, sondern Geflüchtete zum Gehen aufgefordert. Das ist völlig inakzeptabel. Wir dürfen nicht zulassen dass Neonazis ‚national befreite Zonen‘ in unseren Städten erkämpfen.“, erklärte am gleichen Tag die Bautzener Bundestagsabgeordnete Caren Lay („Die Linke“). Lay weiter: „Dass gestern Abend so schnell so viele Neonazis zusammen kommen konnten, legt den Verdacht nahe, dass dieser rassistische Angriff gezielt geplant war. Die Täter scheinen sich sehr sicher zu fühlen. Das ist das eigentlich Erschreckende!

Eine starke Naziszene und rechte Gewalt in Bautzen sind nicht vom Himmel gefallen: zahlreiche Angriffe auf das Spreehotel, die Bedrohung des Bündnisses Bautzen bleibt bunt und neun Angriffe auf unser Linke-Büro zeigen, dass das Problem seit Jahren besteht. Bei allen Beschädigungen meines Büros gab es keine Festnahme und keine Verurteilung. Die Frage ist nicht nur, wie viele Polizisten eingesetzt sind, sondern auch auf welcher Seite sie stehen.“ Und sie verwies darauf, dass die Jagd auf die Flüchtlinge kein Einzelfall ist. „Schon am vergangenen Freitag mussten sich Geflüchtete und Antifaschisten vor angreifenden Neonazis ins Steinhaus flüchten, weil die Polizei sie nicht schützen konnte …

Wir dürfen kein Klima zulassen, in dem sich Nazis und Rassisten sicher fühlen. Sie dürfen auf unseren Straßen nie wieder die Oberhand gewinnen.“

Doch auch in den Folgetagen kam es immer wieder zu Nazi-Provokationen in der Stadt – gut geschützt vor Gegendemonstranten durch die Polizei.

Übrigens: Auch am vergangenen Sonntag sicherten Polizeikräfte eine Kundgebung der Rechten ab, von denen manche auch aus anderen Bundesländern gekommen waren; natürlich vor angeblich gewaltbereiten jungen Antifaschistinnen und Antifaschisten. Und auch bei der Verfolgung anti-sorbischer Gewalt in der Bautzener Region, in der in Sachsen noch zahlreiche Menschen sorbischer Herkunft beheimatet sind, ist wohl ein Teil der sächsischen Polizei „auf dem rechten Auge blind“.

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"Eine offenbar geplante Hetzjagd", UZ vom 23. September 2016



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