Laschet und Lindner und ihre NRW-Politik

Eine kurze Ehe

Von Uwe Koopmann

Vor ziemlich genau einem halben Jahr, am 14. Mai, bescherte die Wahl zum 17. NRW-Landtag CDU und FDP in Düsseldorf ein Fest: Beide Parteien bekamen zusammen 100 von 199 Sitzen. Die SPD war bei der Brautschau mit -7,9 auf 31,2 Prozent (69 Sitze) auf das schlechteste Ergebnis seit 1947 abgerutscht. Die Ehe der beiden neuen Protagonisten Armin Laschet (CDU) und Christian Lindner (FDP) hielt bis zur Bundestagswahl am 24. September. Lindner verließ das Parlament am Rhein und ist seitdem auf Brautschau an der Spree.

Die kurze Ehe hat Spuren hinterlassen: Schleimspuren und Kratzer. Nachzulesen in der Etatplanung für 2018. Diese Planung für NRW ist in Teilen eine Blaupause beider Parteien für die „Sondierungsgespräche“ von CDU/CSU, FDP und Grünen in Berlin.

Dabei gab es opulente Steilvorlagen für den Bereich Einnahmen und Ausgaben, die bei der FDP an die Steuersenkungsversprechen von 2010 erinnern. Die Klientel der Hotel-Konzerne wurde blitzartig bedient. An der FDP blieb der Titel „Mövenpick-Partei“ haften. August von Finck („Mövenpick“) honorierte den milliardenschweren Steuernachlass bei Hotelübernachtungen (von 19 auf 7 Prozent) mit einer Millionenspende an die Klientel-Partei.

In ähnlicher Geschwindigkeit agierten jetzt CDU und FDP in Düsseldorf im Interesse der Immobilienkonzerne. Die Mietpreisbremse, die sich ohnehin als wenig hilfreich für den Mieterschutz erwiesen hatte, wurde als eine der ersten Maßnahmen gänzlich gekippt – statt sie im Interesse der Mieter zu einem brauchbaren Instrument gegen Mietsteigerungen zu „reformieren“. Auch dies eine CDU/CSU/FDP-Steilvorlage für die Sondierungsgespräche am Reichstag. Einer Zwischenbilanz in Berlin ist zu entnehmen, dass der Wohnungsbau angekurbelt werden soll.

Auch andere Politikfelder zeigen Parallelen zwischen Rhein und Spree: Laschet und Lindner waren sich schnell einig, dass die Polizei in NRW aufgestockt werden müsse. Finanzpolitik: Laschet verspricht einen ausgeglichenen Landeshaushalt für NRW, wenn auch nicht für sofort, aber danach. Über die gesamte Legislaturperiode jedenfalls soll es keine neuen Schulden geben. Das erinnert an Schäubles „schwarze Null“. Allerdings: Aktuell bleibt es bei roten Zahlen, denn vor ein paar Tagen wurde im Landtag der Nachtragshaushalt mit den Stimmen von CDU und FDP – und neuen Schulden (1,55 Milliarden Euro) – verabschiedet. 500 Millionen Euro davon sollen in die Kitas gehen, 150 Millionen in die Kliniken. Bezahlt werden 2 300 Kommissaranwärter und 118 Stellen beim „Verfassungsschutz“. Alle Parteien – in Berlin und in Düsseldorf – sind sich einig, dass für die Schulen mehr Geld in die Hand genommen werden muss, um im internationalen Vergleich nicht vollends auf der Strecke zu bleiben. Dazu gibt es taufrische Zahlen. Die Bertelsmann-Stiftung ließ ermitteln, dass 2,8 Milliarden Euro in die digitale Ausstattung investiert werden müssten. Das Geld müsste in Technik, Konzepte und Personal gesteckt werden. Diese Ausgaben sind kein humanitäres Anliegen, sondern eine Investition in die Berufsfähigkeit. 300000 Euro müssten pro Jahr in eine weiterführende Schule gesteckt werden, 45500 in die Grundschule. Pro Schüler wären das 400 Euro bzw. 260 Euro in der Grundschule. Bei Smartphones und Tablets geht es insgesamt um 800 Millionen Euro. Dazu gibt es allerdings Fragen: Wie hoch ist der Elternanteil für die häusliche Technik? Und die nächste Frage: Woher kommen die fehlenden 1,8 Milliarden Euro, wenn die Bundesregierung nur eine Milliarde Euro beisteuern will.

Laschet, der Sohn eines Steigers und späteren Grundschulleiters, handelte sich für die neuen Schulden heftige Kritik ein. Von den oppositionellen Grünen, denen er seit 1995 im Bonner italienischen Restaurant „Sassella“ noch in der „Pizza-Connection“ verbunden war. Die Bezeichnung „Pizza Connection“ geht auf den Namen eines sizilianischen Drogenrings in den USA zurück … Und heute sind viele von ihnen Minister und Partei-Granden.

Trotz der gestiegenen Aufgabenfülle – mehr Polizei, mehr Kitas und Geld für Kliniken – wird in Berlin gleichzeitig über Steuererleichterungen nachgedacht. Finanzieller Mehrbedarf dürfte auch entstehen, wenn die Versprechungen zur Bildungspolitik umgesetzt werden sollten. Die plötzliche Geldfülle geht nicht auf Laschet oder Lindner zurück, sondern auf Steuermehreinnahmen durch eine Konjunkturschwankung und die Niedrigzinspolitik.

Die reale Politik wird von einem Image-Wechsel des Ministerpräsidenten begleitet: Laschets Vorgängerin Hannelore Kraft (SPD) wurde unglaubwürdig als „Kümmerin“ vermarktet. Laschet ist nun „der Macher“. Da wird viel verbalisiert. Für manche Talkshow-Beobachter ist er der bescheiden wirkende Viel(ver)sprecher, der sich hinsichtlich Einschaltquote und Themenbereichen mit dem legendären Rekordhalter Wolfgang Bosbach (CDU) messen könnte.

Symbolpolitik für die Bescheidenheit: Laschets Umzug aus dem gläsernen Düsseldorfer „Stadttor“ ins traditionelle Landeshaus. Erster Mieter im Stadttor war als Ministerpräsident der „Macher“ Wolfgang Clement (Ex-SPD). Nach Angaben des Handelsblattes kostet der Umzug jetzt 787000 Euro. Also weniger sparsam. Noch bescheidener und symbolträchtiger als Laschet war allerdings SPD-Ministerpräsident Johannes Rau. Der residierte in der Villa Horion am Landeshaus. Wegen der verbindenden Nachbarschaft zu einem großen NRW-Konzern spricht der Volksmund bei der Villa Horion auch von Thyssens Pförtnerhaus. Im Jahr 2020 muss NRW durch die Schuldenbremse ohne neue Kredite auskommen …

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"Eine kurze Ehe", UZ vom 10. November 2017



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