UZ: Die neue Regierung aus Österreichischer Volkspartei (ÖVP) und Freiheitlicher Partei (FPÖ) startete schon vor ihrer Amtseinführung am vergangenen Montag ihre Angriffe gegen die Arbeiter und Angestellten. Der 12-Stunden-Tag und eine wöchentliche Maximalarbeitszeit von 60 Stunden sollen kommen.
David Lang: Das Programm der schwarz-blauen Regierung muss als das bezeichnet werden, was es ist: eine Kriegserklärung an die breite Mehrheit der österreichischen Bevölkerung. Unter den Schlagwörtern Flexibilisierung und Entbürokratisierung wird seitens der neuen Regierung zum Sturmangriff auf hart erkämpfte Errungenschaften der Arbeiterbewegung geblasen. Die Frage der Arbeitszeit ist nur ein Punkt auf einer endlos erscheinenden Liste an Widerlichkeiten. Kollektive Regelungen und die institutionalisierten Interessenvertretungen in diesem Land sollen dem neoliberalen Dogma der individuellen Regelungen weichen, wo auf Perspektive einzelne Beschäftigte ihre Arbeitsumstände doch selbst mit dem Chef vereinbaren sollen.Wessen Interessen hier vertreten werden, ist klar: so zeigen sich Vertreter aus Industrie und Großkapital sehr erfreut über die Vorhaben der Regierung.
UZ: Was ist die derzeitige Regelarbeitszeit in Österreich und welche Regelungen gibt es? Welche Rolle spielen dabei die Kollektivverträge?
David Lang: 1919 wurde in Österreich der Acht-Stunden-Tag gesetzlich verankert, in den 1970ern erfolgte dann die Verkürzung der Normalarbeitszeit auf 40 Stunden die Woche. Im österreichischen Arbeitsrecht gibt es eine Vielzahl gesetzlicher und kollektivvertraglicher Ausnahmen. Über 95 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse in Österreich sind von Kollektivverträgen erfasst. Diese sind von sehr unterschiedlicher Qualität und werden wenig kämpferisch von den Sozialpartnern Jahr für Jahr verhandelt. In Kollektivverträgen werden in dem Zusammenhang beispielsweise die Normalarbeitszeit der betreffenden Branche, Bezahlungen von Mehr- und Überstunden sowie der Stundenlohn geregelt – wichtig ist, dass der Kollektivvertrag gesetzliche Regelungen nur verbessern und nicht verschlechtern kann. Gewerkschaften, Arbeiterkammer und Betriebsräte sollen von der neuen Regierung zurückgedrängt werden. Beispielsweise enthält das Programm von Schwarz-Blau die ersatzlose Abschaffung der Jugendvertrauensräte (JVR). JVRs sind Betriebsräte für Lehrlinge und junge Arbeitende und vertreten deren spezifische Interessen im Betrieb.
UZ: Robert Krotzer, KPÖ-Stadtrat in Graz, nannte im UZ-Interview die neue Regierung eine Regierung der Industriellenvereinigung. Aber schon die Vorgängerregierung aus ÖVP und SPÖ liebäugelte mit dem 12-Stunden-Tag. Was hat sie daran gehindert, konkrete Schritte in diese Richtung zu gehen?
David Lang: Damit hat der Genosse Krotzer zweifellos Recht. Es ist dies eine Regierung der Reichen, die versuchen wird, den größten Angriff auf unsere sozialen und demokratischen Rechte seit 1945 zu unternehmen. Und es stimmt, im Regierungsübereinkommen der großen Koalition einigte man sich Anfang 2017 auf eine Flexibilisierung der Arbeitszeit in Hinblick auf den 12-Stunden-Tag. Was sie daran gehindert hat, war in erster Linie die mangelnde Zeit mit den vom Zaun gebrochenen Neuwahlen. Der Plan wäre gewesen, dass die Sozialpartner ein entsprechendes Modell verhandeln – dabei rausgekommen wäre ein fauler Kompromiss auf Kosten der Beschäftigten, so viel ist klar. Aber auch klar: im Unterschied zur Salamitaktik der großen Koalition mit schrittweisen, kleineren Verschlechterungen in sozialpartnerschaftlicher Manier erfolgen jetzt umfassendere und frontale Angriffe.
UZ: Was sind eure Forderungen zur Arbeitszeit?
David Lang: Wenn wir über Arbeitszeit reden, kann die Losung nur sein: Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Unsere Forderung ist eine Verkürzung auf 35 Wochenstunden als erstem Schritt hin zu einer radikalen Arbeitszeitverkürzung, dafür ist es höchste Zeit. Denn während die Produktivität laufend steigt und die Gewinne der Unternehmen in den letzten Jahrzehnten beständig stiegen, steigen seitens der Beschäftigten nur der Arbeitsdruck, die Arbeitszeit und die Arbeitslosigkeit. Eine Arbeitszeitverkürzung schafft hingegen Arbeitsplätze, entlastet die Beschäftigten spürbar und ist ein wichtiger Hebel im Kampf um die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums.