Derzeit diskutieren die Gliederungen der DKP in Vorbereitung des 26. Parteitags zehn Leitgedanken. Sie liegen in einem gemeinsamen Dokument mit dem Antrag zur Handlungsorientierung an den Parteitag dieser Ausgabe von UZ bei. Der Parteivorstand hat in den Leitgedanken seine Analyse der Entwicklung des Imperialismus und der Kräfteverhältnisse dargelegt. Im Rahmen der Referatsdiskussion auf dem Parteitag im Juni 2025 sollen die kollektiven Diskussionsergebnisse eingebracht werden. Zur Unterstützung der Aneignung der Positionen des Parteivorstands und damit der Herstellung eines einheitlichen Wissensstands in der Partei erscheinen in der UZ Artikel zur Vertiefung der einzelnen Leitgedanken. Wir haben die Beiträge unter folgendem Link zusammengefasst: uzlinks.de/parteitag
In der Einleitung der Leitgedanken wird hingewiesen auf „das Eingeständnis von Politik und Monopolkapital, dass sich die internationalen Kräfteverhältnisse zuungunsten des Imperialismus verschoben haben. Das US-Monopolkapital hatte den ‚Schwenk nach Asien‘ schon zehn Jahre vorher unter Präsident Barack Obama vollzogen. Beides zeugt von tiefgreifenden Veränderungen der internationalen Kräfteverhältnisse, deren Ursachen in der ökonomischen Entwicklung zu suchen sind.“
Es sind letztendlich die Gesetze des Kapitals, die diese dramatischen Veränderungen der internationalen Kräfteverhältnisse hervorrufen. Die kapitalistische Wirtschaft beruht darauf, dass einzelne warenproduzierende Unternehmen (Kapitale) auf dem Markt in Konkurrenz zueinander stehen. Große Kapitale schneiden dabei besser ab. Sie können neue Maschinen (konstantes Kapital) finanzieren und sich Forschung für neue Produkte leisten. Doch dieser Konkurrenzvorteil steigenden Einsatzes von konstantem Kapital führt andererseits durch den verhältnismäßig geringeren Einsatz von lebendiger Arbeit (variablem Kapital) zum tendenziellen Fall der Profitrate (siehe Link). Unternehmen mit sinkender Profitrate bleiben im Konkurrenzkampf zurück. So zwingt der tendenzielle Fall der Profitrate in den Hauptländern die Kapitalisten, nach neuen Ausbeutungswegen zu suchen. Da bietet sich eine Verlagerung der Produktion ins Ausland (der sogenannte „Kapitalexport“) an. Die Lohnkosten sind in den Ländern, die nicht zu den imperialistischen Hauptländern gehören, bei gleicher Qualifikation wesentlich niedriger, die Ausbeutungsrate ist also deutlich höher. Eine aktuelle Untersuchung in der Fachzeitschrift „nature communications“ zeigt dies auf. Die Löhne im Globalen Süden sind gegenüber denen im Globalen Norden deutlich geringer: um 87 Prozent für hochqualifizierte Arbeit, um 93 Prozent für mittelqualifizierte und um 95 Prozent für unqualifizierte Arbeit.
China bot sich nach der „Öffnung“ Ende der 1970er Jahre als ein Land für Kapitalexport an. Es stellte ausländischen Firmen qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung, sorgte für zahme Gewerkschaften und drückte beim Umweltschutz beide Augen zu – sicherte sich aber durch „Joint Ventures“ eine Kontrolle über die Firmen. Das führte dazu, dass China ab 1992 konstant zu den Hauptempfängern von Kapitalexport zählte. „Sonderwirtschaftszonen“, aber auch der konsequente Kampf gegen die Korruption schirmten dabei das China-eigene planwirtschaftliche System von externen Einflüssen ab. China nutzte den Zufluss von Know-how und Kapital planmäßig zum Aufbau eigener Ausbildungs-, Forschungs- und Produktionskapazitäten. Im Rahmen der Fünfjahrespläne wurde die Infrastruktur in China systematisch entwickelt. Der Kapitalimport nach China in der Größenordnung Hunderter Milliarden US-Dollar lieferte dabei einen wesentlichen Anteil am schnellen Wachstum Chinas, speziell bei der Warenproduktion.
Das durch die kapitalistische Konkurrenz erzwungene Verhalten vieler einzelner Unternehmen, ihren Produktionsstandort nach Profiterwägungen zu wählen, führt in der Summe zu einer zunehmenden Deindustrialisierung der imperialistischen Hauptländer. Die USA zum Beispiel haben seit Jahrzehnten massiv Industriestandorte und -arbeitsplätze verloren, die nun in China, Vietnam, Mexiko und Südkorea zu finden sind. Ein ähnlicher Prozess steht jetzt hierzulande mit VW an. Analoges gilt für den Abbau von Rohstoffen. Hier, wie auch bei den „dreckigen“ Industrien, kommt noch der Aspekt hinzu, dass steigende hiesige Umweltstandards zu höheren Kosten und damit geringeren Gewinnen der Unternehmen führen, weshalb die Verursacher von Umweltschäden gerne in Länder des Globalen Südens gehen.
Die Auswirkungen dieser Prozesse zeigten sich ab 2004 deutlich (siehe Grafik). China wurde in kurzer Zeit zur „Werkbank der Welt“. Verstärkt wird dieser Prozess durch den riesigen Binnenmarkt Chinas, der dreimal so groß ist wie jener der USA und auf den sich die chinesische Wirtschaft verstärkt seit 2021 stützt. Nimmt man die neu gegründete Freihandelszone RCEP dazu, die 2019 in Asien ohne Beteiligung der USA an den Start ging, ergibt sich ein Wirtschaftsraum von 2,2 Milliarden Menschen. Hier lohnen sich sehr große Produktionszahlen, was wiederum die weltweite Konkurrenzfähigkeit der chinesischen Industrie weiter erhöht.
China ist mittlerweile – nach Untersuchungen des australischen Think Tanks „ASPI Critical Technology Tracker“ – in 37 von 44 Bereichen kritischer oder neu entstehender Technologien führend (etwa Nano-Materialien, 6G-Kommunikation, Batterien, synthetische Biologie). China flankiert diese Entwicklung durch die Finanzierung von Handelswegen, die nicht mehr auf die kolonialen Hauptmächte zugeschnitten sind („Neue Seidenstraße“). Politisch konsolidieren sich die neuen ökonomischen Kräfte, die den alten kolonialen und imperialistischen Ländern Paroli bieten, in Organisationen wie BRICS und der „Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit“ (SCO).
Die imperialistischen Hauptländer haben keine Chance mehr, ihre bisherige weltweite Ausbeuterstellung weitgehend mit ökonomischen Mitteln aufrechtzuerhalten. Sie müssen immer mehr auf Gewalt setzen. Die USA und Europa greifen auf Wirtschaftssanktionen und Marktabschottung (Protektionismus) zurück – so erheben die USA Strafzölle, welche die Kosten für chinesische E-Autos verdoppeln. Auch die EU hat Strafzölle von bis zu 35 Prozent beschlossen. Die westlichen Staaten schüren militärische Spannungen rund um das zu China gehörende Taiwan und mischen sich direkt in die Politik anderer Länder mit „Farbrevolutionen“ ein wie in Bangladesch, Myanmar oder Thailand – alles, um China „einzukreisen“. So haben wir es zurzeit mit einem sehr gefährlichen Abschnitt der Weltgeschichte zu tun, bis die objektiv wirkenden ökonomischen Prozesse Westeuropa und den USA endgültig einen neuen, bescheideneren Platz im kapitalistischen Weltsystem zugewiesen haben.
Wie können die Arbeiterklasse und die werktätige Bevölkerung in den imperialistischen Hauptländern es schaffen, diesen Krisenprozess ihrer herrschenden Klassen, der momentan auf sie abgeladen wird, zu ihrem Vorteil zu nutzen?