Zu einem Jahr Corona-Pandemie

Eine Frage des Systems

Vor wenigen Tagen habe ich die Losung „Schließung tötet“ an die Wand eines Krankenhauses in meinem Stadtteil gesprüht. Dieses Krankenhaus ist Ende vergangenen Jahres geschlossen worden. Das zweite innerhalb weniger Monate, mitten in der Pandemie, mitten im armen Essener Norden. Eine alte Frau, als Notfall eingeliefert, war nachts um halb zwei wegen Bettenmangels aus dem verbliebenen Krankenhaus nach Hause geschickt worden. Am nächsten Morgen erlitt sie einen Schlaganfall, wenige Tage später starb sie.

Ich denke an die Bilder aus Bergamo – Tote, Krankenhauspersonal und Ärztinnen und Ärzte völlig überlastet und vor der Auswahl, wem die wenigen Beatmungsmöglichkeiten zugute kommen und wem nicht geholfen werden kann. Das Virus ist gefährlich, tödlich wird es aber oft erst in Verbindung mit einem kaputtgesparten Gesundheitssystem – in Spanien und Italien kaputtgespart auf Veranlassung der EU und zum Segen des deutschen Imperialismus.

„Für die Wirtschaft wurde viel erreicht“, sagt Wirtschaftsminister Peter Altmaier im Ergebnis des vergangenen „Corona-Gipfels“. Das ist das Motto der Bundesregierung seit einem Jahr Pandemie. Die kapitalistische Krise, die bereits Ende 2019 begann, wurde zur „Corona-Krise“ umdefiniert. Die Lasten werden auf die Werktätigen abgewälzt. Es findet eine riesige kapitalistische Marktbereinigung statt.

In einem Gesellschaftssystem, dessen Prinzipien Profitmacherei und Konkurrenz sind und das sich ein Virus so zunutze macht, lässt sich keine konsequente Pandemiebekämpfung durchsetzen. Die Verfügungsgewalt der Monopole über Fabriken und Banken wird nicht angetastet, das Gesundheitswesen, die Impfstoffentwicklung und -verteilung müssen profitabel sein, das Bildungswesen billig und eliteorientiert. Solange es geht, wird die Geldmaschine am Laufen gehalten. Hunderte zahlen dies täglich mit ihrem Leben. Drohen aber ernsthafte Folgen für das System, wird der Bevölkerung die Schuld in die Schuhe geschoben, das öffentliche Leben und die demokratischen Rechte werden extrem eingeschränkt. Diese Politik erschüttert zu Recht das Vertrauen der Menschen in die Regierung.

Die Länder mit sozialistischer Orientierung haben anders gehandelt. Sie handeln nach der Maxime: „Das Wertvollste, was der Mensch besitzt, ist das Leben.“ (Nikolai Ostrowski). Mit Beginn der Pandemie fokussierten sie ihr gesamtes staatliches Handeln auf die Bekämpfung des Virus. In China wurde das öffentliche Leben der Region Wuhan gestoppt. Millionen waren in Quarantäne. Die Menschen wurden zu Hause mit Lebensmitteln und allem Nötigen versorgt. Das Personal im Gesundheitswesen wurde aufgestockt, die Schichtzeiten verkürzt. Innerhalb weniger Wochen wurden Testkapazitäten für Millionen geschaffen. Grenzen wurden rigoros geschlossen, bis heute ist die Einreise nur nach Quarantäne möglich. Die Zentralregierung hat die Zügel in der Hand und setzte zur Bekämpfung der Pandemie auch Polizei und Militär ein. Apps helfen zusätzlich bei der Überwachung des Virus. Gleichzeitig hat die Volksrepublik China vielen Ländern geholfen und teilt ihr Wissen. Das Vertrauen in die Regierung ist gewachsen. Die Menschen merken, dass sie in ihrem Interesse handelt.

Das Leben in China hat sich seit dem Sommer weitgehend normalisiert. Ähnliches gilt für Vietnam. Auch Kuba hatte das Virus im letzten Jahr in den Griff bekommen. Zurzeit gibt es wieder viele Neuinfektionen – allerdings nur wenige Todesfälle.

Nur wem der Antikommunismus das Hirn zerfressen hat, zeigt mit dem Finger auf China. Alle anderen können sehen, welches System das Ziel hat, Leben und persönliche Freiheit in Einklang zu bringen.

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"Eine Frage des Systems", UZ vom 12. März 2021



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