Hetzkampagne gegen Präsidentin der Technischen Universität Berlin. Rücktrittsforderungen abgelehnt

Eine, die stört

Chris Hüppmeier

Wenn sich Studierende, Lehrende und Verwaltungsangestellte auf einer Spontandemonstration hinter ihrer Universitätspräsidentin versammeln, dann ist das in der Hochschullandschaft hierzulande schon bemerkenswert. So passierte es in der vergangenen Woche an der Technischen Universität (TU) Berlin. Rund 200 Hochschulangehörige zeigten sich solidarisch mit Geraldine Rauch, nachdem ihr in einer dreiwöchigen Hetzkampagne von der Berliner Politik und Presse das Verbreiten von antisemitischen Inhalten in den sozialen Medien unterstellt worden war. „Deutschlands umstrittenste Uni-Präsidentin“, titelte die Springerpresse. Sie solle zurücktreten, um Schaden von der Universität und dem Land abzuwenden, hieß es weiter. Doch sie tat es nicht.

Geraldine Rauch nutzt wie viele aus dem Wissenschaftskontext die Plattform X (ehemals Twitter). Dort soll sie mehrere Posts „geliked“ haben, die das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung durch die Bombardements in Rafah deutlich machten und einen sofortigen Waffenstillstand forderten. In einem Beitrag ist zusätzlich ein Bild von einer mutmaßlich türkischen Demonstration zu sehen, mit einem Banner, auf dem der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit einem Hakenkreuz abgebildet ist.

Rauch beteuerte in einer Erklärung unmittelbar nach dem Bekanntwerden, dass ihr das problematische Bild nicht aufgefallen sei. Es ginge ihr nur um den transportierten Text. Sie räumte Fehler ein, bat umfassend um Entschuldigung, distanzierte sich von antisemitischen Inhalten und ging aktiv mit jüdischen Studenten ins Gespräch. Das restliche Präsidium hatte sich zwar kritisch zu den Aktivitäten Rauchs in den sozialen Medien geäußert, widersprach aber der Unterstellung, dass sie eine Antisemitin sei. Der Allgemeine Studierenden-Ausschuss (AStA) erklärte sich solidarisch. Geraldine Rauch habe in den vergangenen acht Monaten gezeigt, dass sie sich gegen Antisemitismus einsetze. „Sie hat seit dem Überfall der Hamas auf Israel und dem darauf folgenden Militäreinsatz ein offenes Ohr für alle Studierenden und ihre Ängste und Sorgen, ihre Überforderung und Trauer“, so der AStA in einer Stellungnahme. Gleichlautendes kam auch in einem offenen Brief der Mittelbau-Initiative zum Ausdruck, der von rund 100 Hochschulangestellten unterzeichnet wurde.

Die Solidarität für die Universitätspräsidentin ist erstaunlich. Allerdings nicht genug für die Springerpresse, die im Einklang mit der Berliner CDU einen regelrechten Shitstorm gegen Rauch inszenierte. Die Forderung ist dabei klar: Sofortiger Rücktritt. Hinter der Wucht der medialen Hetzkampagne steckt mehr als nur menschelnde Empörung über Antisemitismus. Geraldine Rauch gilt als progressive Präsidentin, die das auch öffentlich kundtut.

Anfang des Jahres hat das TU-Präsidium den Historiker und Hochschullehrer Uffa Jensen zum Antisemitismusbeauftragten ernannt und für Empörung gesorgt. Jensen ist dafür bekannt, dass er kein Befürworter der hierzulande geltenden IHRA-Definition für Antisemitismus ist, die Kritik am Staat Israel als israelbezogenen Antisemitismus begreift. Rauch äußerte sich immer wieder kritisch zum Umgang der Berliner Polizei mit den palästinasolidarischen Demonstrationen und Besetzungen an den Universitäten. Rauch bezog öffentlich Stellung gegen die Wiederaufnahme politischer Exmatrikulationen ins Hochschulgesetz. Ebenso äußerte sie sich auch immer wieder politisch zu Israels Krieg gegen das palästinensische Volk. Darüber hinaus ist Geraldine Rauch eine bekennende Zivilklausel-Befürworterin und zeigte sich besorgt über die Versuche, die deutschen Wissenschaften wieder für militärische Zwecke zu öffnen.

Kurzum: Diese Universitätspräsidentin stört offenbar beim reaktionär-militaristischen Staatsumbau. Mit der Hetzkampagne gegen sie soll ein weiteres Exempel statuiert werden. Dafür werden alle Geschütze aufgefahren. „Warum konnte ich meinen Schmerz über das unermessliche Leid nicht im Privaten lassen?“, hinterfragte sich Rauch in ihrem öffentlichen Entschuldigungsstatement. Weil es dort, wo es jetzt ist, genau richtig ist, will man ihr antworten. Noch hält sie dem Druck stand. Ob sie sich als Präsidentin einer Universität weiterhin so in die öffentlichen Debatten einmischt, bleibt zu hoffen, ist aber fraglich.

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"Eine, die stört", UZ vom 14. Juni 2024



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