Eine Bitte an die Metaller

Kolumne von Lucas Zeise

Lucas Zeise

Lucas Zeise

Vor der Finanzkrise galt es in Politik, Management und natürlich bei den professionellen Volkswirten als ausgemacht, dass die Industrie im modernen Kapitalismus immer unwichtiger wird. Sie war nicht nur dreckig und mit körperlicher Arbeit verbunden, sie lieferte den Investoren, auf die es schließlich ankam, geringere Profite und weniger Wachstum als das blitzsaubere Dienstleistungsgeschäft. Die Favoriten waren damals weniger die Friseure, Einzelhändler und die als Facility Manager umbenannten Hausmeister sondern die Banker, Broker, Fondsmanager, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater, Immobilien- und sonstige Makler sowie die altbekannten Versicherungsvertreter. Sie alle aufzuzählen ist unmöglich. Der Dienstleistungssektor, streng wissenschaftlich auch als „tertiärer Sektor“ bezeichnet, blühte. Was wirklich blühte, war der Finanzsektor.

Ganz besonders in den sich entindustrialisierenden Ländern wie USA oder Britannien. Die früher dort real existierende Industrie ging allerdings nicht in Banken und Versicherungen auf, sondern wurde nach Asien transferiert. Das geschah auch in Deutschland, aber nicht ganz so heftig. So ist Deutschland unter den alten kapitalistischen Ländern das mit dem höchsten Anteil der Industrie an der Wertschöpfung. Die Metaller und ihre Gewerkschaft tun recht daran, das Geschwätz von wegen „Ende der Industriegesellschaft“ nicht zu befürworten, sondern sich für den Industriestandort Deutschland stark zu machen. Nur wie macht man das?

Bestimmt nicht dadurch, dass man die Gewerkschaften in der Industrie gegen jene, die vorwiegend Dienstleister organisieren, in Stellung bringt. Die ‚Kooperationsvereinbarung‘ zwischen IG Metall, IG BCE, EVG und IG Bau vom April dieses Jahres versucht gerade das. Die Probleme, die dadurch entstehen, dass die Kapitalseite und das von ihr bezahlte Management in immer schnellerem Rhythmus Betriebsteile ausgliedern, neu zusammenfassen, Unternehmen zerschlagen und andere fusionieren, führt neben allem sonstigen Ärger zu Abgrenzungsproblemen der Gewerkschaftszuständigkeit. Die lassen sich nicht lösen, wenn man die vom Management vorgegebenen Angaben über die ‚Wertschöpfungsketten‘ zum Kriterium für die Zuständigkeit der Gewerkschaft macht. Der Kooperationsvertrag liest sich leider in weiten Teilen wie ein Papier der Kapitalseite. Da ist von den „Wertschöpfungsketten ‚unseres‘ industriellen Netzes“ die Rede. Da werden die „sehr hohen fixen Renditeerwartungen der Investoren“ als unumstößliche Tatsachen akzeptiert.

Als Journalist bin ich bei ver.di organisiert und insofern in dieser Frage Partei. Zugleich bin ich mir sicher, dass die Abgrenzungsprobleme zwischen den Gewerkschaften sich in allen Einzelfällen lösen lassen. Dennoch eine Bitte an die Metaller auf ihrem gerade beginnenden Gewerkschaftstag: Vergesst das hier diskutierte unerfreuliche Papier und achtet wie bisher darauf, dass die Kollegen der anderen Gewerkschaften euch näher sind als die Manager und Eigentümer der Industrieunternehmen.

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"Eine Bitte an die Metaller", UZ vom 16. Oktober 2015



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