Eine außerparlamentarische Bewegung von Rechts

Markus Bernhardt im Gespräch mit Kerstin Heimann

Kerstin Heimann ist Sprecherin des „Duisburger Netzwerks gegen Rechts“

http://netzwerk-gegen-rechts.org

UZ: Am vergangenen Montag feierte das offizielle Deutschland zum 26. Mal den sogenannten „Tag der deutschen Einheit“. Wie fällt diesbezüglich Ihre Bilanz aus?

Kerstin Heimann: Äußerst düster. Überall in der Republik kam es in den letzten Wochen und Monaten zu rassistischen Aufmärschen und Anschlägen. In manchen Regionen sind selbst Kommunalpolitiker vor den Angriffen der Rechten nicht mehr sicher. Das betrifft keineswegs nur den Osten Deutschlands, wenn ich zum Beispiel auf die westdeutsche Nazihochburg Dortmund hinweisen darf. Dort kam es ja erst in der letzten Woche zu einem Angriff von Nazis auf einen DKP-Infostand.

Ungeachtet der Übergriffe der Nazis, die mittlerweile immer offensiver von einem Mob unterstützt werden, der der sogenannten politischen Mitte entspringt, erleben wir eine nationalistische Offensive, die von Teilen der CDU/CSU und natürlich der AfD befördert wird. Derlei Stimmungsmache bleibt nicht ohne Erfolg, sondern vergiftet das gesellschaftliche Klima zunehmend. Es scheint auch keinerlei Tabus mehr zu geben. So machte sich kürzlich die sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla den faschistischen Begriff der Umvolkung zu eigen.

UZ: Mit derlei Begrifflichkeiten macht auf Seiten der politischen rechten vor allem die sogenannte „Identitäre Bewegung“ von sich reden. Mit Erfolg?

Kerstin Heimann: Ja, durchaus. Den sogenannten „Identitären“ ist es gelungen, eine extrem rechte Bewegung zu schaffen, die vor allem auf junge Männer anziehend wirkt. Die Identitären haben es geschafft, sich als moderne Jugendbewegung zu inszenieren, die sich angeblich dem Wohl Deutschlands verpflichtet fühlt. In der Realität haben wir es jedoch mit den altbekannten Phrasen und Parolen der extremen Rechten zu tun. Rassismus und Hetze sind Kernelemente der Ideologie der „Identitären“. Die Grenzen zwischen Konservativen und extremen Rechten schwinden zunehmend. Das birgt große Gefahren für Flüchtlinge, aber auch für die politische Linke.

UZ: Inwiefern?

Kerstin Heimann: Wir sind politisch in einer Defensive. Da gibt es nichts zu beschönigen. Aktuell erleben wir eine außerparlamentarische Bewegung von Rechts, die sich aus Pegida, AfD, Neonazis und Teilen des national-konservativen Spekrums speist. Nazigegner sind hingegen uneinig und stehen diesem Phänomen weitestgehend hilflos gegenüber.

UZ: Wie soll die politische Linke dieses Problems Herr werden?

Kerstin Heimann: Das ist so einfach nicht. Viele Antifaschistinnen und Antifaschisten weisen ja völlig zu Recht darauf hin, dass wir eine soziale Offensive für alle hier lebenden Menschen benötigen, um den Rechten die Basis zu entziehen. Das ist aber sicherlich nicht alles. Es sind ja nicht durchgängig diejenigen, die sich „abgehängt“ fühlen. Vielmehr ist es ja die Mittelschicht, die aktuell am Lautesten hetzt.

Ich würde übrigens gerne einmal von denjenigen, die gegen die Hilfe für Flüchtlinge agitieren, wissen, wie sie eigentlich darauf kommen, dass sich ihre Lebenssituation verbessert hätte, wenn kein einziger Flüchtling nach Deutschland gekommen wäre. Glaubt irgendjemand allen Ernstes, dass es mehr bezahlbaren Wohnraum, höhere Löhne, oder bessere Gesundheitsversorgung gegeben hätte, wenn kein Flüchtling aufgenommen worden wäre? Wohl kaum! Die Bundesregierung ist ja schließlich nicht als Wohltäterin für sozial Deklassierte oder die Mittelschicht angetreten.

Ich will aber noch einmal zurück zu den Protesten der Rechten am Montag in Dresden zurückkommen. Mich irritiert mittlerweile zunehmend, dass bisher keiner der sogenannten „Bürgerrechtler“, die damals gegen die DDR agitiert haben, wahrnehmbar kritisiert hat, dass Pegida und selbst Neofaschisten die Parole „Wir sind das Volk“ übernommen haben. Vielleicht sagt das mehr über diese vermeintlichen Bürgerrechtler aus, als es ihnen selbst lieb sein dürfte.

Dass wir es nicht mit einer „Einheit“, sondern mit einer Annexion zu tun hatten, liegt außerdem auf der Hand. Es spricht doch schon für sich, dass die etablierte Politik bei diesen fragwürdigen Feierlichkeiten unter sich blieb und sich von fast 3 000 Polizisten abschirmen lassen musste.

UZ: Aber nochmal zurück. Wie wollen Sie den zunehmenden gesellschaftlichen Rechtsruck stoppen?

Kerstin Heimann: Die politische Linke darf nicht als Teil der etablierten Politik wahrgenommen werden. So ist es etwa der sächsischen Linkspartei ergangen, deren Ansehen in der Bevölkerung im Sinkflug ist. Wir dürfen die Proteste und das Stellen der Systemfrage nicht den Rechten überlassen, sondern müssen eine antikapitalistische Politik vertreten.

UZ: Womit man schnell wieder bei der Diskussion um mögliche Bündnispartner landet …

Kerstin Heimann: Ich empfinde diese Debatte nicht als Problem. Es ist doch relativ naheliegend, wie man diesbezüglich agieren sollte. Man geht doch in Bündnisse nur, wenn man selbst eine klare Position vertritt.

Bündnispolitik ist weder ein Selbstzweck, noch darf sie in Anbiederei und Gleichmacherei enden. Eben das war aber in der Vergangenheit teilweise das Problem.

Ich glaube jedoch, dass wir als Antikapitalisten und Antifaschisten über gute Positionen verfügen, die wir aber auch offensiv vertreten sollten. Nicht selten stehen uns manche Durchschnittsbürgerinnen und -bürger deutlich näher als wir selbst denken und auch näher als manches studentisch geprägte Hipster-Milieu.

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"Eine außerparlamentarische Bewegung von Rechts", UZ vom 7. Oktober 2016



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