Der Erfolg der Grazer Kommunisten

Einblicke eines Außenstehenden

Hanno Wisiak

Diese Rezension erschien zuerst in den „Mitteilungen“ der Alfred-Klahr-Gesellschaft.

Manès Weisskirchner veröffentlichte 2019 im Cambridger Journal Government and Opposition erstmals eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Aufstieg der steirischen und Grazer KPÖ. Ende letzten Jahres erschien mit Jonas Vogts Biografie „Der Kernöl-Kommunismus“ ein auf eine breitere Leserschaft ausgelegtes Werk. Was Vogt bietet, ist eine kurzweilige, interessante und unvoreingenommene Außensicht.

Er beginnt mit dem 26. September 2021, dem Wahlabend, der Gegner wie Kommentatoren, am meisten aber die Grazer Kommunistinnen und Kommunisten selbst überraschte: Mit 28,8 Prozent verdrängte die KPÖ die seit 2003 den Bürgermeister stellende ÖVP, die um fast zwölf Prozent auf 25,9 Prozent abstürzte, von Platz eins. Elke Kahr wurde die erste Frau und die erste Kommunistin an der Spitze der zweitgrößten Stadt Österreichs. Kompakt schildert Vogt Ursachen und Wirkungen des Wahlergebnisses.

„Wie Elke Kahr wurde, was sie ist“ heißt das zweite Kapitel, das nicht nur den Lebensweg der Grazer Bürgermeisterin nachzeichnet, sondern zeigt, wer und was sie zu dem Menschen gemacht hat, der sie ist. Ihre unbürokratische und für viele unkonventionelle Arbeitsweise wird ebenso beleuchtet wie ihre Empathie und Hartnäckigkeit. Es folgen historische Abrisse über die KPÖ von ihrer Gründung bis zur Befreiung vom Faschismus bis zur Implosion der sozialistischen Staatengemeinschaft. Prägnant dargestellt werden auch die entscheidenden Beiträge, die Kommunistinnen und Kommunisten zur Geschichte des Bundeslandes und der Republik geleistet haben.

Einblicke in die harte Aufbauarbeit gibt ein Interview mit Ernest Kaltenegger, der, als die KPÖ Ende der 1980er den letzten Sitz im Grazer Gemeinderat zu verlieren drohte, die Wohnungsfrage in den Mittelpunkt der Kommunalpolitik der Partei rückte. Die Frage, die Kommunisten seit Friedrich Engels beschäftigt, wurde zum Markenkern und Kaltenegger zur medialen Symbolfigur, die die KPÖ 2003 erstmals zu 20 Prozent bei Gemeinderatswahlen in Graz und 2005 wieder in den steiermärkischen Landtag führte.

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Dass Elke Kahr und die Grazer Kommunisten bis in die New York Times für Aufsehen sorgen, lässt zu oft in Vergessenheit geraten, dass die KPÖ auch in der industriell geprägten Obersteiermark über viele Jahrzehnte ein beständiger Faktor mit konkretem Gebrauchswert ist und außerhalb der Landeshauptstadt aktuell eine Vizebürgermeisterin, acht Stadträte und 39 Gemeinderäte sowie zwei Landtagsabgeordnete stellt. Vogt streift in einem eigenen Kapitel den vielfältigen konkreten Einsatz in Bewegungen und Gemeindestuben, die diesen Erfolgen zugrunde liegen. Immer wieder streicht er hervor, wie wichtig es für die KPÖ ist, im Alltag der Menschen greif- und unterscheidbar zu sein, konkrete Unterstützung aber auch Perspektiven anzubieten.

Auch auf das unbeirrte Festhalten an ihrem marxistischen Kompass und die theoretischen Fundamente, auf denen die praktische Arbeit aufbaut, wird ein Schlaglicht geworfen. Vogt sitzt nicht wie die allermeisten Kommentatoren dem Irrglauben auf, die Erfolge stellten sich „trotz“ der ideologischen Grundhaltungen ein. Anhand der Sozialsprechstunden, der Arbeit in den Stadtteilen und der auf das Parteimaximum der Bolschewiki zurückgehenden Gehaltsobergrenze für Funktionäre weist er nach, dass sie sehr wohl in der kommunistischen Weltanschauung wurzeln, mit der die KPÖ jedoch nicht exegetisch oder dogmatisch umgeht, sondern sich als ständig lernende Partei begreift.

Besonders seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine rückten die internationalen und friedenspolitischen Positionen der KPÖ in den Fokus eines breiten öffentlichen Interesses – und ins Fadenkreuz politischer Gegner. Ohne sie zu werten, schildert Vogt die Aufreger. Auch dass sich die Partei schon lange und eingehend mit den dunklen Seiten der kommunistischen Weltbewegung auseinandersetzt, wird konstatiert.

Ein Rückblick auf das – alles andere als einfache – erste Jahr der dunkelrot-grün-roten Koalition zeigt sowohl das Erreichte als auch die Möglichkeiten und Grenzen fortschrittlicher Kommunalpolitik. Allen wenig wohlwollenden Prognosen und gegnerischen Hoffnungen zum Trotz existiert die neue Stadtregierung noch und nutzt die vorhandenen Spielräume – auch wenn ein anfangs nicht so deutlich sichtbarer Schuldenberg, der in 18 Jahren ÖVP-Bürgermeisterschaft aufgehäuft wurde, diese deutlich einengt. Das Buch schließt mit einem Ausblick, in dem die Unwägbarkeiten und Gefahren benannt werden.

Vieles, was Journalisten seit dem Wahlerfolg 2021 über die steirische KPÖ verfasst haben, bleibt an der Oberfläche oder kann getrost unter „Viel Meinung, wenig Ahnung“ verbucht werden. Beim „Kernöl-Kommunismus“ ist das anders. Jonas Vogt ist kein Kommunist. Er bietet Einblicke eines Außenstehenden. Sein Buch ist übersichtlich und kurzweilig, vielleicht da und dort etwas ungenau und wird bei Kommunisten auch Ein- und Widerspruch hervorrufen.

Doch auch als steirischer Kommunist ist festzuhalten: Die Lektüre macht Spaß, weil man sieht, wie man von außen gesehen wird, ohne oberlehrerhaft benotet zu werden. Vogt zeichnet den Weg des Aufstiegs einer Partei nach, die in Theorie und Praxis damit ringt, den Ansprüchen an eine Kommunistische Partei gerecht zu werden – und verweist dabei auf Möglichkeiten, auch andernorts an die Erfahrungen anzuknüpfen.

Jonas Vogt
Der Kernöl-Kommunismus
Wo der Erfolg der steirischen KPÖ herkommt und wo sie hin will

Eine Biografie
Ampuls Verlag 2022, 144 S., 24,90 Euro

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