Berlin und Paris wollten in Mali vorexerzieren, was von den europäischen „Vordenkern“ so gern „Strategische Autonomie“ genannt wird. Gemeint ist die Fähigkeit, ebenso wie die USA, in (fast) jedes Land des Globus einfallen und es nach Belieben ausplündern zu können. Mali erschien hinreichend schwach, eine ernsthafte Gegenwehr galt als unwahrscheinlich. Mali hat eine Lage von strategischer Bedeutung, eine erhebliche Landwirtschaft: Getreide, Baumwolle, Tabak; und es ist reich an wichtigen Mineralien: Gold, Diamanten, Edelsteine, Uran, Bauxit, Phosphate, Kalkstein und anderes. Im Mittelalter, bevor der europäische Kolonialismus das Land ruiniert hatte, galt Mali als eines der reichsten Länder der Erde.
In den 1980er Jahren hatte das US-Imperium in Afghanistan ein massives Aufbauprogramm für den islamistischen Fundamentalismus gestartet. In der Folgezeit waren die „Freiheitskämpfer“ als Killertruppe Washingtons nahezu weltweit exportiert worden. So auch nach Libyen, wo sie Oberst Muammar al-Gaddafi abschlachten sollten. „Wir kamen, wir sahen, er starb“ (Hillary Clinton). Nachdem sie den Auftrag erledigt hatten, sickerten die „Gotteskrieger“ auch nach Mali ein, wo sie halfen, die Lage so weit zu destabilisieren, dass sich die Militärintervention der alten Kolonialherren unter der Führung Frankreichs als „Krieg gegen den Terror“ verkaufen ließ.
Und nun der Rückzug. Frankreich ging schon im Februar, Deutschland in der vergangenen Woche. Die Verweigerung von Überflugrechten war als Begründung ins Feld geführt worden. Seit Mai 2021 weht in Malis Hauptstadt Bamako ein anderer Wind. Die Militärregierung unter Assimi Goïta hatte klargemacht, dass sie lieber mit Russland zusammenarbeitet. Außenminister Sergej Lawrow war, ganz im Gegensatz zur schulmeisterlichen deutschen Außenministerin, bei seiner Afrika-Reise wie ein Popstar gefeiert worden. Russische Militärtechnik wurde geliefert. Von einer Win-win-Situation war die Rede. Für Frau Baerbock kaum weniger als der Untergang des Abendlandes: Die Berichte über die Menschenrechtsverletzungen der malischen und russischen Truppen seien „furchtbar“. Es bricht eine neue Zeit an, auch in Afrika. Die Zeiten, in denen der Kontinent noch am europäischen Verhandlungstisch aufgeteilt werden konnte, wie auf der Berliner „Kongo-Konferenz“ 1884/85, sind Geschichte.