Juni 1948: Die Währungsreform in den Westzonen trieb die Spaltung Deutschlands weiter voran

Ein weiterer Bruch des Potsdamer Abkommens

Von nh

Die ersten Monate nach der Kapitulation des faschistischen Deutschlands standen in allen Besatzungszonen noch ganz im Zeichen der Verwirklichung der Beschlüsse von Jalta und Potsdam. Doch das änderte sich bereits im Laufe des Jahres 1946. Statt auf Kooperation mit der Sowjetunion setzten die herrschenden Kreise – vor allem in den USA und in Großbritannien – zunehmend auf Konfrontation, schließlich auf den Kalten Krieg. Der Westen Deutschlands sollte in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle spielen. Der marxistische Historiker Rolf Badstübner schrieb über die ersten Folgen dieses Kurswechsels, die später noch sichtbarer wurden: „Sozialisierungsgesetze wurden verboten, Bodenreformen fanden nicht statt. An die Stelle der Entnazifizierung trat eine weitgehende personelle Renazifizierung, denn im Kampf gegen den Kommunismus konnte man sich auf den Antibolschewismus der ‚Ehemaligen’ fest verlassen. Wenn die westdeutsche Wirtschaft mithelfen sollte, Westeuropa vor Verelendung und Kommunismus zu retten, dann waren die deutschen Wirtschaftsmanager einschließlich ihrer Großbanken und Konzerne unverzichtbar und wenn Westeuropa vor der Sowjetarmee geschützt werden sollte, die Hitlergenerale.“ (Geschichtskorrespondenz, Heft 2/2008)

Anfang Juni 1948 ging die Londoner Konferenz der Westmächte zu Ende (siehe UZ vom 25. Mai und vom 1. Juni), zu der man die Sowjetunion nicht eingeladen hatte, In einem am 7. Juni 1948 veröffentlichten Kommuniqué wurden deren Beschlüsse bekanntgegeben. Beschönigt wurde die beschlossene Gründung eines separaten Weststaates mit der Behauptung, dadurch die Wiedererrichtung der deutschen Einheit zu ermöglichen.

Menschen stehen am 20. Juni 1948 in Frankfurt am Main (wie überall in den drei westlichen Besatzungszonen) in einer fast endlos scheinenden Schlange vor den Geldumtauschbüros an.

Menschen stehen am 20. Juni 1948 in Frankfurt am Main (wie überall in den drei westlichen Besatzungszonen) in einer fast endlos scheinenden Schlange vor den Geldumtauschbüros an.

( INKiESS VOSCOPLAST KG / Lizenz: (CC BY-SA 4.0)

Einführung der D-Mark

Doch nur zwei Wochen später wurde deutlich, was davon zu halten war. Am 25. November 1947 hatte der Frachter „American Farmer“ in Bremerhaven seine Ladung gelöscht. Darunter waren 4 000 geheimnisvolle Kisten. Weitere Schiffsladungen folgten in den kommenden Monaten. Bis Mai 1948 wurden insgesamt fast 22 900 solcher geheimnisvoller Kisten nach Frankfurt am Main transportiert – streng bewacht. Sie enthielten in den USA im Rahmen der „Operation Bird Dog“ gedruckte Banknoten, etwa sechs Milliarden D-Mark, das „Startkapital“ des deutschen Wirtschaftswunders, wie die „FAZ“ 60 Jahre später schrieb. Schon im September 1947 hatte die US-amerikanische Regierung beschlossen, die Banknoten in den Vereinigten Staaten drucken zu lassen. Der Druck begann einige Wochen später in der American Bank Note Company in New York und im Bureau of Engraving and Printing in Washington.

Am 18. Juni 1948 ordneten die Westmächte für den 20. Juni 1948 eine Währungsreform an, die Einführung der Deutschen Mark (DM) in ihren Besatzungszonen. Beteiligt an der Vorbereitung der Währungsreform waren aber auch deutsche Institutionen, die letzten „Feinheiten“ erarbeiteten (west-)deutsche Spezialisten. In einem Übereinkommen der Militärgouverneure der drei westlichen Besatzungszonen und ihrer Anordnung zur Währungsreform hieß es unter anderem: „Das folgende Gesetz und die beiden vorstehend bezeichneten Gesetze ersetzen die Reichsmarkwährung durch eine neue Währung, ordnen die Ablieferung der außer Kraft gesetzten Zahlungsmittel und die Anmeldung der bei Geldinstituten unterhaltenen Reichsmarkguthaben an und sehen eine Erstausstattung der Bevölkerung, der Wirtschaft und der öffentlichen Hand mit neuem Geld vor.“ Und zur Währungsumstellung hieß es: „Mit Wirkung vom 21. Juni 1948 gilt die Deutsche-Mark-Währung. Ihre Rechnungseinheit bildet die Deutsche Mark, die in hundert Deutsche Pfennige eingeteilt ist.“ Detailliert wurden die „Feinheiten“ ausgeführt. Für die Öffentliche Hand und die Wirtschaft galten Sonderregelungen. In einem „Zweite(n) Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens“ vom 20. Juni 1948 wurde der Bank deutscher Länder das alleinige Recht zur Ausgabe gültiger Münzen und Banknoten sowie zum Aufruf alter Münzen und Banknoten (also Einzug alter und Ausgabe neuer Geldzeichen) zugewiesen. Auch eine Obergrenze von zehn Milliarden D-Mark für die Summe des umlaufenden Geldes wurde vorgegeben

Damit bestand ab 21. Juni 1948 in Deutschland keine einheitliche Währung mehr. Dabei hatte es im Alliierten Kontrollrat bis Anfang 1948 noch gemeinsame intensive Beratungen über eine Währungsreform gegeben, die angesichts des Missverhältnisses zwischen der in den Besatzungszonen großen umlaufenden Geldmenge und dem geringen Warenfonds unumgänglich geworden war. Die Sowjetunion schlug eine Reform vor, die alle Zonen umfassen sollte. Auf diesen Vorschlag gingen die Westalliierten nicht ein. Schließlich hatte man ja nicht nur eigene Pläne, sondern auch „Operation Bird Dog“ war bereits angelaufen.

Das Vorgehen der USA, Großbritanniens und Frankreichs im Zusammenhang mit der Währungsreform in ihren Besatzungszonen dokumentierte anschaulich, dass die Westmächte an einer Viermächtepolitik für Deutschland mit der UdSSR keinerlei Interesse mehr hatten. Es bedeutete zugleich den vollständigen Bruch mit den wirtschaftspolitischen Grundsätzen des Potsdamer Abkommens, in denen es hieß: „Während der Besatzungszeit ist Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten.“

Die Währungsreform von 1948 gehört zu den bedeutendsten wirtschaftspolitischen Maßnahmen bei der Vorbereitung der Gründung des westdeutschen Separatstaates. Sie trieb diesen Prozess weiter voran.

Die Unternehmer profitierten

Vierzig D-Mark konnte jeder Hauthaltsvorstand und konnten alleinstehende Erwachsene bei der Währungsreform in den Westzonen im Verhältnis eins zu eins eintauschen, 40 Reichsmark gegen 40 D-Mark. Später würden dann pro Person noch einmal 20 D-Mark ausgezahlt. Das Geld bekam nur, wer auch seine Lebensmittelkarte vorlegen konnte. Während weitere Guthaben der kleinen Sparer letztlich im Verhältnis 1:10 umgetauscht wurde, konnten Konzerne dagegen ihr Kapital im Verhältnis 1:1 bis 1:3 umwerten. Die privaten Unternehmer wurden damit zu den eigentlichen Nutznießern der Reform. „Während die Werktätigen durch die Währungsreform bis zu 95 Prozent ihres ersparten Geldes einbüßten, erhielten zum Beispiel die Aktionäre der Vereinigten Stahlwerke für 100 RM alte Aktien neue Aktien im Werte von mehr als 300 DM. Das Kapital des Konzerns stieg um das Fünffache. So wurden die finanzpolitischen Voraussetzungen geschaffen, um die Westzonen in den Marshall-Plan einzubeziehen. Nach der Währungsreform begann eine Belebung der Wirtschaft, von der vor allem die Konzerne profitierten.“ (Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 6, Berlin 1966, S. 249) Durch diese Sonderregelungen konnte die Monopolbourgeoisie im Westen Deutschlands ihre Geld- und Vermögenswerte weitgehend stabilisieren. Das hatte tiefgreifende wirtschaftliche und soziale Auswirkungen auf den entstehenden westdeutschen Staat.

Oberdirektor Hermann Pünder, Vorsitzender des Wirtschaftsrates der Bizone und als solcher die führende deutsche Persönlichkeit in der Zonenverwaltung sowie – wie erst später bekannt wurde – zusammen mit Ludwig Erhard, damals Direktor der Verwaltung für Wirtschaft, bei der Vorbereitung und Durchführung der Reform, erklärte noch am 20. Juni 1948, die Währungsreform finde die Zustimmung deutscher Finanzfachleute und stelle „eine geeignete Grundlage für den wirtschaftlichen Aufbau unserer Westzonen“ dar (zitiert nach der „FAZ“ vom 20.6.2008).

Anschlag zur Währungsreform in der sowjetischen  Besatzungszone (Leipzig, 23. Juni 1948)

Anschlag zur Währungsreform in der sowjetischen Besatzungszone (Leipzig, 23. Juni 1948)

( Deutsche Fotothek / Roger Rössing & Renate Rössing / Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE)

Gegenmaßnahmen

Als klar wurde, dass am 20. Juni in den Westzonen eine separate Währungsreform erfolgen sollte, musste auch im Osten gehandelt werden. Um das Hereinfluten nunmehr im Westen wertloser Geldscheine in die sowjetische Besatzungszone und Spekulation zu verhindern, ordnete die Sowjetische Militäradministration (SMAD) am 19. Juni 1948 die Sperrung des gesamten Güter- und Kraftfahrzeugverkehrs aus den Westzonen an. Am 21. Juni 1948 erließ die Deutsche Wirtschaftskommission (DWK) eine Verordnung über die Durchführung einer demokratischen Währungsreform in der sowjetischen Besatzungszone. Sie begann gemäß SMAD-Befehl Nr. 111 am 24. Juni 1948. Um soziale Härten zu vermeiden, wurden Beträge bis zu 70 Mark im Verhältnis 1:1 umgetauscht. Vermögen, die aus Schwarzmarkt- und Spekulationsgeschäften stammten, wurden beschlagnahmt.

Am 25. Juni 1948 erfolgte die Ausgabe der mit einem „B“ abgestempelten Westmark auch in den Berliner Westsektoren. Damit brachen die Westmächte eine der UdSSR gegebene Zusage, die DM nicht in den Westsektoren Berlins einzuführen und verstießen gegen den Vier-Mächte-Status der Stadt – ein weiterer Affront gegen die Sowjetunion. Noch am 18. Juni hatte General Brian Robertson, Militärgouverneur der britischen Zone und Mitglied im Alliierten Kontrollrat für Deutschland, in einem Schreiben an Marschall Wassili Danilowitsch Sokolowski, dem Obersten Chef der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland und Oberkommandierenden der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, eine Übertragung der separaten Währungsreform von Westdeutschland auf den britischen Sektor von Berlin verneint.

Die SMAD protestierte gegen diesen Schritt, der Berlin in zwei Währungsgebiete spaltete. Zusätzliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und der Wirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone wurden nötig. Die Grenzen zu den Westzonen wurden verstärkt kontrolliert und gesichert, die Übergänge zu den Westsektoren Berlins jedoch nicht geschlossen. Der Verkehr zwischen den Westzonen und den Westsektoren Berlins wurde völlig eingestellt. Das, was später „Berlin-Krise“ und „Blockade“ Westberlins genannt wurde, die bis Mai 1949, als die USA und die UdSSR zu einer Übereinkunft kamen, anhielt, begann. Dabei gab es jedoch nie eine vollständige Blockade, denn die UdSSR hatte angeboten, die Versorgung der Westsektoren zu übernehmen. Das lehnten die Westmächte ab. Sie reagierten mit einer wütenden antisowjetischen Kampagne. Eine gefährliche internationale Krise entstand, in deren Verlauf sich der endgültige Bruch zwischen den ehemaligen Verbündeten der Antihitlerkoalitlon vollzog.

Vor diesem Hintergrund vollzog sich 1948/1949 die Gründung der NATO und der BRD. Die Berliner Krise diente dazu, breite Kreise der westdeutschen Bevölkerung für die Spaltungspläne und für Antikommunismus empfänglich zu machen. Bereits im Sommer 1948 trugen die Ereignisse in und um Berlin zudem nicht unwesentlich dazu bei, die bei manchem westdeutschen Politiker noch vorhandenen Skrupel hinsichtlich der offenkundigen Konsequenzen der Staatsgründung im Westen zu zerstreuen (Vgl. Siegfried Thomas: Konrad Adenauer und die Entstehung der BRD, Berlin 1989, S. 151).

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"Ein weiterer Bruch des Potsdamer Abkommens", UZ vom 15. Juni 2018



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