Bundeswehr im Innern, „Antiterrorkampf“ als Vorwand

Ein Weißbuch gegen Frieden und Demokratie

Von Ulrich Sander

Die Bundeswehr soll noch mehr „Verantwortung“ übernehmen, im Innern wie im Äußeren. So steht es im neuen „Weißbuch zur Sicherheitspolitik“. (siehe UZ vom 3.6. und vom 22.7.)

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat schon lange entgegen der Verfassung festgestellt: „Die Trennung von innerer und äußerer Sicherheit ist nicht mehr gegeben“.

Hauptsächliche Begründung für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist der „Antiterrorkampf“, der Krieg gegen den Terror, der von außen in unser Land getragen werde. Der soll gemeinsam mit der Polizei eingeübt und auch geführt werden. Und er wurde bereits eingeübt, und zwar in Großmanövern von Polizei und Bundeswehr, genannt „Frankenwarte“ und „LüKEx“.

Schon jetzt wird der Bundeswehreinsatz zudem bei Streiks im öffentlichen Dienst vorbereitet, wie eine Antwort der Regierung an Ulla Jelp­ke, MdB der Partei „Die Linke“, ergab, und wir erinnern uns noch gut an den Einsatz der Bundeswehr gegen die Proteste aus Anlass des G 8-Gipfels in Heiligendamm im Jahr 2007. Laut „Information für die Truppe“ heißt der Kampfauftrag: Gegen „Chaosgruppen wie z. B. die Gruppe der Globalisierungsgegner“. Ein Foto in der „Europäischen Sicherheit“ zeigte „Soldaten des JgBtl 292 bei der Ausbildung gegen Demonstranten“; die „Demons­tranten“ hatten Arbeitskleidung an.

Instrumente und Strukturen

Das Konzept der flächendeckenden Zivilmilitärischen Zusammenarbeit (ZMZ) Inneres und ein neues Reservistenkonzept der Bundeswehr sichern die Option auf den Bundeswehreinsatz im Innern ab.

Die ZMZ-Koordinierung erfolgt auf mittlerer und unterer Ebene. Behörden der Bundesländer dürfen eigenständig Militär anfordern, und zwar per Amtshilfe nach Artikel 35 des Grundgesetzes. Dies geschah in Heiligendamm mittels „juristisch korrekter Amtshilfe“ (Bundeswehrminister Franz Josef Jung). Sogar zwei Tornados durften die Landesbehörden von Mecklenburg-Vorpommern zur „Einschüchterung der Protestler durch Tiefflüge“ (so Sprecher der SPD) anfordern, ohne dass die Bundesregierung zustimmen musste.

In der Antwort der Bundesregierung aus dem Jahr 2009 an den Bundestag schließt das Bundesverteidigungsministerium nicht aus, dass die ZMZ-Kommandos bei Demonstrationen zum Einsatz kommen. Dies obliege allein den Landesbehörden. Zum Militäreinsatz und Streikbruch anlässlich von Streiks im Transport-, Energie- oder Gesundheitswesen sowie bei der Müllabfuhr wird ausgesagt: Eine Entscheidung darüber sei „dem jeweiligen Einzelfall vorbehalten“. (BT-Drucksache 16/13847 vom 26. August 2009).

Kommandostäbe

Es existieren seit 2006 militärgeführte Kommandostäbe – Kreis- und Landeskommandos –, die von allen Kommunen und Landkreisen klaglos hingenommen wurden. Dafür wurden Räume in den Rathäusern und Landratsämtern geschaffen. Ein Oberstleutnant führt das Kommando über die Verwaltung, die Feuerwehr, den Technischen Hilfsdienst, die Polizei, ferner über das Amt für Bevölkerungsschutz und das Amt für Migration und Flüchtlinge sowie das Rote Kreuz und weitere Hilfsorganisationen.

Insgesamt sind es 441 Kommandos – bestehend aus jeweils zwölf ständig einsetzbaren Reservisten –, die in sämtlichen kreisfreien Städten, Landkreisen und Regierungsbezirken eingerichtet worden sind. Sie stehen unter dem Kommando der Bundeswehrführung und haben kurzfristig Zugriff auf weitere rund 80 000 bis 100 000 speziell ausgebildete Reservisten. Eingebunden in die zivilen Katas­trophenschutzstäbe, erhalten sie Einsicht in die Bereitschaftsstände von zivilen Behörden, Polizei, technischem Hilfswerk und Feuerwehr. Sie sollen vor allem den Katastrophenschutz verbessern.

Diese Reservistenarmee bildet den „Heimatschutz“, der kurzfristig bereit steht. Die Wehrpflicht wurde bekanntlich abgeschafft, aber die Wehrpflicht der Reservisten wurde beibehalten, ja sogar bis zum Lebensalter von 60 Jahren erweitert. Diese Leute stehen z. B. beim Streikbruch durch Einsatz von Soldaten im öffentlichen Dienst bereit. Und sie üben schon mal die Bekämpfung von Demonstranten. Bewaffneter Kampf gegen Demonstranten wird in großem Umfang in letzter Zeit durch die Polizei eingeübt und praktiziert, wenn es gilt die Aufmärsche der Nazis zu schützen.

Zum geplanten Einsatz der Bundeswehr im Innern kommt hinzu, dass sich die Cyber-Krieger der Bundeswehr auch an der großflächigen Überwachung der Bevölkerung mit modernsten elektronischen Mitteln beteiligen. Hinzu kommt die militaristische Beeinflussung der Bevölkerung, vor allem der Jugend. In Schulen und Hochschulen, sowie bei Jobmessen, in Arbeitsämtern und Jobcentern wird dafür geworben, junge Arbeitslose zu Soldaten zu machen. Sie geraten in eine Bundeswehr, die auch sehr rechte Kräfte, Nazis, in ihren Reihen hat.

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"Ein Weißbuch gegen Frieden und Demokratie", UZ vom 29. Juli 2016



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