Zum zweiten Buch „Ich schreibe“ des Verlegers Heinz Freiberg

Ein Verleger und seine Autoren

Von Rüdiger Bernhardt

Heinz Freiberg

Ich schreibe … Zweites Buch

Edition Freiberg, 174 S., 8,50 Euro

Das Buch ist, wie schon sein Vorläufer (siehe Besprechung in der UZ vom 10.8.2018), unauffällig und steht doch für eine Literatur, die nicht in den Blick der Starkritiker der bürgerlichen Presse gerät, die teils von ihnen bewusst verdrängt wird, weil sie linke Interessen vertritt und weil sie nicht verdrängt, was andere verleugnen. Es ist die linke Literatur, die sich sozial engagiert und der die öffentliche Wirksamkeit durch Verschweigen weitgehend erschwert und verwehrt wird. Zensur? 1989 war für diese Literatur, die als eine Orientierung den Bitterfelder Weg hat, kein Ende, sondern ein „Luftholen“, „Besinnung und Neuorientierung“ mit dem Vorsatz: „Wir machen weiter! Jetzt erst recht!“ Heinz Freiberg ist Verleger (Edition Freiberg), Schriftsteller und zahlreichen Autoren ein Förderer. Er sorgt sich um sie als Verleger – 200 Bücher sind in den zurückliegenden 23 Jahren erschienen –, als „Schreibender“ – der seine Herkunft aus der Bewegung schreibender Arbeiter der DDR nicht verleugnet, auch nicht verleugnen will, vielmehr stolz darauf ist und immer wieder auf sie verweist oder Dokumente von einst vorstellt – und als Freund der Literatur. Es ist das „Zweite Buch“, das den Titel der traditionsreichen Zeitschrift der schreibenden Arbeiter „Ich schreibe“ trägt. Der Titel ist programmatisch: Diesmal wird das Titelblatt des Heftes 3 aus dem Jahre 1979 verwendet. Die Wahl ist kein Zufall: In dem Heft ging es um die Tradition des künstlerischen Volksschaffens in der DDR im Allgemeinen und um die der Schreibenden im Besonderen. Ging es einmal um den Beginn des Laienspiels nach 1945, so im anderen um die verstärkte Aufmerksamkeit für das Individuum in der materiellen Produktion. Unter den Schreibenden, die in diesem Heft zu finden sind, ist auch Lutz Ra­thenow (mit den schönen Gedichten „Einladung, Hoffnung“), der später und heute in einem völlig anderen Umfeld zu finden ist, keine so schönen Gedichte mehr schreibt und nichts mehr von dieser Vergangenheit wissen will. Umso dringlicher ist es, sie zu erinnern.

Was bringt der zweite Band? Es ist ein Arbeitsbuch und ein Lesebuch, eine Anleitung zum Schreiben und ein Dokument der Tradition. Es sind Texte Heinz Freibergs und Texte seiner Begleiter: Lieder stehen neben einer erinnerungsträchtigen Prosa und Zeitungsartikeln; sie stehen in der Tradition von Bitterfeld. Der Band nennt damals erfolgreiche Programme „Programme aus fernen Tagen“. Der Bitterfelder Weg wurde „einst kraftvoll und voller Hoffnung beschritten“ und stellt „zweifelsohne ein besonderes Kapitel der DDR-Literaturgeschichte dar“. Heute verweist Freiberg auf Veranstaltungsreihen, die sich von damals „unbeschadet und glücklich in die Neuzeit hinübergerettet“ haben.

Lieder sind ein Schwerpunkt des Bandes. Eine der von Freiberg herausgegebenen Lied-Anthologien, die er vorstellt, trägt den von Hoffmann von Fallersleben bezogenen Titel „Die Gedanken sind frei“. Liedtexte wurden gewählt, die politisch sind und sich nach bekannten Melodien singen lassen. Darunter ist auch ein Lied Freibergs auf den 40. Jahrestag der Gründung der FDJ (Freie Deutsche Jugend); er bekennt sich nachdrücklich zu diesem Lied, solche Texte machen den Charme der Erinnerungen aus. In der Prosa spielt die Studienzeit am „Literaturinstitut Johannes R. Becher“ eine Rolle. Wissenschaftliche Dokumentationen können nicht aufwiegen, was hier geboten wird: Wie einer in der DDR zum Schreiben kam, wie er das Schreiben lernte und wie er seinen Weg suchte, der nicht geradlinig war, aber zielstrebig. Als er „nicht mehr schreiben wollte, was (er) schreiben sollte“, verließ er die Redaktionsstube und kehrte dorthin zurück, woher er gekommen war. Er „stand wieder am Setzkasten in einer Wittenberger Druckerei, mitten in der Produktion“. Es sind diese schlichten Wahrheiten, die das Buch eindringlich machen. Heinz Freiberg hatte Karl Marx begriffen, fragte, ob er denn den dort gestellten Ansprüchen gerecht zu werden vermochte, zweifelte und gab auch Erreichtes auf, verlor aber nie seinen Anspruch aus dem Blick und stilisierte sich gleich gar nicht zum „Opfer“, wie es nach 1989 immer neue Gruppen taten, nichts anderes als finanzielle Entschädigungen im Blick. Freiberg rückt manches gerade, korrigiert heute behauptete „Wahrheiten“: Schwerter zu Pflugscharen, in der DDR umstritten, war die monumentale Plastik eines sowjetischen Bildhauers, die die Sowjetunion 1959 der UNO schenkte, das waren auch „bei DDR-Jugendlichen sehr beliebte und symbolträchtige Aufnäher“, und das war ein Foto im Jugendweihebuch der DDR „Der Sozialismus – Deine Welt“. Der Band weist Heinz Freiberg auch als Briefeschreiber aus, der keine Scheu hat, sich an namhafte Politiker zu wenden, Literarisches vermittelnd: Den Aufruf eines Ministers nennt er „tiefernst und lächerlich zugleich“. Die Literatur wird zum Politikum, Freiberg will sie demokratisch nutzen.

Zu Buch und Verlag gehört eine vielfältige Öffentlichkeitsarbeit: Erst vor kurzem fand in Dresden das 13. „Autoren-Verleger-Treffen“ von Heinz Freibergs Verlag statt, bei dem Schreibwerkstätten aus dem Dresdner Raum vorgestellt werden, neue Texte ihr Publikum fanden, Theodor Fontane geehrt wurde und der Verlag sein Programm vorstellte. Dass auch des 30. Jahrestages des Zusammenbruchs der DDR gedacht wurde, war verständlich. Der Tenor dieser Veranstaltung war bereits in der orientierenden Frage im Programm zu entnehmen: „Ist wirklich schon alles zusammengewachsen, was zusammengehört?“

Im Sommer des Jahres 2019 führten Verleger und Verlag die 3. „Dresdner Literatour“ durch, sie stand im Zeichen des dänischen proletarischen Schriftstellers Martin Andersen-Nexö (1869–1954), der in Dresden seine letzten Lebensjahre verbracht hatte, hochgeehrt und ausgezeichnet. Dresden vergab von 1959 bis 1990 den „Martin-Andersen-Nexö-Kunstpreis“. Dann war Schluss damit und Heinz Freiberg fragt in einem Faltblatt zur Literatour: „Passte der ‚rote Däne‘ nun nicht mehr zu den Dresdner Stadtfarben Schwarz-Gold?“ Der Kommunist Andersen-Nexö mit seinem literarischen Werk passte zu vielem nicht mehr, was nach 1989 geschah, auch nicht zu dem, was sich unter den Fahnen von Pegida und AfD sammelte und nationalistische Sprüche klopfte. Da hätte wohl auch der Däne Andersen-Nexö keine Chance mehr zu bleiben, und wenn schon als Däne, dann bestimmt nicht als Kommunist. Außerdem finden sich praktische Hinweise: Literarische Anwendungen des Alphabets, Gestaltung von Spruchweisheiten und vieles mehr. Es ist das, was man ein literarisches Handbuch für den interessierten Leser nennen könnte.

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"Ein Verleger und seine Autoren", UZ vom 29. November 2019



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