DKP-Beratung
zur Altenpflege in NRW
Sonntag, 24. Juni, 15.00 Uhr
Karl-Liebknecht-Schule
Am Stadtpark 68
51373 Leverkusen
Um eine Anmeldung wird gebeten:
bgj@dkp-owl.de
Gespräch mit der Gesundheits-und Krankenpflegerin Betty vom Städtischen Klinikum in München zur Situation in den Krankenhäusern und Altenheimen
Frage: In den letzten Jahren konzentrierten sich die Arbeitskämpfe im Gesundheitssystem, anders als in anderen Branchen nicht einzig auf mehr Lohn und kürzere Arbeitszeiten, sondern vermehrt auf das Thema Personalbemessung bzw. Personaluntergrenzen. Woran liegt das aus deiner Sicht?
Betty: Ich glaube, das liegt daran, dass die Arbeitsbedingungen im Gesundheitssystem mittlerweile an vielen Stellen so schlecht sind, dass dies allein mit Geld nicht mehr auszugleichen ist.
Gerade Pflegekräfte sind an vielen Stellen solchen enormen Gesundheitsbelastungen ausgesetzt, dass weniger Arbeitsbelastung, Reduzierung von Stress und gesicherte Erholungszeiten einen höheren Stellenwert als finanzielle Aspekte einnehmen.
Der Kampf um eine gerechte Entlohnung, für die enorme Verantwortung, die wir in unseren Berufen tragen, bleibt dennoch aktuell. Aber zuerst muss dafür gesorgt werden, dass unsere Arbeit kein Risiko für die eigene Gesundheit mehr darstellt.
Frage: Wie ist die Personalsituation im städtischen Münchner Klinikum?
Betty: In München sieht es wie überall aus. An allen Ecken und Enden fehlt das Personal und vor allem Fachkräfte. Auf den meisten Stationen kann der Betrieb gerade so aufrecht erhalten werden.
Aber wie labil dieses System ist, zeigt beispielsweise die Grippewelle zu Beginn des Jahres. An einigen Kliniken mussten ganze Stationen geschlossen werden, da durch Erkrankungen des Pflegepersonals oder der Ärztinnen bzw. Ärzte schlichtweg niemand mehr da war, um die Patientinnen und Patienten zu versorgen. Auf Dauer ist das ein Teufelskreislauf.
Es ist nicht genug Personal da, um Erkrankungen oder anderweitige Ausfälle Einzelner zu kompensieren. Dies muss durch Überstunden von anderen Kolleginnen und Kollegen abgedeckt werden, was für diese zu einer größeren gesundheitlichen Belastung und damit zu noch mehr Ausfällen führt. Auf vielen Stationen sorgt es bereits für erhebliche Probleme, sobald auch nur ein oder zwei Kolleginnen oder Kollegen für einige Tage ausfallen.
Frage: Um der Unterbesetzung entgegenzuwirken, hat die GroKo 9 000 Stellen in Aussicht gestellt. Was hältst du von diesem Angebot?
Betty: Dieses Angebot ist blanker Hohn. Allein im Bereich der Krankenhäuser fehlen in Deutschland etwa 162 000 Stellen, da sind die Altenpflege und stationäre Versorgung von Menschen mit Behinderungen noch nicht mal eingerechnet. Es gibt eine nette Beispielrechnung anhand der Altenheime.
Wenn allein in diesem Bereich 8 000 neue Stellen geschaffen werden, wären das pro Altenpflegeeinrichtung in Deutschland 0,6 neue Stellen. Es braucht keine großartigen Fachkenntnisse, um zu erkennen, dass damit der Pflegemangel nicht behoben werden kann.
Auch die immer wieder angekündigten „Ausbildungsoffensiven“ sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Die meisten Pflegekräfte bewältigen ihre tägliche Arbeit gerade so. Für die Anleitung von Auszubildenden bleibt da oft keine Zeit, und die Azubis werden als billige Aushilfskräfte verheizt.
So ist zwar temporär eine zusätzliche Kraft vorhanden, aber mit einer guten und fundierten Ausbildung, die Spaß macht, hat das nichts zu tun und sorgt für enormen Frust. Laut des DGB-Ausbildungsreports brechen 25 Prozent der Auszubildenden in der Pflege ihre Ausbildung aus solchen Gründen ab und suchen sich lieber einen anderen Beruf.
Frage: In einem Vortrag sprachst du davon, dass bereits heute Teilbereiche des Münchner Klinikums fremd vergeben werden. Welche sind das und welche Auswirkungen hat dies?
Betty: In den letzten Jahren wurden sowohl die Reinigung als auch die Wäscheversorgung an externe Firmen vergeben, weitere Ausgliederungen sind in Planung.
Zum einen ist dies für die in diesen Bereichen beschäftigten Menschen fatal. Als Angestellte des Städtischen Klinikums wurden diese nach dem TVöD bezahlt, was nach der Ausgliederung wegfiel. Auch wurden bei der Übernahme Stellen gestrichen und den Beschäftigten anderweitige Maßnahmen zu schlechteren Konditionen angeboten. Gerade hier in München kommt es in den meist sowieso schon gering bezahlten Branchen auf jeden Cent an, um überleben zu können.
Zum anderen bedeutet dies auch Nachteile für die Stationen. Die Wäscheversorgung ist eine Katastrophe, oft ist keine frische Dienstkleidung verfügbar oder es fehlt an Bettlaken, Waschlappen und Handtüchern für die Patientinnen und Patienten, da zu wenig Wäsche oder das Falsche geliefert wurde. Da sich die Wäscherei nicht in der Nähe befindet, kann auch nicht mal schnell etwas Neues nachgeliefert werden.
Frage: Welche Auswirkungen hat das System der Fallpauschalen auf die tägliche Arbeit?
Betty: Durch die Fallpauschalen werden Menschen auf eine Diagnose reduziert. Eine individuelle Pflege wird auf diese Weise massiv eingeschränkt. Die kranken Menschen werden anhand ökonomischer Faktoren bewertet. Wer zu lange braucht, um sich beispielsweise von einer Operation zu erholen, gilt als Minusgeschäft.
Es wird keine Rücksicht mehr auf individuelle Bedürfnisse genommen, wie etwa die Versorgung von Menschen mit Demenz, die oft eine intensivere Begleitung brauchen, um einen Krankenhausaufenthalt bewältigen zu können.
Auch zusätzliche Maßnahmen, die in der jeweiligen Fallpauschale nicht vorgeschrieben sind, können meist kaum durchgeführt werden, auch wenn sie den Patientinnen und Patienten gut tun würden.
Leiste ich an einer Person eine zusätzliche Maßnahme, muss ich bei der hohen Arbeitsbelastung schauen, dass ich die Zeit und den Aufwand woanders wieder einspare. Dieses System zwingt Pflegende, bei pflegebedürftigen Menschen eine Kosten-Nutzen-Rechnung zu machen. Das hat mit bedürfnisorientierter Pflege nicht mehr viel zu tun und sorgt bei vielen Pflegenden für psychischen Druck und Frustration.
Sowohl Pflegende als auch Ärztinnen und Ärzte versuchen so gut wie möglich nach den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten zu handeln und sich eben nicht dem ökonomischen Zwang zu beugen, indem beispielsweise langsam genesende Patienten nicht nach Vorschrift der Fallpauschale „rausgeworfen“ werden.
Dafür gibt es aber natürlich von den Leitungen der Gesundheitseinrichtungen massiven Druck. Somit befinden wir uns ständig in einem krank machenden Spannungsfeld zwischen Fürsorge und Profit.
Frage: Wie geht es bei euch und in der Pflege allgemein weiter? Sind weitere Aktionen geplant?
Betty: Natürlich geht es weiter. Von ver.di gibt es momentan verschiedene Projekte, um den Druck auf die Politik zu erhöhen und die Auswirkungen des Pflegemangels sichtbar zu machen.
Aber auch viele Beschäftigte wollen sich diese Zustände nicht länger bieten lassen. Es muss so lange weitergehen,
bis endlich ein Zustand erreicht wird, der sowohl den Pflegebedürftigen als auch den Beschäftigten gut tut.
Das Gespräch ist leicht gekürzt übernommen worden
aus der Kleinzeitung „Auf Draht“ vom 5. Juni,
die von der DKP München und der Gruppe KAZ herausgegeben wird.