Faschismus ist keine Gesetzmäßigkeit des Imperialismus

Ein Schritt vorwärts, zwei zurück

Rainer Dörrenbecher, Neunkirchen

Die Bildungszeitung (BiZ) liest sich gut, vermittelt viel Wissen zum Klassencharakter der bürgerlichen Demokratie, seiner Geschichte und Formen bürgerlicher Herrschaft. Das ist sicher für viele sehr interessant. Das Einbeziehen von Erkenntnissen von Reinhard Opitz und anderen trägt dazu bei. Aus meiner Sicht gibt es fragwürdige Thesen und Lücken. Unser Verhältnis zum Grundgesetz wird ausgeklammert. Die Zeitung beginnt mit dem Deckblatt, Aufmachung und Texte sind keine Verlagswerbung, sie sind Bestandteile des Inhalts. Dominierend das Guernica-Bild von Picasso, das die Schrecken und Barbarei des deutschen Faschismus ausdrückt. Welche Assoziation wird damit unter dem Titel „Reaktionärer Staatsumbau“ hervorgerufen? Richtiger ist wohl, was soll damit hervorgerufen werden? Die Verantwortlichen der Bildungszeitung haben sich etwas dabei gedacht.

Es folgen Aufgabenstellungen des Heftes: „Die Bildungszeitung hat den Auftrag, aktuelle Tendenzen der Rechtsentwicklung in die Klassenkämpfe unserer Zeit einzuordnen.“ Es ist genau dieser Auftrag, den die Bildungszeitung nicht erfüllt. Aktuelle Tendenzen der Rechtsentwicklung werden gerade mal am Rande erwähnt; in diesem Sinn ist das Heft erschreckend unpolitisch. Richard Höhmann geht in seinem Referat auf der PV-Tagung auf derartige Kritik ein mit dem Hinweis auf ein Referat von Hans-Peter Brenner von 2015.

Weiter heißt es: „Abschließend werden wir thematisieren, welche Schlussfolgerungen für die notwendige antifaschistische Orientierung der DKP aus diesen Erkenntnissen zu ziehen sind.“ Dieser Schlussteil mit der „notwendigen antifaschistischen Orientierung“ widerspricht dem bisherigen Verständnis der DKP im Kampf um demokratische Rechte.

In der „Zusammenfassung“ wird eine sehr fragwürdige Vereinfachung gesellschaftspolitischer Verhältnisse und Kräfteverhältnisse dargestellt. Letztendlich führe Rechtsentwicklung gesetzmäßig zum Faschismus, wenn dies durch „die antifaschistischen Kräfte“ nicht verhindert werde. Und „dazu müssen sie (die antifaschistischen Kräfte) die Macht erlangen“. So gesehen ist der Kampf für demokratische Rechte nur ein Vehikel und ist für bürgerliche Demokraten kein Platz mehr.

Historisch hat das Monopolkapital bisher unter konkreten nationalen und internationalen Bedingungen zur Herrschaftsform des Faschismus gegriffen, gewissermaßen in Ausnahmesituationen. Und in keinem dieser Länder konnte dies durch antifaschistische und demokratische Kräfte verhindert werden. In all den anderen imperialistischen Ländern gab es faschistische Bewegungen, aber keine offene faschistische Diktatur. Wurde dies durch starke antifaschistische Kräfte verhindert oder sah das Monopolkapital vielmehr keine Notwendigkeit, zu dieser Herrschaftsform überzugehen?

Auf Seite 5 der BiZ wird Lenin zitiert. „Der politische Überbau über der neuen Ökonomik, über dem monopolistischen Kapitalismus (Imperialismus ist monopolistischer Kapitalismus) ist die Wendung von der Demokratie zur politischen Reaktion. …“ Um daraus eine Art Gesetzmäßigkeit des Faschismus abzuleiten, muss mensch die marxistische Dialektik negieren und konsequent (s)einem mechanistischen Determinismus folgen. Entsprechend wird auch die Definition des VII. WK der KI interpretiert. (BiZ S.14) Nach deren sinngemäßer Wiedergabe wird Dimitroff wörtlich zitiert: „Der Faschismus ist die Macht des Finanzkapitals selbst.“ Diese Aussage ist eine Zusammenfassung Dimitroffs in der Auseinandersetzung mit der kleinbürgerlichen Faschismusdefinition von Otto Bauer und anderen. Hier wird das Zitat missbräuchlich in einen falschen, die These der BiZ stützenden Zusammenhang gesetzt.

Faschismus ist nicht eine beliebige Methode bürgerlicher Herrschaft; er ist eine Ausnahmemethode, eine Herrschaftsvariante unter bestimmten Bedingungen. In diesem Sinn ist er keine Gesetzmäßigkeit des Imperialismus.

Abschließend wird die Frage aufgeworfen: „Ist es unsere Aufgabe, die bürgerliche Demokratie zu verteidigen?“ Sie wird beantwortet mit: „Dass die Parteien der ‚bürgerlich-demokratischen Mitte‘ und die Faschisten letztlich die gleichen Ziele verfolgen und auch gar nicht anders können, da sie nun mal alle Akteure der monopolkapitalistischen Klassenherrschaft und dessen Staates sind, ist hier richtig beobachtet.“

Damit wird noch einmal festgehalten: Zwischentöne sind bloß Krampf im Klassenkampf (Franz Josef Degenhardt in seiner linksradikalen Phase). Und ich frage mich: Wie soll das gehen mit dem Kampf um eine Wende zu Frieden und Abrüstung, zu demokratischem, sozialem und ökologischem Fortschritt?

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"Ein Schritt vorwärts, zwei zurück", UZ vom 30. Oktober 2020



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