Am Sonntag trat das Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei in Kraft

Ein schändlicher Pakt

Von nh

Die EU hat einen „schändlichen Pakt“ mit dem Despoten Erdogan geschlossen, so Sevim Dagdelen (MdB, „Die Linke“) am 19. März.

EU und Türkei einigten sich bekanntlich auf dem Gipfel in der vergangenen Woche darauf, dass alle Flüchtlinge, die ab dem 20. März „irregulär“ nach Griechenland kommen, nach Einzelfallprüfung und Eilverfahren in Griechenland  zurück in die Türkei geschickt werden sollen. Nur Menschen, die nachweisen könnten, dass sie in der Türkei nicht sicher sind, sollen bleiben dürfen. Was „nicht sicher“ bedeutet, ist unklar. Die EU will Griechenland in dieser Zeit mit Geld und Personal – Richtern, Sachbearbeitern und Dolmetschern – „helfen“.

Voraussetzung für die Rückführung in die Türkei sei, dass die Türkei alle Flüchtlinge entsprechend der Genfer Konvention behandelt. Das habe die Türkei beim Gipfel zugesagt, so Bundeskanzlerin Merkel. Nur: Die Genfer Flüchtlingskonvention hat in der Türkei nur eingeschränkte Gültigkeit. Warum sollte sich das jetzt ändern?

Jan Korte, stellvertrender Vorsitzender der Bundestagfraktion der Partei „Die Linke“, dazu am Montag: „Die Türkei hat weder die Genfer Flüchtlingskonvention vollständig akzeptiert, noch ist das Land sicher. Im Gegenteil: Erdogan ist dabei, den Bürgerkrieg mit den Kurden im eigenen Land eskalieren zu lassen. Flüchtlinge sind bei Erdogan nicht einmal vor Abschiebung nach Syrien sicher.“

Die Türkei erhält für syrische Flüchtlinge zunächst die bereits zuvor zugesagten drei Milliarden Euro, bis 2018 weitere drei Milliarden. In einem Beitrag auf kontext.tv (21.3.) heißt es dazu: „Drei bzw. sechs Milliarden Euro für fast drei Millionen Geflüchtete sind vollkommen unzureichend. Allein 400 000 syrische Kinder leben schon jetzt ohne Schulerziehung in der Türkei. Viele von ihnen müssen täglich arbeiten, um Geld zum Überleben zu verdienen, z. B. in Fabriken von H&M oder Next. Zehntausende von Geflüchteten brauchen dringend medizinische Hilfe. Türkische Hilfsorganisationen befürchten, dass die Türkei zu einem ‚Freiluftgefängnis für verzweifelte Flüchtlinge‘ wird.“

Anstelle der Zurückgeführten dürfen dann insgesamt 72 000 syrische Flüchtlinge aus der Türkei in die EU einreisen. Also keine Flüchtlinge aus anderen Kriegsgebieten wie beispielsweise Afghanistan, Irak.

Die Rückführungen beginnen am 4. April. Es geht um eine zeitlich begrenzte Aktion. Das alles soll „das Geschäftsmodell der Schmuggler brechen“, heißt es in einer Erklärung, die nach dem Gipfel veröffentlicht wurde.

Doch es geht nicht um die Schmuggler. Die EU schottet sich weiter ab, statt legale Einreisemöglichkeiten für die Flüchtlinge zu schaffen. Dem dient – neben dem Ausbau von Frontex zu einer Küsten- und Grenzschutzagentur und einer verstärkten Präsenz von NATO-Schiffen in der Ägäis – auch das aktuelle Abkommen mit der Türkei.

Jan Korte: „Der EU-Türkei-Deal wird nichts daran ändern, dass Menschen die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer wagen, er ändert nichts am hunderttausendfachen individuellen Leid von Kindern, Frauen und Männern, die vor Krieg und Gewalt flüchten.“

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"Ein schändlicher Pakt", UZ vom 25. März 2016



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