Abgeordnete der DKP/LL informierten sich in einer Flüchtlingsunterkunft

Ein Provisorium, das beendet werden muss

Von T. Beyermann Aus „blickpunkt“, Zeitung der DKP für Mörfelden-Walldor, 9/2016

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blickpunkt

Zeitung der DKP für Mörfelden-Walldor, 9/2016

Die Stadtverordneten Gelincik Tuzcu und Tim Beyermann der DKP/Linken Liste in Mörfelden-Walldorf besuchten die Flüchtlingsunterkunft in der Stadthalle in Walldorf, um sich dort ein Bild von den Verhältnissen zu machen und mit den Geflüchteten ins Gespräch zu kommen.

Sie sprachen mit zwei Schutzsuchenden aus Afghanistan, die beide seit sieben Monaten in Deutschland wohnen. Seit drei Monaten sind sie nun in der Unterkunft in Walldorf untergebracht. In Afghanistan hatte einer von ihnen eine technische Ausbildung in der Pharmabranche absolviert und war in seinem Berufsfeld tätig. Außerdem arbeitete er als Dolmetscher für die ISAF, weshalb sein Leben jetzt, da die Taliban in Afghanistan wieder erstarkt sind, in höchster Gefahr ist. Man sah und hörte ihm während des gesamten Gesprächs an, dass er sich nicht über Deutschland oder die Zustände seiner Unterbringung beschweren wollte.

Sorgen und Wünsche

Auf Nachfrage sagte er, dass es ihm hier im Allgemeinen gut geht, er um nichts fürchten muss und auch sonst beinahe ausschließlich gute Erfahrungen in Deutschland gemacht hat.

Seine Sorgen und Wünsche drehen sich um eine schnelle Integration und das Finden eines eigenen Zimmers, in dem er wohnen kann. Er arbeitet momentan für einen Solarzelleninstallateur in Frankfurt und hat deswegen keine Zeit an Sprachkursen teilzunehmen. Gesetzlich ist er gezwungen, jeden Job anzunehmen, den er kriegen kann. Am liebsten wäre ihm beides, sagt er selbst. Tagsüber arbeiten und abends Deutsch lernen.

Er würde die langen Tage gerne in Kauf nehmen, es sei ihm aber schlichtweg nicht gestattet, die Integrationskurse dem Job überzuordnen. Ein paar Freunde, die er in Mörfelden-Walldorf gefunden hat, helfen ihm Deutsch zu lernen, aber das geht entsprechend schleppend voran. Ein Angebot ähnlich einer Abendschule gäbe es für ihn nicht, weshalb diese Freunde in unserer Stadt momentan seine einzige Form von Integration sind, die ihm nennenswert hilft. Sein Mitbewohner, mit dem sich Gelincik Tuzcu auf Türkisch unterhielt, schilderte exakt das gleiche Bild über die Unterkunft in der Stadthalle in Walldorf, wie sein Leidensgenosse, obwohl die beiden sich nicht einmal untereinander verständigen konnten.

Keine Privatsphäre

Am meisten zu schaffen machen den beiden, wie auch den zustimmend nickenden anderen Asylbewerbern, die dem Gespräch beiwohnten, die Umstände ihrer Unterbringung. Sie wohnen jeweils mit drei anderen Asylsuchenden in einem ca. acht qm großen Zimmer und haben so gut wie keine Privatsphäre. Die Dusche für die Unterkunft befindet sich in einem anderem Teil des Gebäudes, weshalb man in regelmäßigen Abständen beobachten kann, wie junge Männer mit Handtüchern um die Lenden gebunden über die Wege vor der Stadthalle laufen. Auch die Kochgelegenheit, welche sich direkt neben den Schlafplätzen im selben Raum der Stadthalle befindet, erschwert einen geregelten Tagesablauf. „Irgendjemand kommt oder geht immer gerade, irgend jemand hat immer gerade Hunger und macht sich etwas zu essen“, hieß es hier. Dass sich „Essen gemacht“ wird oder zu verschiedenen Zeiten aufgestanden wird, kann man keinem verübeln, trotzdem sei dieser Zustand auf Dauer zermürbend.

Dieses Bild gewannen Gelincik Tuzcu und ich bei unserem Besuch auch. Nur ein Provisorium. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Stadt diese Räumlichkeiten eingerichtet hat, um die Kontingente an Flüchtlingen, die unsere Stadt zugewiesen bekommen hat, stemmen zu können. Eine dauerhafte Unterbringung in den beschriebenen Zuständen mag keine Gefahr für Leib und Leben sein, zur Integration oder einer Aufarbeitung des Erlebten trägt sie aber auch nicht bei. Sie ist ein Provisorium und muss ein solches bleiben und schnellst möglich durch adäquate Unterbringungen ersetzt werden.

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"Ein Provisorium, das beendet werden muss", UZ vom 30. September 2016



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