Rund 500 Menschen nahmen am 7. Oktober an der Veranstaltung des Ostdeutschen Kuratoriums von Verbänden (OKV) in Berlin teil, darunter auch ein Fernsehteam von „Report München“.
Hans Modrow, letzter Vorsitzender des Ministerrates der DDR und heute Vorsitzender des Ältestenrates der Partei „Die Linke“, sprach über die Anfänge der DDR, Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, über die friedenssichernde Funktion der DDR (siehe Kasten). Konsequent geführter Friedenskampf erfordere, dass man „Stellung im Klassenkampf“ beziehen müsse, so Köbele. Dazu gehöre für einen Kommunisten im Westen die Verteidigung der DDR, auch gegen solche, die sich zwar als „links“ bezeichneten, aber keinen realen Sozialismus wollten. Köbeles Aussage, die DDR sei mehr als ein Stachel im Fleisch der herrschenden Klasse, „sie lebt“, wurde im Bericht über die Veranstaltung des OKV von „Report München“ (ausgestrahlt am 8. Oktober in der ARD), mit den Worten kommentiert: „Zumindest für diese beiden Stunden.“
Am Ende der Veranstaltung wurde eine Erklärung verabschiedet, in der festgestellt wird, dass die größte Gefahr für den Frieden in Europa vor 30 Jahren durch die „Zerschlagung dieses ersten deutschen Friedensstaates“ entstanden sei. Die Maxime der DDR, dass von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgehen dürfe, müsse zur Maxime für ganz Deutschland werden. Alle Kriegseinsätze der Bundeswehr seien zu beenden und alle Waffenexporte zu stoppen.
Zur Festveranstaltung „Sagen wird man über uns’re Tage“ hatten die Tageszeitung „junge Welt“ und die „Magazin für Gegenkultur“, „Melodie und Rhythmus“, eingeladen. Die Veranstaltung im Freizeitforum in Berlin-Marzahn war im Vorfeld bereits frühzeitig ausgebucht. Knapp 400 Gäste kamen. Der ehemalige Chefredakteur der „jungen Welt“, Arnold Schölzel, sprach über die Errungenschaften der DDR, Komponist und Pianist Bardo Henning und Gina Pietsch führten unter anderem durch Werke von Gerhard Gundermann, Bertolt Brecht, Peter Hacks und Hermann Kant.
Stachel im Fleisch der Herrschenden
Rede des DKP-Vorsitzenden Patrik Köbele auf der Veranstaltung des OKV zum 70. Jahrestag der Gründung der DDR
Ich habe nur 15 Minuten. In 15 Minuten kann man die DDR nicht würdigen. Deshalb vorab euch – uns allen – einen Glückwunsch zum 70. Geburtstag der Deutschen Demokratischen Republik.
Ja, sie ist untergegangen, weil sie am Ende zu schwach war. Das machte die Konterrevolution möglich. Trotzdem ist sie bis heute mehr als ein Stachel im Fleisch der herrschenden Klasse. Sie lebt, wie deren hysterischer Umgang mit der geschichtlichen Wahrheit zeigt. Sie lebt, wie deren anhaltende Verfolgung, Delegitimierung, Bestrafung von allem, was DDR war, zeigt. Die BRD spricht von der DDR als Unrechtsstaat und zeigt damit ihren Charakter als Klassenstaat.
Ich werde mich im Folgenden nur einem Aspekt der Existenz der DDR widmen – allerdings dem für die Menschheit zentralen, dem Aspekt der DDR als Friedensstaat.
Wie einem etwas fehlt, das merkt man leider oft erst, wenn es weg ist. Ja, auch mit dem Friedensstaat DDR ist es mir so gegangen. Noch waren keine zehn Jahre rum, da war mitten in Europa Krieg. So viel übrigens zum Thema, die EU hätte uns 70 Jahre Frieden gebracht. Jugoslawien wollte sich nicht völlig dem Imperialismus unterordnen und der deutsche Imperialismus wollte zeigen, dass er die Friedensfessel DDR losgeworden war, indem er sie sich einverleibt hatte. Er preschte also vor, erkannte Teilrepubliken an, um einen Vielvölkerstaat zu zertrümmern – selbst im Widerspruch zu seinen Imperialistenfreunden in Großbritannien und Frankreich.
Und dann war der Weg frei, auch militärisch wieder mitzumischen. Klar, wenn man in der Champions League der Imperialisten mitspielen will, muss militärische Beschränktheit abgelegt werden. Die Schnelligkeit hatte mich und uns damals doch überrascht. Dabei hatte meine Partei gar nicht zu denen gehört, die begonnen hatten, an eine Friedensfähigkeit des Imperialismus zu glauben, die nicht durch die Stärke des Sozialismus erzwungen war. Meine Partei hatte auch nicht die Illusion, die 1989/90 durchaus verbreitet war, dass mit dem Sieg über den Sozialismus in Europa, mit dem damit zuerst weitgehenden Wegfall der Systemkonfrontation, der Frieden ausbrechen würde. Trotzdem hat uns die Schnelligkeit überrascht.
Das alles hätte es mit einer DDR nicht gegeben, vielleicht hätte es wirklich für 70 Jahre Frieden in Europa gereicht. Ohne sie nicht – ein erster Beweis, dass sie ein Friedensstaat war.
Leider gibt es dafür auch sehr aktuelle Beweise. Die Werbung für die Bundeswehr, der neue Militarismus, den wir erleben, treibt immer neue Kriegstreiberblüten. Die neuen Plakate, der Schlipsträger mit der Losung „#Office“ suggeriert, Krieg könnte im Stehkragen geführt werden – widerlich. Schlimmer aber noch die Uniformierten mit der Losung „#Führen“, da fragt man sich doch, warum da nicht direkt „Führer“ steht. Nein, aus dieser Bundeswehr wird leider nie ein Aufruf wie der der „Soldaten für den Frieden“ hervorgehen, unterzeichnet von Generälen, Admiralen, Offizieren zu Hauf, allerdings von Offizieren der Nationalen Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik.
Wobei, es gab auch in der Bundeswehr Soldaten für den Frieden. Es waren meist meine Genossen, Mitglieder der DKP, die in den 80er Jahren zur Bundeswehr gingen, um den Friedensgedanken, den Friedenskampf auch dort zu verbreiten – sie wurden nicht Offiziere, sie gingen in den Knast oder wurden unehrenhaft entlassen.
Der Aufruf „Soldaten für den Frieden“ ist ein weiterer Beleg, dass nicht nur die DDR ein Friedensstaat, sondern auch die NVA eine Friedensarmee war. Herzlichen Dank den Initiatoren und Unterzeichnern.
Wir leben im Krieg. In Syrien, in Afghanistan, in Afrika mischt die Bundeswehr mit. Wir stehen vor der Gefahr einer dramatischen neuen Eskalation – und Deutschland mischt mit. Das Säbelrasseln gegenüber dem Iran ist brandgefährlich, auch, weil man sich immer wieder an die Seite des kriegstreibenden Israel stellt. Stoppt die Drohungen gegen den Iran – Solidarität mit dem palästinensischen Volk.
Dieses Säbelrasseln hätte es mit einer DDR nicht gegeben. Stattdessen gab es die Solidarität mit den Palästinensern.
Man zieht ganz schnell mit Trump, dem US-Imperialismus und der NATO an einem Strang. Plötzlich gibt es keinen Unterschied zwischen den sonst zerstrittenen Imperialismen Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Plötzlich hat man keine Probleme mit dem Verstoß gegen Menschenrechte, die sonst immer als Vorwand für Kriege herhalten müssen und in deren Namen schon mancher angebliche Diktator liquidiert wurde – nein, Saudi-Arabien ist ja ein Hort der Menschenrechte, nach innen und mit seinen Verbrechen im Jemen.
Mehr als Säbelrasseln ist die Osterweiterung der NATO: Es ist Vertragsbruch. Schlimm genug, schlimmer aber, sie ist Teil einer Umzingelungspolitik gegenüber der Russischen Föderation, aber auch gegenüber der Volksrepublik China, der die USA seit Obama mit einem „pazifischen Jahrhundert“ drohen.
Russland will man klein halten. Es ist zwar seit der Konterrevolution ein kapitalistisches Land, damit aber auch ein Konkurrent. Und dort ist der antifaschistische Abwehrkampf, der große Vaterländische Krieg, eben nicht vergessen. Die Volksrepublik China ist nicht nur ökonomischer Konkurrent, sondern gar im sozialistischen Aufbau, eine Alternative zum Kapitalismus, den man doch als alternativlos vermitteln muss.
Darum Truppen an der Ostgrenze der NATO, in Polen, den baltischen Staaten – auch das beginnt nicht nur mit einer Lüge, das ist eine permanente Lüge. Am 9. Februar 1990, die DDR gab es noch, erklärte der damalige US-Außenminister James Baker: „Das Bündnis“ (also die NATO) werde seinen Einflussbereich „nicht einen Inch weiter nach Osten ausdehnen“. Später wurde erklärt, dass es keine dauerhafte, substanzielle Stationierung von NATO- oder US-Truppen im Osten geben würde. Und heute, damit diese Lüge nicht zu offensichtlich wird, lässt man sie „rotieren“, sie rollen durch den Osten, also über das Gebiet der DDR. Das hätte es also ganz eindeutig mit der DDR nicht gegeben.
Die Einkreisungspolitik gegenüber der Russischen Föderation und der Volksrepublik China stellt aus meiner Sicht sowohl die zentrale Strategie des Imperialismus als auch die Hauptkriegsgefahr im Weltmaßstab dar. Der NATO-Aufmarsch an der russischen Grenze ist die Westflanke davon. Stoppt diese Aggressionspolitik, Raus aus der NATO, Frieden mit Russland, Frieden mit der Volksrepublik China.
Ich möchte euch auch den Weg eines jungen BRD-Bürgers zur Erkenntnis schildern, dass die DDR ein Friedensstaat war. Das mache ich nicht aus Nostalgie, sondern weil er den Weg zur Erkenntnis behandelt, dass der Friedenskampf nach dem Beziehen von Stellung im Klassenkampf drängt, wie der Klassenkampf verpflichtet, Friedenskämpfer zu sein.
In meiner Jugend in der BRD gehörte es zum guten Ton „irgendwie links“ zu sein, meist mit der gleichzeitigen Abgrenzung vom realen, in dem Fall realen Sozialismus. Links ja, aber natürlich nicht so,wie in der DDR und der Sowjetunion. Die Einbindungsfähigkeit des deutschen Imperialismus war brüchig geworden, dafür stand auch die sogenannte 68er-Bewegung. Nun waren die Herrschenden nicht doof. Die Schmerzgrenze des Brüchigwerdens war der Antikommunismus – der musste gehalten werden.
Da lag es auf der Hand, den Pazifismus Jugendlicher, der ja erst einmal eine natürliche Reaktion auf BRD-Aufrüstung und -Militarismus darstellte, zu nutzen. Dafür gab es dann sogar einen Kronzeugen aus der DDR, den man benutzen konnte, oder besser, der benutzt werden wollte, weil es, wie wir heute wissen, offensichtlich seine Berufung war. Heute tritt er offen als Kriegstreiber und Kommunistenfresser auf, damals war das oft eher Kreide, die er zumindest in der Friedensfrage gefressen hatte. Aber auch damals hatte er die wichtige Rolle, die Unterschiede zwischen Imperialismus und Sozialismus, zwischen Bundeswehr und NVA zu übermalen. Ihr ahnt, um wen es geht, es geht um den Kriegstreiber Biermann, der damals sang: „Soldaten sind sich alle gleich ….“
Das fiel bei einer pazifistischen Gesinnung natürlich erst einmal auf fruchtbaren Boden. Aber der Friedensstaat DDR half auch hier, Risse in dieses falsche Bild zu vermitteln. Mich brachte das Buch „Mannheim, Madrid, Moskau“ von Heinz Hoffmann ins Grübeln. Heinz Hoffmann war Verteidigungsminister der DDR. Ein Spanienkämpfer ist doch nicht dasselbe wie ein Offizier der Nazi-Wehrmacht. Ein Heinz Kessler steht doch für Antifaschismus, Befreiung und Frieden – ich bin stolz, dass ich mit ihm befreundet und in einer Partei sein durfte.
Eine Armee, die sich wie die Bundeswehr aus Nazi-Offizieren rekrutiert, kann doch nicht dieselbe sein wie eine Armee, die sich aus antifaschistischen Widerstandskämpfern rekrutiert. Dann 1978 mein erster Besuch in der DDR. Anfangs war ich verwundert über die vielen Friedensparolen im Straßenbild. Wie soll auch einer, der im Straßenbild die Werbung für Dash und OMO zu sehen gewohnt ist, sofort verstehen, wie gut es ist, dass statt dieser Werbung die Losung „Dein Arbeitsplatz – Dein Kampfplatz für den Frieden“ steht. Ich muss sogar zugeben, selbst als ich und andere Genossinnen und Genossen begriffen hatten, wie wichtig diese Friedenspropaganda ist, belächelten wir manchmal die Art und Weise. Heute wissen wir, das war Hochmut vor dem Fall, denn um wie viel besser wäre solch eine Losung als die bereits erwähnte durchgestylte militaristische Bundeswehrwerbung.
Der Friedensstaat DDR war an unserer Seite, als es uns gelang, in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts gemeinsam mit anderen in der BRD eine machtvolle Bewegung gegen die brandgefährliche Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen aufzubauen. Wie wir heute, nicht zuletzt aus dem lesenswerten Buch „Wir und die Russen“ von Egon Krenz, wissen, musste die Führung der DDR auch unter den sozialistischen Ländern immer wieder dafür werben, dass als zentrale Orientierung der Grundsatz „Das Teufelszeug muss weg“ Bestand hatte. Das tat sie, obwohl dies gleichzeitig den Spielraum eröffnete, den Friedenswillen mancher Menschen für eine Kampagne zur Entwaffnung des Sozialismus zu missbrauchen.
Ja, die DDR unterstützte unseren Friedenskampf, sie tat dies politisch, ideologisch, materiell und nur mit einer Vorbedingung, nämlich der des Friedens.
Und deswegen kann ich heute mit Stolz und Überzeugung sagen, es war und ist richtig, dass die DKP in Tradition der 1956 verbotenen KPD und seit ihrer Gründung nicht nur an der Seite der DDR stand, sondern die Verbreitung der Wahrheit über die DDR immer als Wesensmerkmal ihrer eigenen Identität verstand. Vor 1989 hörten wir deshalb oft „Geh doch nach drüben“ – welch Widersinn, käme doch niemand auf die Idee einen katholischen Christen nach Rom zu schicken.
Sicher haben wir damals auch einige Widersprüche der DDR schöngeredet – aber das waren doch Fehler im Richtigen. Denn wo sollten deutsche Kommunistinnen und Kommunisten, auch im imperialistischen Teil Deutschlands, denn anders stehen als an der Seite des friedlichen, des sozialistischen Deutschlands. Das war bis 1989 richtig und das ist heute richtig. Denn die Überwindung eines kriegstreibenden, eines kriegsführenden Imperialismus wird ohne die Verbreitung der Wahrheit über den Friedensstaat DDR nicht gehen – das wissen auch die Herrschenden, darum ihr Gerede vom Unrechtsstaat, darum Strafrenten, darum Antikommunismus.
Wer dem auf den Leim geht, besorgt ihr Geschäft.
Wir setzen dem mit Peter Hacks entgegen: „Wessen sollten wir uns rühmen, wenn nicht der DDR.“