Begegnung mit Gustl Ballin auf der Leipziger Buchmesse

Ein Name, den jeder kennt

Von Roman Stelzig

Kontakt aufnehmen zu höheren Zwecken: Gustl Ballin (links Mitte) im Gespräch.

Kontakt aufnehmen zu höheren Zwecken: Gustl Ballin (links Mitte) im Gespräch.

( Roman Stelzig)

2018 feiert die DKP ihr 50-jähriges Bestehen, und das gibt Anlass für historische Darstellungen. Doch wie bei aller Geschichtsschreibung stellt sich die Frage: Wie ist es eigentlich gewesen? Sollte in den nächsten 50 Jahren unsere Gegenwart als Gegenstand der Erinnerung herangezogen werden, wird darin sicherlich viel die Rede sein von Auseinandersetzungen, Wahlkämpfen oder Parteivorständen. Aber eine Information sollte den zukünftigen Lesern unserer Geschichte unbedingt mitgeteilt werden: Überall in der Partei, von Nord nach Süd, von Ost nach West, in jeder Bezirksorganisation und auch dort, wo nur einzelne Genossen tätig sind, begegnet einem der Name Gustl Ballin.

Der Grund ist einfach: Gustl ist einer von zwei Geschäftsführern der CommPress Verlag GmbH, die u.a. die Wochenzeitung der DKP herausgibt, und leitet ihren Vertrieb. Jede UZ, jedes Sofortprogramm, jedes Flugblatt wird in seinem Auftrag versandt und wie alle, die ein besonderes Organisationstalent besitzen, spinnt er auf unerklärliche Weise seine Fäden und Kontakte in die entlegensten Winkel des Landes. Man gewinnt, wenn man dem kleinen, geschäftstüchtigen, 66 Jahre alten Mann mit seinem hintersinnigen Lächeln begegnet, unweigerlich das Gefühl, dass jedes unverfängliche Wort von ihm letzten Endes einem höheren Zwecke dient.

Auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse durfte ich einige Stunden mit Gustl Ballin verbringen, und was er mir dabei über sich erzählte, brachte mir den Menschen von seiner persönlichen Seite näher. Zunächst überraschte es mich, dass sich Gustl, den ich immer mit unerschütterlicher Geduld und ungetrübtem Frohsinn erlebe, als ein „Alphatier“ bezeichnet. Ja, er kann auch laut werden, gesteht er mir, wenn man ihn in stressigen Situation zu eindringlich auf eingespielte Verhaltensmuster anspricht. Ganz ohne Reibereien verläuft auch die Beziehung zu seiner Frau, mit der er seit 36 Jahren zusammenlebt, deshalb nicht, aber beiden gelingt es in der Regel sehr gut, mit ihren Eigenschaften versöhnlich umzugehen. Dass er dennoch meistens so viel Ruhe ausstrahlt, liegt daran, dass er sich als einen „Marathonläufer“ der politischen Arbeit versteht. Er ist keiner, der hektisch drauflos macht, sondern ein Genosse, der seine Kräfte einteilt und langfristig plant. Auch in den Proviantpaketen, die der sparsame Gustl bei sich trägt, und den Ruhepausen, die er sich gönnt, findet man das bestätigt.

Gustl Ballin beschreibt sich als Pfadfinder, der sein Leben ohne besondere berufliche Zertifikate auf eigene Faust bestreitet. Gelernt hat er Bildbearbeitung, als diese noch mit der Hand und ohne Computer erfolgt ist. Das Ende des Sozialismus war auch für ihn ein Bruch, der bis dahin hauptamtlich für die DKP gearbeitet hatte. Es folgte eine Umschulung zum Drucker. Und dass er als Kommunist auch einmal einen Teller zum Geburtstag von Helmut Kohl bedruckt hat, gehört zu den kleinen Kuriositäten, die er gern erzählt. Kurz vor dem 20. Parteitag der DKP wurde er in die Funktion gewählt, in der ihn nun seit mehr als sechs Jahren viele Genossen kennen. Doch nicht nur das: In seiner Grundorganisation in Nürnberg verteilt er selbst Zeitungen und Flugblätter oder er war und ist als Betreuer in Ferienlagern tätig.

Gustl Ballin kocht gern, denn das ist für ihn eine kreative Tätigkeit, und indem er jeden Tag eine halbe Stunde läuft, hält er sich gesund und bei Kräften. Das Interessanteste aber, mit dem er seine Zuhörer zu unterhalten weiß, sind seine Kenntnisse von über 100 chinesischer Schriftzeichen, die er sich auf seinen Auslandsreisen erworben hat und die er im Gespräch gern mit anderen teilt.

Über die Leipziger Buchmesse 2018 ließe sich auch hier manches Gehaltvolle mitteilen. Ob literarische  Debatten, Neuerscheinungen und Bestseller die Zeit überdauern, mag die Geschichte zeigen. Meine wichtige Nachricht ist diese: „Unser Gustl“, der von gelegentlichen Hustenanfällen geplagt wurde, sah in diesen Tagen ein wenig müde aus. Und das scheint mir Anlass genug, auch einmal über einen Menschen zu schreiben, dessen Namen in unserer Partei eigentlich jeder kennt.

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"Ein Name, den jeder kennt", UZ vom 23. März 2018



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