Ein Mietspiegelkampf

Werner Sarbok im Gespräch mit Manfred Schulz

In Witten wehren sich Mieter gegen Mieterhöhungen durch die LEG. Die LEG Immobilien-Gruppe besitzt derzeit rund 130 000 Wohnungen an 172 Standorten in NRW und ist damit eines der größten Wohnungsunternehmen in Deutschland. Über seine Erfahrungen mit dem Konzern sprachen wir mit Manfred Schulz vom Mieterverein Witten.

UZ: Wie begannen eure Auseinandersetzungen?

Manfred Schulz: Unser Ärger begann 2016, nachdem 2015 die LEG 700 Wohnungen von dem Immobilienunternehmen Immeo gekauft hat.

Unmittelbar danach kamen die ersten Schreiben der LEG mit der Aufforderung, „Mietanpassungen“ per Zustimmungserklärung zu vereinbaren. Dazu haben sie die Mieten von Vergleichswohnungen herangezogen. Allerdings haben sie dabei die Mieten von bereits renovierten Wohnungen für Mieten von unrenovierten Wohnungen zugrunde gelegt. Die meisten Mieter haben jedoch Zustimmungserklärungen unterschrieben, fünfzehn Mieter haben sich geweigert.

UZ: Wie hat die LEG auf die Weigerungen reagiert?

Manfred Schulz: Die LEG hat beim Amtsgericht gegen diese fünfzehn Mieter Klage eingereicht. Dann kam es zu den ersten beiden Prozessen. Zahlreiche Mieter haben als Zuschauer an diesen Verhandlungen teilgenommen – auch die lokalen Medien sowie das WDR-Lokalstudio Dortmund. Die Richterin hat sich allerdings am alten Mietspiegel orientiert. Sie ist nicht der Argumentation der LEG gefolgt und hat offensichtlich begriffen, dass die LEG die Situation ausnutzen wollte, dass kein aktueller Mietspiegel vorlag. Es gab im einen Fall einen Vergleich zugunsten des Mieters, den anderen Prozess hat die LEG verloren. Der Mieter musste die Mieterhöhung nicht zahlen.

Das war übrigens ziemlich skurril: Der Mieter hatte die gesamte Wohnung selbst modernisiert, und für diese vom Mieter selbst modernisierte Wohnung wollte dann die LEG die höhere Miete haben.

Das war der erste große Erfolg, den wir hatten.

UZ: Was geschah danach?

Manfred Schulz: Die LEG hat danach die anderen 13 Klagen zurückgezogen, darunter auch die gegen mich.

UZ: Und dann war Ruhe?

Manfred Schulz: Ja, zunächst war dann einmal Ruhe. Aber jetzt im neuen Jahr hat es wieder neue Schreiben der LEG gegeben mit der Aufforderung zur „Mietanpassung“. Zum 1.12., kurz vor Inkraftsetzung des Mietspiegels, wollten sie offensichtlich noch Mieterhöhungen durchsetzten.

UZ: Hat die LEG diese „Mietanpassungen“ begründet und um welche Beträge handelt es sich?

Manfred Schulz: Bei mir handelt es sich um 20 Euro monatlich, bei meiner Mutter sind es etwas über drei Euro, allerdings wurde bei ihrem Einzug schon eine höhere Miete verlangt.

UZ: Wie hat sich dein Widerstand bisher ausgezahlt?

Manfred Schulz: Wenn ich bisher alles gezahlt hätte, was sie an Erhöhungen gefordert haben, die 20 Euro Mietanpassung jetzt und die Erhöhung der Betriebskosten um 12 Euro – da lasse ich jetzt die Betriebskosten nachrechnen beim Mieterverein und lasse prüfen, ob eine Erhöhung um 34 Euro durch eine Dachbodendämmung gerechtfertigt ist –, dann wäre ich jetzt bei knapp 450 Euro Miete, Jetzt bin ich bei 380 Euro Miete warm. Damit wäre ich über der Grenze, die das Jobcenter bezahlt. Ich bekäme eine Kostensenkungsaufforderung über sechs Monate. Und wenn ich die Kosten nicht senken kann, müsste ich die Mieterhöhung aus meinem Hartz-IV-Satz bezahlen oder ich müsste ausziehen.

UZ: Du bist aktiv im Mieterverein Witten. Wie hat der Mieterverein sich entwickelt?

Manfred Schulz: Wir haben nach dem Erfolg beim Amtsgericht eine Veranstaltung der SPD zum Thema „Wohnen in Witten“ besucht, an der neben Vertretern der SPD Witten auch der damalige Wohnbauminister Groscheck teilgenommen hat. In der Diskussion habe ich als LEG-Mieter die Situation geschildert, wie die Leute unter Druck gesetzt werden mit den Zustimmungserklärungen zur Mietanpassung und habe die Frage gestellt, warum es in Witten keinen Mietspiegel gibt. Die SPD-Ratsfrau führte aus, das würde man gern machen, aber die Stadt habe kein Geld. Im Vorwahlkampf fühlte sich Herr Groscheck wohl in Geberlaune und versprach, sich dafür einzusetzen, dass ein Mietspiegel finanziert werden soll, er würde sich darum kümmern.

UZ: Ihr habt euch aber nicht auf das Versprechen verlassen?

Manfred Schulz: Wir haben uns nicht allein auf das Wort verlassen sondern haben nachgesetzt. Wir haben seitens des Mietervereins einen Bürgerantrag formuliert und haben in kürzester Zeit 200 Unterschriften darunter gesammelt. Das haben wir dann der Bürgermeisterin bei einem Pressetermin übergeben. Das führte dazu, dass der Mietspiegel nicht von der Stadt, sondern aus einem Landesprogramm finanziert wurde.

UZ: Wird der Mietspiegel nun realisiert?

Manfred Schulz: Ja, der kommt wahrscheinlich zum 1. März 2018. Der Stadtrat muss allerdings noch der Qualifizierung des Mietspiegels zustimmen.

UZ: Ist denn dann alles gut? Oder hat die LEG noch was in petto?

Manfred Schulz: Sie können auf jeden Fall nicht mehr ihre Praxis weiterführen mit den drei Vergleichswohnungen. Das geht nicht mehr. Der Mietspiegel, der jetzt herauskommt, ist in der Regel niedriger als das, was die Leute jetzt schon bei der LEG zahlen oder das, was die LEG noch von den Menschen haben möchte. Das bedeutet, dass man sich mit diesem Mietspiegel erfolgreich gegen Mieterhöhungen wehren kann.

Aber unsere zweite Baustelle ist der Modernisierungsparagraf. Da fordern wir die Abschaffung dieses Paragrafen, weil mit diesem Paragrafen der Vermieter die Kosten dieser Modernisierungen über neun Jahre mit elf Prozent abrechnen kann. Das wird auf die Mieten umgelegt. Das droht noch, dass sie in größerem Ausmaß Außendämmungen anbringen können, Fenster erneuern und Balkons, Heizungsanlagen erneuern. Da könnte noch eine Welle auf uns zukommen.

Sie nutzen diese Möglichkeit der Mietsteigerung aus, um ihre Profite zu steigern, es geht um die Gewinnsteigerung und um die Managergehälter. Und es geht auch darum, dass der Börsenwert des Unternehmens steigt.

Deshalb gehören private Miethaie wie LEG, Vonovia und andere in Gemeineigentum überführt bzw. zurückgeführt. Die rechtlichen Möglichkeiten dazu sind im Grundgesetz in den Artikeln 14 und 15 geregelt. Nur dann wird auf Dauer sicheres und bezahlbares Wohnen für alle möglich sein.

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"Ein Mietspiegelkampf", UZ vom 5. Januar 2018



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