Die Vielfalt des Kommunismus in alter und neuer Perspektive

Ein Loblied auf Freiheit und Gleichheit

Wie oft grübeln wir, welches Buch wir jungen Menschen schenken können, die sich für die Gedankenwelt des Kommunismus interessieren? Wie oft suchen wir selbst immer wieder Bestätigung in dunklen Zeiten, dass wir mit unserem Kampf für eine humane Gesellschaft nicht allein dastehen, dem Untergang geweiht?

Der im November 2023 vom Verlag Neue Impulse neuaufgelegte, erweiterte Band „Lob des Kommunismus“ ist eine kurzweilige Schrift, die diese Bedürfnisse erfüllt. Enthalten sind 118 kurze Texte aus Philosophie und Literatur, die die Erfahrung der Klassengesellschaft reflektieren – beginnend mit Platon bis ins 21. Jahrhundert. Es ist vielleicht gar nicht so erstaunlich, dass hierbei von Anbeginn das Privateigentum als die Wurzel des Elends der arbeitenden Bevölkerung angesehen wird – zählt man die Jahre zwischen Platons Äußerung (347 v. u. Z.) und der Manfred Wekwerths (2011), so umspannt der hier zu Wort kommende Zeitabschnitt 2.358 Jahre.

0611 k 9783944545028 - Ein Loblied auf Freiheit und Gleichheit - Lob des Kommunismus, Neue Impulse Verlag - Kultur

Platon eröffnet den Band mit den Worten: „In einem Gemeinwesen, in dem Reichtum und Armut fremd sind, wird auch die beste Gesittung zu finden sein, denn weder Frevelmut noch Ungerechtigkeit kommen da auf.“ Manfred Wekwerth beendet ihn: „Manche Kommunisten haben den Glauben an einen kommunistischen Umschwung aufgegeben. Das Kapital nicht. Es kämpft um seine Eigentumsverhältnisse mit einer Intensität, als stünde der Umschwung morgen bevor. Das Kapital beweist selbst mit der unsinnigsten Delegitimierungsmaßnahme, für wie stark es den Kommunismus hält.“

Dazwischen reflektieren Philosophen und Künstler aus aller Welt über das Eigentum, über die Kriege, die es unweigerlich mit sich bringt, über die Visionen und Zuversicht, die mit einer Gesellschaft der Freien und Gleichen verbunden sind. Wie diese genau zu bewerkstelligen ist, sagt Marx 1844, wie hier ebenfalls enthalten: „Der Communismus als positive Aufhebung des Privateigentums als menschlicher Selbstentfremdung und darum als wirkliche Aneignung des menschlichen Wesens durch und für den Menschen … Dieser Kommunismus ist als … vollendeter Humanismus … das aufgelöste Rätsel der Geschichte und weiß sich als dessen Lösung.“ Marx unterstreicht hier eine höchst wichtige Entdeckung, nämlich dass Machtgier und Kriege gerade nicht dem menschlichen Wesen entsprechen, wie es doch so oft – unhistorisch und mechanisch – behauptet wird. Ab Marx trägt das Projekt den Namen Kommunismus. Doch wie sehr sich die Menschen nach einer Gesellschaft Freier und Gleicher sehnten, wie alt das Projekt ist, auf welche Tradition Marx und Engels aufbauten, wird in dieser ungewöhnlichen Veröffentlichung deutlich.

Wir lesen hier über verschiedene utopische Vorstellungen einer Gesellschaft ohne Privateigentum, die immer wieder aufs Neue entstanden – wir lesen auch vor Marx von den Mutigen, die dafür in den Kampf zogen und ihr Leben gaben. So sagt Thomas Müntzer: „Die Herren machen das selber, dass ihnen der arme Mann Feind wird. Die Ursache des Aufstands wollen sie nicht beseitigen. Wie kann das auf die Dauer gut werden? Erkläre ich dies aber, so muss ich ein Aufrührer sein. Gut so!“

Doch lesen wir hier nicht allein die Aussagen von Politikern, Philosophen und Aufständischen. Die Kunst als eine machtvolle Art, die Welt zu begreifen, kommt in diesem Band auch zum Tragen. Von Walther von der Vogelweide bis Tschingis Aitmatow entstehen ganz persönliche Gedankenwelten aus verschiedenen Epochen und regen die Leser an, vielleicht hier und da etwas mehr von ihnen zu lesen. Unter anderem kommen Shakespeare, Shelley, Neruda zu Wort. Auch Frauen werden in das historische Panorama eingebracht – sowohl Kämpferinnen wie Zetkin, Luxemburg und Angela Davis als auch Schriftstellerinnen. Es hätten mehr sein können. Als Literaturwissenschaftlerin tut es mir auch etwas Leid, dass im letzteren Fall nicht immer deren Kunst zitiert wird, sondern Aussagen aus Artikeln, Briefen. So schreibt Bettina von Armin in ihrem „Armenbuch“ 1844: „Der Reiche hat kein Recht zu geben, und die Armen müssen sich nehmen, was ihnen zukommt.“ Jenseits deutscher Grenzen schrieb die Französin George Sand 1848: „Versteht man unter Kommunismus das Verlangen und den Willen, dass mit Hilfe aller gesetzlichen Mittel die empörende Ungleichheit außergewöhnlichen Reichtums und außergewöhnlicher Armut sofort verschwinden soll, um einem Beginn wahrhafter Gleichheit Platz zu machen – ja, dann sind wir Kommunisten und wagen dies euch, die ihr uns ehrlich fragt, zu gestehen, denn wir sind der Meinung, dass ihr es ebenso seid wie wir.“

Diese Publikation erinnert uns in unserer heutigen Zeit – da wieder, wie Shelley einst schrieb, „HOFFNUNG, jenes zauberhafte/Mädchen, knöcheltief im Blut“ steht – an eine stolze Tradition, gibt Mut und Hoffnung. Dem Verlag Neue Impulse gebührt Dank für diese Initiative und Bereicherung.

Klenner, Schöneburg, Beutin, Spoo (Hg.)
Lob des Kommunismus. Alte und neue Weckrufe für eine Gesellschaft der Freien und Gleichen
Neue Impulse Verlag, 24,80 Euro

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"Ein Loblied auf Freiheit und Gleichheit", UZ vom 9. Februar 2024



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