Ein gewisser politischer Anstrich ist dem Star-Wars-Universum nicht fremd. Das galaktische Imperium der ursprünglichen Trilogie als Weltraum-Nazis zu identifizieren ist keine große Kunst. Über das eindimensionale Gut-vs.-Böse-Schema hinaus haben sich aber in den inzwischen ausufernd großen offiziellen Kanon seit 1977 nur wenige Grautöne eingeschlichen. Die Ende 2022 erschienene Serie „Andor“ allerdings gleicht nun eher einem kritischen Polit-Thriller über die Innen- und Außenpolitik der USA als dem erwarteten seichten Space-Fantasy-Geballer.
Im doppelten Sinne revolutionär und die größte Stärke der Serie: Die Helden sind zur Abwechslung keine lichtschwertschwingenden Weltraummönche, sondern die unterdrückten Bewohner des Schrottplaneten Ferrix und die Insassen der Gefängnisfabrik auf Narkina 5 in ihrer jeweiligen Gemeinschaft. Als Einzelpersonen fehlerbehaftet und gefühlt ohnmächtig, erleben sie als Kollektiv, dass sie sich gegen ihre Lebensumstände wehren können. Auch die schurkischen Gegenspieler sind diesmal nicht die per Naturgesetz bösen Sith. Sie können sich auch nicht auf eine klassisch tragische Lebensgeschichte stützen, wie Anakin Skywalker in den Prequels. Bei den bewusst banalen Charakteren denkt man eher an die Mitarbeiter von Pentagon, CIA oder einer beliebigen Polizeibehörde als an Darth Vader. Sie sind authentisch gezeichnete, für politisch engagierte Menschen allzu vertraute Produkte ihrer Gesellschaft.
Ohne an dieser Stelle noch große Spoiler loszuwerden: Abgesehen davon, dass die Sorge um die Protagonistinnen und Protagonisten, die mit zwei Ausnahmen keine Plot Armor tragen, das Herz zum Rasen bringt und die gesamte Staffel immer wieder bittersüße, inhaltlich großartige Szenen produziert, ist „Andor“ auch filmisch enorm gut gemacht. Es bleibt zu hoffen, dass die geplante zweite Staffel dieses Niveau halten kann. Wer die erste noch nicht gesehen hat und auf der Suche nach einer Serie ist, dem sei „Andor“ dringend ans Herz gelegt. Nerdiges Vorwissen über die Star-Wars-Welt ist dafür nicht notwendig.
Dieser Artikel erschien zuerst in „POSITION – Magazin der SDAJ“. Sie ist für 1,70 Euro im UZ-Shop zu haben, genauso wie bei jeder SDAJ-Gruppe. Ein Abo gibt es hier.
Star Wars: Andor
Streambar bei Disney+