Venezuela nach der Wahl: Kommunisten setzen auf Verteidigung des revolutionären Prozesses

Ein Kampf um die Macht

Von André Scheer

Nach der schweren Niederlage des bolivarischen Lagers bei den Parlamentswahlen in Venezuela am 6. Dezember hat in dem südamerikanischen Land der Kampf um die Verteidigung der Errungenschaften von 17 Jahren revolutionärem Prozess begonnen. In mehreren Städten des Landes gingen Beschäftigte von Staatsunternehmen wie dem Telekommunikationskonzern CANTV auf die Straße, um gegen Privatisierungspläne der Opposition zu protestieren. Die Mitglieder der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) kamen zu einer außerordentlichen Tagung ihres Parteitages zusammen, während die Kommunistische Partei (PCV) ihr Zentralkomitee einberief.

Bei den Wahlen hatte das aus rund 20 Parteien bestehende Oppositionsbündnis MUD (Tisch der demokratischen Einheit) eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der Nationalversammlung erringen können. Dazu reichten ihr 56,2 Prozent der Stimmen, während der „Große Patriotische Pol“, das Bündnis aus PSUV, PCV und anderen linken Organisationen 40,8 Prozent erreichte. Mit ihrer Mehrheit von 112 Sitzen in dem 167 Abgeordnete zählenden Parlament haben die Rechten ab dem 5. Januar weitgehende Möglichkeiten, das Agieren der Regierung von Präsident Nicolás Maduro zu behindern. So können sie die Minister seines Kabinetts absetzen und sogar den Vizepräsidenten stürzen. Auch auf die Besetzung führender Posten etwa im Nationalen Wahlrat oder im Obersten Gerichtshof können sie entscheidenden Einfluss nehmen. Selbst in der Außenpolitik kann die Opposition einen Kurswechsel erzwingen, indem sie Botschafter austauscht und internationale Verträge aufkündigt. So geraten zum Beispiel die Bolivarische Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA) oder auch der lateinamerikanische Fernsehsender TeleSur in Gefahr.

Die PCV setzt auf die Sammlung der kämpferischen Gewerkschaften

Die PCV setzt auf die Sammlung der kämpferischen Gewerkschaften

( PCV)

Die Kommunistische Partei wurde zwar von den Verlusten des Regierungslagers ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen, erzielte jedoch mit 100 000 Stimmen ein beachtliches Ergebnis. Mit PCV-Generalsekretär Oscar Figuera und dem Sekretär für internationale Solidarität, Yul Jabour, ist die Partei künftig mit zwei ordentlichen Abgeordneten in der Nationalversammlung vertreten. Drei weitere Genossen sind als Ersatzparlamentarier gewählt worden und rücken nach, wenn der ihnen zugeordnete Abgeordnete ausfällt. Im Interview mit dem privaten Fernsehsender „Globovisión“ bewertete Figuera das als relativen Erfolg. Es sei seiner Partei gelungen, den harten Kern ihrer Basis zu halten.

Als Gründe für das schlechte Abschneiden der Linken bei dieser Wahl benannte Figuera auf der einen Seite die „nachhaltige und systematische Aggression des Großkapitals gegen alle Projekte in Lateinamerika, die sich den Aufbau von Souveränität, Autonomie und Unabhängigkeit gegen das Kapital zum Ziel gesetzt haben“. Diese sei eine Realität. Allerdings sei es den revolutionären Kräften nicht gelungen, bei einer breiten Mehrheit der Bevölkerung Verständnis für diese Aggression zu erreichen, obwohl deren Folgen täglich sichtbar seien. Hinzu kämen eine Reihe von Fehlern und Versäumnissen, die schließlich in ihrer Gesamtheit zu dieser Niederlage geführt hätten. Dazu gehörten Korruption, Ineffizienz und Bürokratismus in der Regierung, betonte Figuera.

Der Generalsekretär wies die vom Moderator aufgestellte Alternative „Versöhnung oder Konfrontation“ zurück und betonte, in Venezuela finde ein Kampf um die Macht statt. Was Venezuela brauche, sei eine Politik im Interesse der arbeitenden Menschen. Dazu diene die auf Initiative der Kommunisten geschaffene „Nationale Kampffront der Arbeiterklasse“ (FNLCT), in der sich klassenkämpferische Gewerkschaften unabhängig ihrer sonstigen politischen Orientierung zusammengeschlossen haben. „Wir verlangen von keinem Arbeiter unser Mitgliedsbuch, um ihn zu verteidigen“, betonte Figuera. Obwohl die Kommunisten die Gründung der regierungsnahen „Bolivarischen Sozialistischen Arbeiterzentrale“ (CBST) 2011 als Spaltung der Arbeiterbewegung kritisiert hatten, forderte der PCV-Generalsekretär nun ausdrücklich nicht deren Auflösung. Eine solche Entscheidung könne nur von den Mitgliedern kommen, nicht von außen oder von der Regierung. Es müsse vielmehr darum gehen, die Gewerkschaft von der Basis her zu erneuern und zu stärken, um sie zu einer echten Klassenorganisation zu machen, die autonom die Interessen der Arbeiter vertritt.

Als erste Aufgabe kündigte Figuera die Verteidigung des aktuellen Arbeitsgesetzes an, das auch auf Druck der PCV verabschiedet wurde und weitreichende Mitbestimmungsrechte für die Beschäftigten vorsieht. Der Unternehmerverband Fedecámaras hatte nur Stunden nach Bekanntwerden des Wahlsiegs der Opposition gefordert dieses Gesetz aufzuheben. Dagegen werde man sich sowohl in den Betrieben und auf der Straße als auch im Parlament wehren, kündigte der Generalsekretär der venezolanischen Kommunisten an.

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"Ein Kampf um die Macht", UZ vom 18. Dezember 2015



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