Ulli Sander zum 80. Geburtstag

Ein Kämpfer für Frieden und Antifaschismus

Wer heute seinen 80. Geburtstag feiert, von dem wird oft gesagt, er sei durch die Geschichte der BRD geprägt worden. Von unserem Jubilar kann man aber mit Fug und Recht behaupten, dass er dieser Zeit auch seinen Stempel aufgedrückt hat, indem er sich – gegen den ideologischen Mainstream – für gesellschaftliche Veränderung einsetzte.

Ulrich Sander web - Ein Kämpfer für Frieden und Antifaschismus - Antifaschismus, Friedenskampf - Theorie & Geschichte
Ulli Sander

Ulli Sander wurde am 11. März 1941 in Hamburg geboren. Im Sommer 1943 erlebte die Familie die Schrecken des Krieges in vernichtender Brutalität. Im Zuge der „Operation Gomorrha“ überzogen angloamerikanische Bomberverbände die Stadt mit einem mehrtägigen Flächenbombardement. Durch hohe Sommertemperaturen kam es zu einem verheerenden Feuersturm. 34.000 Menschen starben, 125.000 wurden verletzt. So wurde Ulli Sander schon als Kind mit den Folgen von Faschismus und Krieg konfrontiert, eine Erfahrung, die ihn maßgeblich prägte. Von 1947 bis 1950 besuchte er die Schule am Bullenhuser Damm in Hamburg. Erst später erfuhr er, dass seine Grundschule als KZ und Hinrichtungsstätte missbraucht worden war. Als Jugendlicher kam er in Kontakt mit Antifaschisten, die ihm den Zusammenhang zwischen Faschismus, Krieg und antifaschistischem Handeln vermittelten. So wurde Ulli Sander 1958 Mitbegründer der antifaschistischen Geschwister-Scholl-Jugend und ein Jahr später Mitglied der Vereinigten Arbeitsgemeinschaft der Naziverfolgten Hamburg (VAN). Sie musste gegründet werden, da die VVN verboten worden war. Und er ging noch einen Schritt weiter. Im Dezember 1961 trat er der illegalen KPD bei. Ulli Sander blickt in diesem Jahr auf 60 Jahre Mitgliedschaft in der kommunistischen Bewegung zurück.

Er lernte Verlagskaufmann, war ab 1963 journalistisch tätig. Anfangs arbeitete er im JW-Jugendinformationsdienst in Wiesbaden, der aus linker Perspektive über den Vietnamkrieg, die Ostermärsche oder die außerparlamentarische Opposition berichtete. Als Mitbegründer der SDAJ und Mitglied der DKP wurde Ulli Sander 1968 Chefredakteur des Jugendmagazins „elan“ und zog dafür nach Dortmund, wo er bis heute mit seiner Frau Traudel lebt. Anfang der 70er Jahre wechselte er in die Redaktion der UZ, für die er bis 1990 arbeitete.

1989/90 brachte auch für ihn einen massiven Einschnitt. Nun arbeitete er als freier Journalist, einige Jahre für das „Neue Deutschland“ und bis heute als ständiger Mitarbeiter der „Weltbühne“-Nachfolgezeitschrift „Ossietzky“. Ende der 90er Jahre war er für das Pressebüro gegen Rassismus in Köln tätig. Der ungesicherten beruflichen Lage zum Trotz blieb er politisch aktiv. Friedensarbeit und Antifaschismus wurden seine zentralen Arbeitsfelder.

Schon 1960 gehörte er zu den Mitorganisatoren des ersten deutschen Ostermarsches. In den folgenden Jahrzehnten fand man ihn beim Ostermarsch Rhein-Ruhr und bis heute bei den Protesten gegen die Kriegsstandorte in NRW. Ab 1993 übernahm er Verantwortung in der VVN-BdA NRW, bis 2005 als ehrenamtlicher Landesgeschäftsführer, von 2005 bis 2012 als Landessprecher. Überdies war er von 2005 bis 2020 im Bundessprecherkreis.

Schon seit seiner Hamburger Zeit erinnerte er an Helmuth Hübener, einen Jugendlichen, der aus religiöser Überzeugung den Kriegsdienst verweigerte und von den Nazis hingerichtet wurde. Jahrzehntelang wollten nur wenige etwas davon hören. Seit einigen Jahren gibt es Ehrungen und Erinnerungsorte – ein Ergebnis von Ulli Sanders beharrlicher Arbeit.

Als Mitbegründer der Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges schaute er auf die Renazifizierung von Justiz, Polizei und Verfassungsschutz sowie die verheerenden Konsequenzen für die politische Linke in diesem Land. Dass der bayerische Verfassungsschutz ihn mehrfach denunziatorisch und falsch erwähnte, dagegen wehrte er sich publizistisch und juristisch. Die bayerische Behörde kreidete ihm insbesondere sein Engagement gegen das Gebirgsjägertreffen in Mittenwald an, wo er durch Recherche und Publizistik wesentlich zum Erfolg der Antifaschisten beitrug.

Als die Ausstellung „Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ die bundesdeutsche Gesellschaft bewegte, wollte er ein vergleichbares Projekt über die ökonomischen Hintermänner und Profiteure der faschistischen Herrschaft auf den Weg bringen – es wäre im Streit um die Zwangsarbeiterentschädigung wichtig gewesen. Damals hatte die VVN-BdA nicht die Kraft für ein solches Projekt. Ulli Sander gründete daraufhin in NRW die Initiative „Verbrechen der Wirtschaft“, die sich bis heute um die Entlarvung der ökonomischen Eliten in der NS-Zeit kümmert. Gleichzeitig forschte und publizierte er über gegen Kriegsende begangene faschistische Verbrechen.

Sein neuestes Projekt ist die Neuauflage des Buches „Wir müssen Vorkämpfer der Menschenrechte sein“ von Kurt Bachmann. Hierin geht es um die Erinnerung an den antifaschistischen Widerstand insbesondere aus den Reihen der Arbeiterbewegung, um die Erkenntnis, wie der Faschismus an die Macht gebracht wurde und seine Macht etablieren konnte, da die ökonomisch Mächtigen auf diesen Ausweg aus der Krise der Weimarer Republik gesetzt hatten – dieselben Eliten, die nach dem Ende der faschistischen Herrschaft mit der Adenauer-Administration ihre ökonomischen und politischen Machtpositionen in der BRD restaurieren konnten. Und um das Wissen, dass Faschismus und Krieg untrennbar verbunden sind, so dass antifaschistische Arbeit konkreter Friedenskampf ist.

Es wäre das größte Geburtstagsgeschenk für Ulli Sander, wenn diese Themen auch künftig die gemeinsame antifaschistische Arbeit prägen.

In diesem Sinne: Alles Gute zum 80. Geburtstag, lieber Ulli Sander!

Der Autor ist Bundessprecher der VVN-BdA und Generalsekretär der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR).

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"Ein Kämpfer für Frieden und Antifaschismus", UZ vom 5. März 2021



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