„Wendezeit“, Deutschland 2019, 119 Minuten, in der Mediathek verfügbar bis 1. 11. 2019
Natürlich kommen die Feierlichkeiten zum „Tag der Deutschen Einheit“ am 3. Oktober nicht ohne DDR-Bashing aus – wofür hat man den Tag schließlich erfunden. Neben Talkshows und Zeitungs-Sonderseiten über Grauheit, Stacheldraht und anderes vermeintliche Ungemach, das das Leben in der DDR ausmachte, muss natürlich auch immer ein abendfüllender Spielfilm im Öffentlich-Rechtlichen her. Dieses Jahr hieß es dort zur besten Sendezeit am 2. Oktober „Wendezeit“.
Der Film kam, zur Überraschung all jener, die sich mit dem Genre auskennen, völlig ohne die Beteiligung von Veronika Ferres aus – damit hören die guten Nachrichten aber schon auf.
Petra Schmidt-Schaller, die sonst schon mal mit Kommissar Falke im Hamburger Tatort geknutscht hat, spielt Saskia Starke. Diese gerät laut ARD-Werbetext „in einen emotionalen Ausnahmezustand, als sich das Ende der DDR ankündigt“, denn Saskia arbeitet als Kundschafterin. Sie ist mit einem Amerikaner verheiratet, hat mit ihm zwei Kinder, beobachtet für die CIA Oppositionelle in der DDR und berichtet über ihre Tätigkeit regelmäßig der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA). Wobei, das stimmt nicht so ganz, denn eigentlich berichtet Saskia nur Markus Wolff persönlich, oder ihrem Vater, der auch für die HVA arbeitet. Abgesehen von den beiden weiß nur ein Mensch in der DDR von ihrer Tätigkeit. Als der überlaufen will, nimmt das Drama um Saskia seinen Lauf.
Man muss der ARD zugute halten, dass sie sich bemüht hat, nicht allzu sehr mit Klischees über die DDR um sich zu werfen. Nur, gelungen ist es ihr nicht. Schon in der ersten Rückblende an einen Schießstand der NVA kommt es zu einem entlarvendem Dialog zwischen der noch DDR-blondierten Saskia und einer Genossin: „Wir warten die letzte Kontrolle ab und treffen die Jungs dann unten anner Straße,“ so die Genossin. „Watt denn? Wir sterben hier noch vor Langeweile.“ Saskias Antwort ist so prüde wie vorhersehbar: „Wir kämpfen für eine bessere Welt. Das ist nicht langweilig.“ Klar, wer braucht schon Sex, wenn er Sozialismus haben kann?
Auch sonst reiht sich Vorurteil an Klischee an Vorurteil: An der Demonstration in Berlin/Hauptstadt am 4. November 1989 nehmen sich im breitesten amerikanischen Akzent unterhaltende CIA-Agenten zuhauf teil, in der CIA-Zentrale in der Westberliner Vertretung der USA stoßen die Agenten auf Perestroika und Glasnost an und ein hochrangiger HVA-Offizier lässt sich mit dreieinhalb Sätzen umdrehen – schließlich will er auch eine Zukunft, wenn die DDR schon keine hat.
Falls jemand dann immer noch nicht verstanden hat, was für ein grauenhaftes Monstrum die DDR und ihre Bürger waren, kommt noch einmal Saskias greiser Vater zu Wort. Nachdem er seiner Tochter ein Leben lang eingetrichtert hat, sie dürfe niemandem trauen, sie müsse alles geben für den Sozialismus, sie müsse gegen ihren Willen Kundschafterin werden und hätte kein Baby bekommen dürfen, weil „das macht dich verwundbar!“, darf er ihr kurz vor dem Ende von DDR und Film beim Blick auf ein Foto seiner Enkelkinder noch ein wunderbar vergiftetes, weil sexistisches Lob machen: „Das hast du gut gemacht.“ Die Kinder, wohlgemerkt, nicht die Arbeit als Kundschafterin.
So kann dann auch Saksia ihrem Mann, der ihr auf die Schliche gekommen ist, verischern: „Ich glaube an den Sozialismus, aber nicht an den, der gerade untergegangen ist.“ Das wär ja auch noch schöner.