Kommunalwahl in der Ukraine: Die „demokratischen Standards“ der Machthaber in Kiew

Ein Härtetest

Von Uli Brockmeyer

Die Kommunalwahlen in der Ukraine waren in den bürgerlichen Medien großspurig als „Härtetest“ angekündigt worden. Von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bekamen die Kiewer Machthaber ein gutes Zeugnis ausgestellt: Trotz „Mängeln“ habe die Wahl „demokratischen Standards“ entsprochen. „Es gab bei der Wahl nach unserer Bewertung politischen Wettbewerb, sie war insgesamt gut organisiert“, sagte Tana de Zulueta, Leiterin der Beobachtermission der OSZE. Offensichtlich hat die OSZE ihre Einschätzung ohne Beachtung des tatsächlichen Verlaufs angefertigt.

In den Städten Mariupol und Krasnoarmijsk war am Sonntag nicht gewählt worden. In Swatowe platzte die Wahl. Es habe Probleme mit den Wahlzetteln gegeben, sagte De Zulueta. Auch in etwa 120 weiteren Gemeinden mußte die Wahl ausfallen. Die ukrainische Führung will die geplatzten Kommunalwahlen in mehreren östlichen Städten des Landes am 15. November nachholen lassen. Allerdings sei sich die Regierungskoalition noch nicht über das Gesetz hierfür einig, sagte Juri Luzenko, Fraktionsvorsitzender der Präsidentenpartei Petro-Poroschenko-Block, am Montag in Kiew.

Am 15. November werden auch in vielen Städten Stichwahlen um das Bürgermeisteramt stattfinden, neben Kiew wahrscheinlich auch in Lwiw, Dnipropetrowsk und Odessa. In der Hauptstadt verpasste der Amtsinhaber und Ex-Boxer Vitali Klitschko einen Sieg in der ersten Runde. Er kam laut Nachwahlbefragungen auf 38 bis 40 Prozent.

Die EU, etliche ihrer Mitgliedstaaten, die USA und die NATO – und die ihnen aufs Wort folgenden westlichen Medienleute – hatten eine Menge Geld und Personal investiert, um dem Staatsgebilde, das nach dem Maidan-Putsch in Kiew entstanden war, den Mantel der „Demokratie“ umzuhängen. Die „Parteien des Euro-Maidan“ hat die Mainstream-Presse als wunderbar demokratisch präsentiert, die zunehmenden nationalistischen, fremdenfeindlichen, russophoben und auch faschistischen Tendenzen in der Ukraine hat sie verschwiegen oder geleugnet. Auch die grassierende Korruption, die selbst den aus Georgien importierten Gouverneur von Odessa, den USA-Bürger Michael Saakaschwili am Wochenende zu aufmüpfigen Kommentaren veranlasste, kommt in hiesigen Medien nicht vor.

Die Herrscher von Kiew wurden allesamt zu den „Guten“ erklärt, denn immerhin haben sie mit der EU einen Assoziierungsvertrag abgeschlossen, und sie helfen der EU und der NATO, deren Territorium immer weiter in Richtung Moskau zu erweitern. Nun sollten die Kommunalwahlen zeigen, wie prächtig der EU-NATO-Zögling inzwischen gediehen ist.

Um es kurz zu sagen. Bei diesem „Härtetest“ sind die EU, die NATO und die Kiewer Führung mit Bravour durchgerasselt. Lediglich ein Ergebnis ist den westlichen Vorstellungen über demokratische Wahlen würdig: die Wahlverweigerung. Nach bisher vorliegenden Meldungen lag sie deutlich über 50 Prozent. Nachdem aller Welt das Märchen aufgetischt wurde, der Maidan-Putsch von Kiew sei Ausdruck des Willens des Volkes, weigerten sich mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten, ihre Bürgermeister und kommunalen Abgeordneten zu wählen.

Zunächst ist es Kiew nicht gelungen, das System des Euro-Maidan auf die ganze Ukraine auszudehnen, so dass in den Gebieten der Ostukraine, in denen Regimegegner das Sagen haben, gar nicht erst gewählt wurde. Dazu kommt, dass die Behörden dieses Regimes nicht in der Lage waren, dem Urnengang den Anschein eines einigermaßen ordnungsgemäßen Verlaufs zu verleihen.

In der Stadt Mariupol lagen falsche Stimmzettel herum, so dass die Wahl abgesagt werden musste. Auch in mindestens 120 weiteren Gemeinden musste der Urnengang wegen organisatorischer Probleme ausfallen. In Kiew musste ausgerechnet in dem Lokal, in dem Präsident Poroschenko mit großem Pressepulk zur Abstimmung erschien, erst der Tresor mit den Stimmzetteln mit Hilfe eines Schneidbrenners geöffnet werden, weil der Schlüssel verschwunden war.

Meldungen von falsch bedruckten Stimmzetteln und fehlenden Wahlkabinen häuften sich im Laufe des Sonntags. Die Auszählung der Stimmen sei angeblich besonders „kompliziert“, Ergebnisse wurden daher erst für Mitte der Woche angekündigt.

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"Ein Härtetest", UZ vom 30. Oktober 2015



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