Berliner Sozialsenator kündigt Betreiber von Flüchtlingsheimen

Ein Gutmensch macht Geschäfte

Von Nina Hager

„Ich bin ein Gutmensch. So viele caritative Bereiche wie ich sponsere.“ Nicht nur in einem Interview mit dem „Neuen Deutschland“, das vor einer Woche erschien, gibt er sich leutselig. Helmuth Penz, Geschäftsführer der Berliner PeWoBe („Professionelle Wohn- und Betreuungsgesellschaft“) ist ein Geschäftsmann, der bislang alle Skandale ausgestanden hat. Und wenn mal etwas schiefging, hat er schnell ein neues Unternehmen gegründet oder die Geschäftspartner gewechselt.

Penz ist seit den 80er Jahren im Geschäft. Die „taz“ nannte ihn 2014 „eine dubiose Figur aus dem Westberliner Bau- und Sozialbusiness-Sumpf“. Er ist seit vielen Jahren mit dem Unternehmer und Architekten Dietrich Garski „verbandelt“, der in Westberlin Anfang der 80er Jahre einen Bauskandal auslöste, über den der damalige Senat unter Dietrich Stobbe (SPD) stürzte. Seit 1989 betreibt Penz unter anderem in Westberlin, später auch im Osten der Stadt und in Brandenburg, „Einrichtungen zur Unterbringung und Betreuung von Kriegsflüchtlingen, Aussiedlern und Asylbewerbern“. Firmen aus seinem „Imperium“ sind aber auch an Bauvorhaben beteiligt – und an Bauskandalen wie in den 90er Jahren in Frankfurt/Oder. Nach 1990 hoffte man dort auf seine Millioneninvestitionen. Penz hinterließ einen Millionenschaden. Darauf und manches mehr wurde bereits 2014 in einer Sendung von „frontal 21“ aufmerksam gemacht.

Obgleich das alles bekannt war, Hilfevereine, die Linkspartei und die Grünen immer wieder gefordert hatten, die Zusammenarbeit mit der PeWoBe einzustellen und die Heime in Öffentliche Hand zu nehmen, schlossen die Berliner Senatsbehörden immer wieder neue Verträge mit Penz bzw. verlängerten die alten. Franz Allert, der Ende des vergangenen Jahres abgelöste Chef der LaGeSo (Landesamt für Gesundheit und Soziales), war gar direkt mit einer weiteren Betreiberfirma von Flüchtlingsunterkünften, Gierso, verbandelt. Allert ist inzwischen offenbar, wenn auch vielleicht nur vorübergehend, in der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sanft gelandet. Das LaGeSo hatte die Unternehmen Gierso und PeWoBe bei der Vergabe von Aufträgen bevorzugt. Zudem wurde die Einhaltung vereinbarter Standards womöglich nicht oder unzureichend kontrolliert. Allert ist Patenonkel des Geschäftsführers von Gierso, Tobias Dohmen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in diesem Zusammenhang gegen Gierso und die PeWoBe. Übrigens: Penz hat auch bei der Gierso seine Finger im Spiel.

Skandale um die PeWoBe gab es in den letzten Jahren genug: Die Firma musste 2015 an das LaGeSo wegen falsch abgerechneter Personalkosten eine Vertragsstrafe zahlen. Der Bau der Flüchtlingsunterkunft in der Haarlemer Straße kostete statt fünf über acht Millionen; anschließend mussten diverse Baumängel beseitigt werden. In der Bornitzstraße sind die hygienischen Verhältnisse untragbar. Der Verein „Hellersdorf hilft“ machte mehrfach auf die Zustände in der Flüchtlingsunterkunft der PeWoBe in der Hellersdorfer Maxie-Wander-Straße aufmerksam: Gemeinschaftsräume wurden geschlossen, die Kinderbetreuung eingeschränkt und das freie WLAN für die Heimbewohner abgeschaltet. Zeitweise stand nur ein Sozialarbeiter für die etwa 500 Heimbewohner zur Verfügung. Die neue Heimleiterin Peggy M. hatte in den Jahren 2008 bzw. 2009 im brandenburgischen Bernau für die rechtsextreme DVU im Kommunal- und Landtagswahlkampf kandidiert. Auch das Bezirksamt und die benachbarte Alice-Salomon-Hochschule hatten gegenüber den Senatsstellen immer wieder ihre Bedenken bezüglich der PeWoBe geäußert.

Zunächst kündigte Berlins Sozialsenator Mario Czaja (CDU) Anfang August den Vertrag über das Heim in der Maxie-Wander-Straße – fristgemäß. Mehr nicht. Vor zwei Wochen musste er nun „die Reißleine“ ziehen. Der PeWoBe, die in Berlin neun Flüchtlingsheime, in denen 3 000 Menschen untergekommen sind, betreibt, wurde fristlos gekündigt.

Unmittelbarer Anlass waren interne Firmenmails, die der Berliner „B. Z.“ zugespielt worden waren (UZ berichtete). Leitende PeWoBe-Angestellte hatten darin unter anderem über Guillotinen für Flüchtlingskinder gesprochen.

Dieser Skandal konnte nun nicht mehr gedeckelt werden. Dass Czaja nun – kurz vor den Berliner Wahlen – offenbar versucht für sich und seine Partei zu retten, was zu retten ist, ist nachvollziehbar. Aber Fragen bleiben: Hat er die ganzen Jahre wirklich nur zugeschaut? Aus Unfähigkeit, aus Schwäche? Oder?

Der „Gutmensch“ Penz hat übrigens inzwischen gegen die fristlose Kündigung Widerspruch eingelegt.

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"Ein Gutmensch macht Geschäfte", UZ vom 2. September 2016



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