Zu Konrad Adenauers 50. Todestag

Ein großer Staatsmann?

Von Nina Hager

In der vergangenen Woche wurde der 50. Todestag des ersten Kanzlers der Bundesrepublik Deutschlands, Konrad Adenauer (5. Januar 1876 – 19. April 1967), begangen: Mit „Nachrufen“, Kranzniederlegungen, Straßenumbenennungen, einer neuen Dauerausstellung in Rhöndorf.

Auf einem Festakt würdigte Kanzleramtsminister Altmaier ihn als großen Staatsmann der Geschichte. In der „Süddeutschen Zeitung“ erklärte der Chef der Konrad-Adenauer-Stiftung, Hans-Gert Pöttering, am 19. April in einem Interview: Die Politik Adenauers stehe „für Freiheit, für die Wiedervereinigung Deutschlands und Europas in Freiheit. Für die Versöhnung zwischen den europäischen Völkern und für die Überwindung des Nationalismus. Das ist alles hochaktuell. Gerade weil uns seine Person etwas über die Zukunft lehren kann, ist es wichtig, dass wir uns an ihn erinnern.“

Ein großer Staatsmann der Geschichte, der uns etwas für die Zukunft lehren kann?

Oberbürgermeister, Politiker …

Konrad Adenauer studierte Rechts- und Staatswissenschaft. 1906 trat er der katholischen Zentrumspartei bei und war bis 1933 Mitglied des Reichsvorstands. Mit seiner ersten Heirat bekam er Zugang zu den Reichen und Mächtigen in Köln.

Am 7. März 1906 wurde er zum Beigeordneten der Stadt Köln gewählt, 1909 erster Stellvertreter des Oberbürgermeister und 1917 der damals jüngste Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt. Oberbürgermeister blieb er bis 1933.

In den zwanziger Jahren gehörte Adenauer den Aufsichtsräten der Deutschen Bank (bis 1931), der Deutschen Lufthansa, des Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerkes, der Rhein AG für Braunkohlebergbau und Brikettfabriken und weiterer zwölf Unternehmen sowie dem Reichswirtschaftsrat an. 1928, als er sein Vermögen verspekuliert hatte, rettete ihn der Vorstandsvorsitzenden der Glanzstoff AG, Fritz Blüthgen, mit zwei Aktienpaketen aus einem „Schwarzen Fonds“. Zum öffentlichen Skandal kam es nicht. Die Deutsche Bank half mit einer Erklärung …

Von 1920 bis 1933 war Adenauer mit Unterstützung von Zentrum, SPD und Deutscher Demokratischer Partei (DDP) Präsident des preußischen Staatsrats. Außerdem war er von 1931 bis 1933 Vizepräsident der Deutschen Kolonialgesellschaft.

1931 kam es angeblich zur einer Auseinandersetzung mit der NSDAP, als die Faschisten in einer nächtlichen Aktion die Rheinbrücken in Köln mit Hakenkreuzfahnen beflaggten. Nach seiner späteren eigenen Darstellung ließ Adenauer die Fahnen unverzüglich wieder entfernen. In Wirklichkeit hatte er mit der NSDAP-Kreisleitung jedoch eine Absprache getroffen, deren Fahne von der stadteigenen Brücke abzunehmen und vor der auch der Stadt gehörenden Messehalle wieder aufzuziehen. Dort sollte Hitler sprechen. (Vgl. Rudolf Jungnickel, Kabale am Rhein, 1994, S. 275)

Übrigens hatte Adenauer am 12. Dezember 1932 in einem Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Zen­trumspartei, Prälat Kaas, unter anderem die Notwendigkeit betont, in Preußen „eine Regierung zusammen mit den Nationalsozialisten“ zu bilden und auch spätere Verhandlungen auf Reichsebene nicht ausgeschlossen.

Des Amtes enthoben

Nach der Machtübertragung an die NSDAP und nach der Niederlage der Zen­trumspartei bei den Kommunalwahlen in Köln wurde er seines Amtes als Oberbürgermeister enthoben. Wenig später auch seines Amtes als Präsident des preußischen Staatsrats. Es begann eine Zeit, in der er bedroht wurde und öfter seinen Aufenthaltsort wechselte. Am 30. Juni 1934 wurde er im Zusammenhang mit dem Röhm-Putsch für zwei Tage festgenommen. Ab 1933 bekam Adenauer, als ein „Träger des verflossenen politischen Systems“, der „in besonders ausgesprochener Weise hervorgetreten“ sei, jedoch immerhin eine reduzierte Pension von etwa 1 000 Reichsmark monatlich. 1937 erreichte er eine Nachzahlung seiner Pension und eine hohe Entschädigung für sein Kölner Haus, das er nach der Befreiung zurückerhielt.

Nach dem 20. Juli 1944 wurde Adenauer – am 23. August – verhaftet. Konkrete Verdachtsmomente gegen ihn lagen nicht vor. Nach einer Flucht und erneuter Verhaftung wurde er am 26. November 1944 aus dem Gefängnis entlassen.

Die „zweite politische Karriere“

Am 6. März 1945 rückten US-amerikanische Truppen in Köln ein. Bald wurden für den Wiederaufbau der Stadtverwaltung Personen gesucht, die als besonders vertrauenswürdig galten: Vertreter der katholischen Kirche, Honoratioren, die vor 1933 im politischen Leben eine Rolle gespielt hatten – vor allem Vertreter konservativer bürgerlicher Parteien, aber auch einige Sozialdemokraten. Adenauer wurde zunächst Berater bei der Militärregierung und am 4. Mai 1945 erneut Oberbürgermeister von Köln. Im Oktober 1945 wurde er wegen angeblich unterlassener Pflichterfüllung jedoch vom britischen Militärgouverneur der Provinz Nordrhein wieder aus diesem Amt entlassen: Für die Zeit vom 6. Oktober bis 4. Dezember 1945 verhängte die britische Besatzungsmacht über ihn sogar ein Verbot parteipolitischer Betätigung.

Seiner weiteren Karriere schadete dies nicht. Er trat der CDP, der Christlich-Demokratischen Partei, einer der vier Vorgänger-Regionalparteien der CDU in den einzelnen Besatzungszonen, bei, übernahm im Januar 1946 die Führung der CDU in der britischen Zone, wurde im Februar erster Vorsitzender der CDU Rheinland. Im Oktober 1946 wurde er Fraktionsvorsitzender der CDU im NRW-Landtag, am 1. September 1949 Vorsitzender der gemeinsamen Bundestagsfraktion von CDU und CSU. Vorsitzender der CDU wurde er 1950, als sich diese auf Bundesebene konstituierte, und blieb ihr Vorsitzender bis 1966.

1948 wurde er Präsident des Parlamentarischen Rates, der über das Grundgesetz für einen westdeutschen Separatstaat beriet. Am 15. September 1949 wurde Konrad Adenauer im Bundestag mit einer Stimme Mehrheit (einschließlich seiner eigenen) zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Dieses Amt hatte er – dreimal wurde er wiedergewählt (1953, 1957 und 1961) – bis zu seinem Rücktritt am 15. Oktober 1963 inne.

Als er 1949 zum ersten Bundeskanzler gewählt wurde, war Adenauer 73 Jahre alt. Und wieder stützte er sich auf die Großindustrie und erhielt von ihren Vertretern Unterstützung. Der Bankier Hermann Josef Abs (Deutsche Bank), unter anderem in der Zeit des Faschismus ab 1937 auch Mitglied im Aufsichtsrat der I. G. Farben, wurde Finanzberater des Bundeskanzlers.

Adenauer galt als entschiedener Anhänger der „Westbindung“ der Bundesrepublik und als Gegner eines einheitlichen neutralen und entmilitarisierten Deutschlands. Für die USA und ihre Verbündeten war er damit ein verlässlicher Partner im Kalten Krieg. Verhandlungsangebote des Ostens lehnte er ab, unter anderem die „Stalin-Note“ von 1952. Die DDR war ihm verhasst. Die deutsche Einheit – aber in den Grenzen von 1937 und nur auf Grundlage der kapitalistischen Eigentums- und Machtverhältnisse – blieb sein Ziel.

Unter ihm wurde die Remilitarisierung der Bundesrepublik vorangetrieben, wurde die Einbindung in die NATO und die Zusammenarbeit mit den westeuropäischen Nachbarn, vor allem Frankreich, Realität. Unter ihm kamen die alten Nazis bald wieder in Amt und Würden.

Adenauer galt als autoritär, zynisch und oft rücksichtslos. Er hielt von Demokratie dann, wenn sie seinem Willen zuwiderlief, recht wenig. Der „Spiegel“ erinnerte jüngst daran, dass Adenauer während seiner Amtszeit die SPD – vor allem Willy Brandt – und die FDP bespitzeln ließ und er das Volk als „strohdumm“ verachtete.

Er hatte feste Überzeugungen als Katholik, war zeit seines Lebens aber auch überzeugter Antisozialist und Antikommunist. Anlässlich des 50. Jahrestages seines Todes ist es nötig, an ein ganz finsteres Kapitel in der Geschichte der Bundesrepublik zu erinnern: An die Verfolgung von Kommunistinnen und Kommunisten sowie die vieler anderer Demokraten, also von Menschen, die sich im Westen Deutschlands seit Beginn der 50er Jahren für Frieden und Verständigung mit der DDR sowie der Sowjetunion, für die Wiedervereinigung, gegen die Remilitarisierung und gegen eine Atombewaffnung der Bundeswehr oder auch nur für Sportkontakte bzw. Kinderferienfahrten einsetzten. Das von Adenauer vorangetriebene KPD-Verbot gilt bis heute.

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"Ein großer Staatsmann?", UZ vom 28. April 2017



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