Mit einem „Anti-Blockade-Gesetz“ will Venezuelas Regierung dem von den USA und der Europäischen Union betriebenen Wirtschaftskrieg trotzen. Wie Staatschef Nicolás Maduro bei der Vorstellung des Gesetzes vor der Verfassunggebenden Versammlung erklärte, soll so insbesondere die Entwicklung von Allianzen mit Unternehmen „innerhalb und außerhalb des nationalen Territoriums“ abgesichert werden. Es gehe darum, die Wirtschaft zu stärken und „in großem Umfang produktive Investitionen“ in strategisch wichtigen Bereichen anzuziehen. Priorität habe, Mittel zu generieren, „die das Land braucht und die von der Regierung der Vereinigten Staaten gestohlen wurden“.
Washington und die EU haben vor allem seit 2015 immer weitere Sanktionen verhängt, die sich letztlich vor allem gegen die Erdölindustrie des Landes richteten. In der Folge kam es zu schwerwiegenden Problemen im Transportwesen, bei der Bildung, in der Gesundheits- und der Lebensmittelversorgung. Verschärft wurden die Maßnahmen Anfang vergangenen Jahres, als die westlichen Regierungen den Oppositionspolitiker Juan Guaidó als „Übergangspräsidenten“ Venezuelas anerkannten. Unter dem Vorwand, dieser sei der „legitime Vertreter“ des südamerikanischen Landes, wurde der gewählten Regierung von Präsident Maduro der Zugriff auf die im Ausland liegenden Vermögenswerte entzogen. Anfang Oktober bezifferte der Staatschef die Verluste allein durch die Blockade der Konten auf 33 Milliarden US-Dollar. Insbesondere traf es die in den USA aktive Tankstellenkette Citgo, eine hundertprozentige Tochter des staatlichen venezolanischen Erdölkonzerns PDVSA. Ihre Aktiva wurden „eingefroren“, formal sollten sie den von Guaidó benannten Vertrauensleuten übergeben werden. Im Juni wurde allerdings bekannt, dass die US-Regierung die Venezuela gestohlenen Gelder unter anderem für den Bau der Mauer zu Mexiko eingesetzt hat.
Lange versuchte Venezuelas Regierung, die Folgen des Wirtschaftskrieges kleinzureden. Zwar beklagte man die schwerwiegenden Konsequenzen für die Bevölkerung, im eigenen Land wurde jedoch Normalität vorgespiegelt. Über die Versorgungsprobleme, regelmäßige Stromausfälle und dramatische Zustände in vielen Krankenhäusern wurde in den staatlichen Medien praktisch nicht berichtet. So überließ man die Darstellung der Situation privaten und ausländischen Kanälen. Zugleich setzte ein schleichender Privatisierungsprozess ein. So stehen mehrere früher staatliche Supermarktketten inzwischen unter der Kontrolle venezolanischer oder ausländischer Unternehmer. Schon 2018 sprach Landwirtschaftsminister Wilmar Castro Soteldo von einer „revolutionären Bourgeoisie“, die eine Schlüsselrolle bei der Erholung der Wirtschaft spielen solle.
Auf scharfen Widerspruch stößt der Kurswechsel der sich nach wie vor als sozialistisch verstehenden Regierung bei ihren bisherigen linken Bündnispartnern. Am 5. Oktober veröffentlichte die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) eine Stellungnahme zum „Anti-Blockade-Gesetz“, in dem Generalsekretär Oscar Figuera es als weitere Schwächung des Landes gegenüber der Aggression bezeichnete. „Das Verhängen von Sanktionen, Blockaden sowie einseitigen und illegalen Zwangsmaßnahmen führen offensichtlich zum Niedergang der nationalen wirtschaftlichen Aktivität, wodurch das arbeitende Volk in der Stadt und auf dem Land das Hauptopfer dieser Politik äußerer Einmischung ist.“ Es müsse deshalb Schluss damit sein, dass die inländischen Marionetten der imperialistischen Pläne straffrei blieben, kritisiert die PCV das Verschonen Guaidós und anderer Politiker. Sie müsse „das volle Gewicht der nationalen Gesetze“ treffen.
Das von Maduro vorgelegte Gesetz stelle jedoch keine wirksame Maßnahme gegen die Aggression dar. Vielmehr werde es dazu führen, dass die Folgen der Krise noch mehr auf die Arbeiterklasse abgewälzt würden. Die Regierung versuche durch das Gesetz, ihre den Interessen des Kapitals untergeordnete Wirtschaftspolitik zu rechtfertigen und zu legalisieren. Die der Regierung mit diesem Gesetz verliehenen Sondervollmachten bedeuteten de facto eine teilweise Aufhebung der geltenden Verfassung Venezuelas. „Damit versucht die Regierung, die Übergabe unserer Erdölindustrie an das transnationale Kapital, die Rückgabe der Ländereien an die Großgrundbesitzer und die Rückgabe der nationalisierten Unternehmen an die Privatwirtschaft umzusetzen“, kritisieren die Kommunisten. Ökonomische Bereiche, die in der Verfassung dem Staat vorbehalten werden, würden für das Monopolkapital geöffnet, dem zudem Garantien versprochen werden, die den Bestimmungen der Verfassung widersprechen. Man verletze sogar die nationale Souveränität, indem ausländischen Konzernen das Recht eingeräumt werde, vor internationalen Gerichten zu klagen, wenn sie ihre Interessen verletzt sehen. Die PCV ruft zur Verteidigung der Verfassung gegen die Privatisierungspläne und das Nachgeben gegenüber dem Imperialismus auf.