Der Schritt hat es in sich. Der Quad-Pakt, das lockere Bündnis der USA mit Japan, Australien und Indien, hat auf seinem Gipfeltreffen Anfang vergangener Woche beschlossen, ein gemeinsames Überwachungssystem aufzubauen, um im Indischen und im Pazifischen Ozean den illegalen Fischfang zu kontrollieren. Klingt harmlos? Ist es aber nicht. Es ist vielmehr, so hat es Ramon Pacheco Pardo formuliert, der am Londoner King’s College Internationale Beziehungen lehrt, „der erste explizite Schritt gegen China, den das Quad unternommen hat“. Und das aus mehreren Gründen.
Der erste: Um chinesische Fischerboote gibt es immer wieder Streit – und sei es nur, weil sie in Gewässern rings um Inseln im Südchinesischen Meer fischen, die außer der Volksrepublik auch andere Anrainerstaaten für sich beanspruchen. Sie geraten künftig also ins Visier des neuen Quad-Überwachungssystems. Dasselbe trifft auf diejenigen Fischerboote zu – und von diesen gibt es viele im Süd- und im Ostchinesischen Meer, beileibe nicht nur chinesische –, deren Aufgabe weniger im Fischen besteht als vielmehr darin, handfest Präsenz zu zeigen, Hoheitsansprüche zu demonstrieren, nämlich rings um die erwähnten heftig umstrittenen Inseln. Oft wird bei ihnen von maritimen Milizen gesprochen. Auch in diesem Fall darf man davon ausgehen: Der Quad-Pakt wird vermutlich besonders die chinesischen unter ihnen kontrollieren. Allein schon dies schafft erhebliches Konfliktpotenzial.
Und es kommt hinzu: Langfristig wird sich der Quad-Pakt wohl kaum darauf beschränken, nur Fischerboote zu beobachten. Er wird früher oder später, so vermutete es Hu Bo, Leiter der South China Sea Strategic Situation Probing Initiative, in der „Global Times“, anfangen, Schiffe der chinesischen Küstenwache, schließlich auch chinesische Kriegsschiffe in den Blick zu nehmen. Damit steigt das Eskalationspotenzial erneut. Umso mehr, als langfristig eine Quad-Erweiterung nicht ausgeschlossen werden kann: Der neue südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol hatte im Wahlkampf mit der Ankündigung geworben, Südkoreas Kooperation mit dem antichinesischen Pakt ausbauen zu wollen. Das triebe die offen gegen China gerichtete Bündnisbildung in der Asien-Pazifik-Region weiter voran – ähnlich, wie sich die NATO in Europa mit ihrer Osterweiterung gegen Russland in Stellung brachte. Wozu Letzteres beitrug, ist bekannt.
Bringt der Quad-Pakt mit seinen Vorstößen China in die Defensive? Nun, Peking nimmt sie keineswegs passiv hin. Im April ist es der Volksrepublik gelungen, an anderer Stelle in die Offensive zu kommen: im Südpazifik. Sie hat ein Sicherheitsabkommen mit den Salomonen geschlossen, einem Inselstaat gut 2.000 Kilometer nordöstlich von Australien, der Teil eines Rings von Inseln um Nord- und Nordostaustralien ist. Das Abkommen sieht vor, dass die Regierung der Salomonen im Fall größerer Unruhen chinesische Polizei zur Unterstützung anfordern kann – und dass chinesische Kriegsschiffe auf den Salomonen anlegen dürfen, um dort Versorgungsmaterial an Bord zu nehmen. Keine Frage: Für Australien – und für die USA – war das eine schwere Pleite.
Und es blieb nicht dabei. Ende vergangener Woche unterzeichneten China und Kiribati, ein weiterer Inselstaat im Südpazifik, mehrere Kooperationsabkommen. Weitere Vereinbarungen mit bis zu zehn südpazifischen Inselstaaten sollten folgen, darunter solche, die Polizeiausbildung durch die Volksrepublik sowie Kooperation in puncto Cybersicherheit und Dateninfrastruktur vorsehen. Sie bänden die südpazifische Inselwelt zumindest teilweise deutlich enger an China an. Für Australien und die USA wäre dies mit einem schmerzlichen Einflussverlust verbunden. Kein Wunder, dass sich vor allem Australien mit Händen und Füßen gegen die chinesischen Vorstöße zur Wehr setzt: Sucht der Quad-Pakt mit seiner neuen Überwachungsinitiative in die Offensive zu gehen, so fällt er an anderer Stelle zurück.