In der vergangenen Woche wurde der millionenschwere Sponsorendeal bekannt, den der Fußballclub Borussia Dortmund mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall geschlossen hat. UZ sprach mit Oliver Wiebe, Vertreter der Fanhilfe Magdeburg, über den Versuch des Sportswashings, Fanproteste und mögliche Kooperationen mit der Friedensbewegung.
UZ: Der vor Kurzem bekannt gewordene Werbedeal zwischen dem Rüstungskonzern Rheinmetall und dem BVB schlägt in der Friedensbewegung hohe Wellen. Ist der Deal bei den Fans schon angekommen?
Oliver Wiebe: Das Sponsoring von Rheinmetall hat bei vielen Fußballfans für Gesprächsstoff gesorgt – über die Grenzen Dortmunds hinaus. Aktive Fußballfans haben einen klaren moralischen Kompass und sie stehen nicht nur der wachsenden Kommerzialisierung des Fußballs, sondern auch Rüstungskonzernen und Kriegsprofiteuren wie Rheinmetall kritisch gegenüber. Dieser moralische Kompass, geprägt durch gemeinsame Wertevorstellung, die oft die über die Vereinsgrenzen hinaus aktive Fanszene charakterisieren und sich ähneln, wünscht sich eine Rückkehr zu einem ehrlichen, traditionsbewussten Fußballsport. Rheinmetalls millionenschweres Engagement gehört nicht zu dieser gemeinsamen Wertevorstellung und deshalb regt sich auch breiter Protest. Die dominierende Ultra-Gruppe des BVB hat sich beim Champions-League-Finale positioniert und mit einem Spruchband deutlich gemacht, dass sie nicht wollen, dass der BVB Rheinmetall mit diesem Deal zu einem Saubermann-Image verhilft.
UZ: Wie wird dieses Sponsoring der Waffenindustrie bisher in den Fanzusammenhängen diskutiert?
Oliver Wiebe: Die BVB-Fanabteilung hat Zweifel an einer Vereinbarkeit mit den Werten des Vereins geäußert. Das bundesweit bekannte Fanmedium „Schwatzgelb.de“ hat betont, dass der BVB das Ziel klar verfehlt hat. Dieser Deal sollte klammheimlich durchgeführt werden, ohne großen Protest auszulösen. Als der BVB nach dem Hintergrund des neuen Sponsorings gefragt wurde, griffen die Vereinsbosse in die Trickkiste und machten deutlich, dass es ihnen nicht allein um das Geld ginge, sondern darum, etwas für die Sicherheit des Landes beitragen zu wollen. Mit dieser Äußerung machte sich die BVB-Führung am Ende noch mehr Feinde unter den Fans, die sich hintergangen und in die Irre geführt sehen, ein durchsichtiges Spiel. Der fünftgrößte Verein der Welt soll einem Rüstungskonzern dazu verhelfen, sein Image zu polieren und sich in der Gesellschaft als anerkanntes Unternehmen zu etablieren. Das nennt sich Sportswashing. Ein Paradebeispiel dieses abscheulichen Sportswashings haben wir bei der letzten Weltmeisterschaft 2022 in Katar erlebt, wo sich der arabische Ölstaat als weltoffen zeigen wollte. Parallel dazu gab es nicht nur hunderte verunglückte, verstorbene und verletzte Arbeiter auf den WM-Baustellen in Katar, sondern seit Jahren anhaltende Verletzung von Menschenrechten, fehlende Gleichberechtigung und Verfolgung von Homosexuellen in Katar, wovon abgelenkt werden sollte.
UZ: Gab es schon einmal vergleichbare Werbeverträge im Fußballbereich?
Oliver Wiebe: Seit Jahrzehnten kämpfen Fans gegen wachsende Kommerzialisierung und gegen Strukturen, wie sie etwa in England herrschen, wo einzelne Oligarchen Vereine wie Spielzeuge besitzen, die einzig und alleine ihnen gehören und keinerlei Mitbestimmung durch die Fans mehr möglich ist. Auch hierzulande sollte allen Fans klar sein: Profifußball geht nur noch mit viel Geld und Sponsoringverträgen in Millionenhöhen. Aber in Deutschland gibt es eben auch immer noch die sogenannte „50+1-Regel“. Nahezu alle Profimannschaften sind in Form von GmbHs organisiert. Die 50+1-Regel garantiert, dass die Mehrheit der Stimmanteile in diesen GmbHs in den Händen des von Mitgliedern bestimmten Vereins liegen. Eine Übernahme durch einzelne Sponsoren wird somit verhindert. Allerdings erleben Fans in aller Regelmäßigkeit Angriffe auf diese Mitbestimmungsregel, die etwa durch den Hörgerätehersteller Kind in Hannover permanent kritisiert wird. Deals mit anderen Rüstungskonzernen sind mir nicht bekannt, aber es gibt immer wieder Sponsoring-Verträge, die für viel Kritik sorgen, wie der Einstieg von Gazprom bei Schalke 04 oder von Red Bull in Leipzig.
UZ: Müsste dem BVB-Vorstand nicht klar sein, dass dieser Deal nicht besonders gut ankommt, oder glauben Sie, er setzt auf Gleichgültigkeit der Fans?
Oliver Wiebe: BVB-Chef Watzke und der gesamte Vorstand von Borussia müssen anscheinend in einer ganz anderen Welt unterwegs sein. Obwohl der BVB eine professionelle Fanbetreuung unter den Vereinsmitarbeitern aufgebaut hat, schien dem Vorstand nicht klar, welche Welle der Entrüstung ihnen bei diesem Deal entgegenschlägt. Oder ist es dieser Vereinsführung schlichtweg egal, was die Menschen denken, die seit Jahren den Verein, seine Fankultur und Tradition nach außen tragen? Anders lässt sich das nicht erklären. Dieser Deal zeigt den massiven Einfluss des Geldes auf den Fußball, der – trotz aller Widerstände der Fans – einfach von oben durchgedrückt wird. Das ist ein zutiefst undemokratisches und egoistisches Handeln der Vereinsbosse, gegen das die Fans jetzt zu Recht aufbegehren. Wie groß die Macht einer Fanszene werden kann, wird die Vereinsführung des BVB sicher noch merken.
UZ: Wie politisch sind Fan-Initiativen heute und was sind ihre Themen?
Oliver Wiebe: Es gibt einen Spruch, der heißt: Fußball ist Fußball und Politik ist Politik. Dieser Spruch ist völlig verfehlt. Das haben wir spätestens in der gerade zu Ende gegangenen Saison bemerkt. Fans haben massenweise gegen den Einstieg eines Investors bei der DFL protestiert und dabei Erfolg gehabt. Der Protest war kreativ, es wurden Tennisbälle von den Fanblöcken aufs Spielfeld geworfen, um mit einfachen Mitteln zu zeigen, welche Einflussmöglichkeiten die Fans auf das Geschäft mit dem Fußball haben. Etliche Fanszenen machten klar: Es darf keinen weiteren Ausverkauf des Fußballs geben! Am Ende wurde der Einstieg verhindert. Ein ähnliches Bild zeigt sich gerade bei der Arbeit der zahlreichen Fanhilfen in Deutschland, die gegen die zunehmende Überwachung der Fans und Repression durch die Polizei protestieren. Gerade vor der Europameisterschaft im eigenen Land drohen Fans hierzulande bisher kaum dagewesene Überwachungsmaßnahmen durch eigens entwickelte Polizei-KIs, Schnellgerichte oder lebenslange Stadionverbote. Diese tiefgreifenden Grundrechtsverletzungen müssen verhindert werden, dafür machen sich Fanhilfen stark.
UZ: Gehen Sie davon aus, dass es antimilitaristische Proteste aus dem Fan-Bereich geben wird? Sinnvoll wäre sicher auch ein Zusammengehen mit der Friedensbewegung, die viel Fachwissen und eine eigene Protestkultur mitbringt. Eine erste Kundgebung vor dem BVB-Stadion hat bereits stattgefunden. Halten Sie das für realistisch?
Oliver Wiebe: Fanszenen handeln erst einmal für sich und agieren aus ihrer eigenen Logik heraus. Gerade in Dortmund stehen Tausende im Fanblock, eine gelbe Wand. Das ist eine Machtdemonstration für sich, die erst einmal keine weiteren Bündnisse benötigt. Dennoch kann es natürlich gut möglich sein, dass sich kommende Fanproteste ausweiten und es einen Zusammengang gibt. Wichtig ist jetzt erst einmal das weitere kritische Agieren der Dortmunder Fanszene sowie Bekenntnisse anderer großer Fanszenen.
Das Gespräch führte Henning von Stoltzenberg