Im griechischen Distomo wütete die Wehrmacht – Deutschland lehnt Entschädigung bis heute ab

Ein deutsches Massaker

Von Jochen Vogler / UZ

Am 10. Juni 1944 überfielen Angehörige der 4. SS-Polizei-Panzergrenadier-Division den griechische Ort Distomo. 218 Dorfbewohner – vom Säugling bis zum Greis – wurden von ihnen abgeschlachtet. Mit ihrem Massenmord nahmen die deutschen Besatzer Rache für einen Partisanenangriff, der sich etliche Kilometer entfernt ereignet hatte.

Mitte der 90er Jahre reichten die Überlebenden des Massakers in Distomo eine Entschädigungsklage gegen die Bundesrepublik ein. Das zuständige Landgericht von Levadia verurteilte die BRD 1997 zur Zahlung von etwa 60 Millionen DM an die Opfer. Die Bundesregierung hatte sich geweigert, an dem Verfahren teilzunehmen, legte jedoch Rechtsmittel gegen das Urteil ein. Der Oberste Gerichtshof in Athen bestätigte das Urteil in letzter Instanz. Doch die Bundesrepublik weigert sich zu zahlen. Alle Klagen vor deutschen Gerichten wurden abgewiesen.

In der Bundeswehr wird die Erinnerung an die Gebirgsjäger der Wehrmacht als „Helden“ gepflegt

In der Bundeswehr wird die Erinnerung an die Gebirgsjäger der Wehrmacht als „Helden“ gepflegt

( Jochen Vogler / r-mediabase.eu)

Distomo steht nicht allein, sondern ist lediglich ein Beispiel für die mörderische Brutalität der deutschen Besatzungspolitik in Griechenland zwischen 1941 und 1944. Mehrere hundert Dörfer und Kleinstädte wurden von Wehrmacht und SS zerstört, ihre Einwohner auf bestialische Weise ermordet. Etwa 90 000 Griechinnen und Griechen wurden Opfer von Geiselerschießungen und anderen „Strafaktionen“. Fast 58 000 Jüdinnen und Juden wurden in KZ verschleppt oder an Ort und Stelle umgebracht. Hunderttausende verhungerten in Folge der wirtschaftlichen Ausplünderung des Landes durch die deutsche Besatzungsmacht; unzählige Menschen wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert

Ausstellung in Distomo: Die Opfer klagen an

Ausstellung in Distomo: Die Opfer klagen an

( Jochen Vogler / r-mediabase.eu)

Es waren Gebirgsjägereinheiten der Wehrmacht, die in zahlreichen Ortschaften in Griechenland, auf dem Balkan, in Italien grausame Massaker verübten, plünderten und die Ortschaften in Schutt und Asche legten.

Im 1952 gegründeten Kameradenkreis der Gebirgsjäger in Mittenwald pflegen die Veteranen dieser Truppen und seit Gründung der Bundeswehr auch wieder aktive vormalige Wehrmachtssoldaten ihre „Helden“-Erinnerungen und Strafvermeidungsstrategien.

Seit 1957 findet alljährlich im Mai am 1956 errichteten Gedenkmal auf dem als Bundeswehrgebiet ausgewiesenen Areal die Brendtenfeier statt.

Gemeinsam mit dem Kameradenkreis gedenken dort die Gebirgsjägereinheiten der Bundeswehr der toten Soldaten aus den zwei Weltkriegen und inzwischen auch der Bundeswehreinsätze. Nur halbherzig werden in den Redebeiträgen die Traditionslinien der Wehrmacht mit der Bundeswehr relativiert. Die Opfer der Kriegsverbrechen bleiben unerwähnt.

Teilnehmer der „liberation-tour 2019“ in Distomo

Teilnehmer der „liberation-tour 2019“ in Distomo

( Jochen Vogler / r-mediabase.eu)

Die terminliche Nähe zwischen dem Gedenken auf dem Hohen Brendten zur Soldatenehre und dem Opfergedenken in Distomo verband die „liberation-tour 2019“ mit den noch immer unerledigten Entschädigungsforderung an die deutsche Politik bei Veranstaltungen und Aktionen in München, Mittenwald und Distomo.

Begleitet wurde die „tour“ von Pandora Ndoni, sie hatte als siebenjähriges Mädchen das Massaker 1943 in ihrem Heimatdorf Borove (Albanien) überlebt, von Aristomenis Syngelakis, Mitglied des Nationalrats für die Entschädigungsforderungen Griechenlands gegenüber Deutschland, Triantafylles Mitafidis, Mitglied des griechischen Parlaments und Präsident der überparteilichen Parlamentskommission zur Schuldenfrage von Deutschland an Griechenland und dem griechischen Filmemacher Chrysanthos Konstantinidis.

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"Ein deutsches Massaker", UZ vom 28. Juni 2019



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