Wie kann ein schwarzer Ministerpräsident seine bisherigen Wähler davon abhalten, zur AfD zu wechseln? Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) versucht es – wie bei den vergangenen Wahlen auch –, indem er vor einer linken Regierung warnt: „Wer AfD wählt, bekommt in Hessen Rot-Rot-Grün“, zitiert ihn die „Frankfurter Rundschau“. Nach den letzten Umfragen ist nach den Wahlen am
kommenden Sonntag eine Mehrheit von SPD, Grünen und Linkspartei im hessischen Landtag nicht ausgeschlossen, wenn zu viele Wähler von der CDU weiter nach rechts wandern, könnte das Bouffier die Mehrheit kosten.
„Warnungen vor Rot-Rot-Grün werden langsam ein bisschen albern“, sagte die Spitzenkandidatin der Linkspartei, Janine Wissler, dazu. Schon bei den Landtagswahlen 2008 und 2013 hatten SPD, Grüne und Linkspartei über eine Koalition oder eine Tolerierung gesprochen. An der Linkspartei sei es nicht gescheitert, stellte deren Bundesvorsitzender Bernd Riexinger nun noch einmal fest.
In der Koalition mit der CDU fühlen sich die hessischen Grünen eigentlich wohl, man nimmt Rücksicht aufeinander, der Landes- und Koalitionsvater Bouffier lässt den Grünen Raum, um sich zu profilieren. Nachdem er 2013 die Koalition mit den Grünen vereinbart hatte, verkündete er: „Man muss auch gönnen können.“ Sein grüner Stellvertreter Al-Wazir gönnte sich: kosmetische Lärmschutzmodelle statt gegen den Flughafenausbau vorzugehen, statt die Abschottung gegen Flüchtlinge zu blockieren, hat die hessische Landesregierung sie grundsätzlich mitgetragen.
Allerdings könnte es für Schwarz-Grün keine Mehrheit geben. Die sogenannten Volksparteien müssen mit Verlusten von 10 Prozentpunkten rechnen, die Grünen werden dazugewinnen. In Hessen zeigen sich dieselben Tendenzen wie in anderen Ländern und im Bund: Eine „Große Koalition“ wäre nicht groß genug für eine eigene Mehrheit. Möglich könnte sogar Grün-Rot-Rot werden: Eine Koalition aus Grünen, SPD und Linkspartei, in der Al-Wazir sich den Sessel des Ministerpräsidenten gönnen könnte.
Die hessische CDU hat eine besonders reaktionäre Tradition: Ihr Vorsitzender Alfred Dregger war ein Symbol des Stahlhelm-Flügels der CDU. Dreggers Nachfolger als Landesvorsitzender war Manfred Kanther, der als Kohls Innenminister für Law and Order zuständig war. 1999 zog Roland Koch mit einer rassistischen Unterschriftensammlung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft in den Wahlkampf. Bouffier verdiente sich als Kochs Innenminister den Namen „Schwarzer Sheriff“ – und führte anschließend die hessische CDU in die Koalition mit den Grünen.
Die hessische CDU ist nicht nur durch ihre reaktionäre Tradition, sondern auch durch die Bedeutung persönlicher Seilschaften geprägt. Bouffier ist aufgestiegen, indem er unter anderem unter Roland Koch Kontakte gepflegt und gegenseitiges Händewaschen geübt hat. Zu seiner Linie gehört auch, seinen Landesverband und seine Regierung nicht in zu starken Widerspruch zu Kanzlerin Merkel zu bringen, er gilt als einer ihrer Unterstützer und macht mit ihr gemeinsam Wahlkampf. Eine Niederlage Bouffiers wäre damit auch eine Niederlage für Merkel, sie würde den Widerstand in der Union gegen die Kanzlerin verstärken. Hinter der Wahl in Hessen steht damit wieder die Frage, auf welche Weise die Union ihre Kanzlerin ersetzen wird und welchen Kurs sie danach einschlagen wird.
Eine Koalition zwischen CDU, FDP und AfD hätte nach den Umfragen ebenfalls keine Mehrheit, Bouffier schließt ein Bündnis mit der AfD aus. Dabei liegt diese Möglichkeit so nahe: Alexander Gauland zum Beispiel ist ein Geschöpf der hessischen CDU, unter dem Ministerpräsidenten Wallmann leitete er von 1987 bis 1991 die Staatskanzlei. Für eine Koalition mit der AfD ist die Union noch nicht bereit, mit Merkel als Kanzlerin wird sie nicht möglich sein, zumindest in diesem Jahr wird sie den Hessen erspart bleiben.