Auf der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee in Oswiecim bei Krakau hatten die Überlebenden das Wort. Die Anzahl der Zeitzeugen wird von Jahr zu Jahr geringer. In diesem Jahr waren es noch etwa 50 Überlebende, die sich auf die Reise nach Polen gemacht haben. Reden von Politikern hatten sie sich verbeten. Dass sie über die Gästeliste mitentscheiden konnten, ist unwahrscheinlich.
In diesem Jahr fand die Gedenkfeier ohne Vertreter Russlands statt. Sie waren ausgeladen worden. Gedenkstättenleiter Piotr Cywiński begründete gegenüber dem „Spiegel“: „Weil sie nicht verstehen, was Freiheit bedeutet. … Heute vergewaltigt, tötet und missbraucht ein Teil der Befreier von damals.“ Stattdessen saß der ukrainische Präsident und Nazi-Freund Wladimir Selenski stellvertretend für die Befreier unter den Gästen. Der nutzte die Gelegenheit für Kriegstreiberei und beriet am Rande der Feierlichkeiten mit dem französischen Präsidenten Macron über die Fortsetzung des Krieges und einen EU-Beitritt der Ukraine.
In Berlin hat die Künstlerin Heidrun Hegewald ein anderes Zeichen gesetzt. Sie dankte den Befreiern mit einem ihrer Werke. Bei einer feierlichen Zeremonie in der russischen Botschaft übergab sie ihre Zeichnung „27. Januar 1945“, die einen KZ-Häftling in den Armen eines Soldaten der Roten Armee zeigt, an Botschafter Sergei J. Netschajew. Hegewald betonte, die Sowjetunion habe für die Befreiung Europas und Deutschlands vom Nazismus einen hohen Preis gezahlt – 27 Millionen Menschenleben. Man solle das nie vergessen. Dass die Gedenkveranstaltungen in Auschwitz ohne Vertreter Russlands stattfinden, rufe bei ihr Empörung und Scham hervor. Hegewald war Mitglied des Präsidiums des Verbandes Bildender Künstler der DDR und wurde vielfach ausgezeichnet.
In Auschwitz ermordeten die Faschisten von 1941 bis 1945 mindestens 1,1 Millionen Juden, Polen, Sinti, Roma und sowjetische Kriegsgefangene. Der Lagerkomplex wurde am 27. Januar 1945 von der 1. Ukrainischen Front der Sowjetunion befreit. In ihren Reihen kämpften Angehörige fast aller Nationalitäten der damaligen Sowjetunion – darunter Russen und Ukrainer.