Nordnorwegen ist ein NATO-Stützpunkt

Ein Bauer im Machtspiel

Terje Alnes

Norwegen besitzt keine glaubwürdige eigene Verteidigung seines Territoriums mehr. Die meisten Vorbehalte, die in den ersten 50 Jahren der NATO-Mitgliedschaft parteiübergreifend bestanden, wurden aufgegeben und das Land für ausländische Streitkräfte geöffnet. Man kann fast von einem Outsourcing der Verteidigung Norwegens sprechen. Die führenden westlichen imperialistischen Mächte haben sich auf norwegischem Gebiet niedergelassen.

Zum ersten Mal seit den 1980er Jahren operierten Anfang Mai vier amerikanische Kriegsschiffe in der Barentssee. In diesem Zusammenhang erklärte Verteidigungsminister Frank Bakke-Jensen: „Norwegen begrüßt eine verstärkte Präsenz der Alliierten in unseren Gebieten.“

Allein in den letzten Monaten gab es eine Serie von Meldungen, dass Norwegen – zu Lande, zu Wasser und in der Luft, ja sogar im Weltraum – als Aufmarschgebiet gegen Russland genutzt wird.

Anfang 2017 wurden 330 US-Marines in Værnes stationiert. Bis heute ist ihre Zahl auf 700 gestiegen. Seit vielen Jahren kommen britische Soldaten zum Wintertraining nach Norwegen. 2018 kündigten die Briten an, ihre „Präsenz“ zu erhöhen, sie würden 2019 800 Soldaten schicken und 2020 noch mehr. In diesem Jahr haben 4.400 ausländische Soldaten die Provinz Troms für Übungen genutzt, das sind mehr als die gesamte Nordbrigade der norwegischen Armee.

Im Zusammenhang mit der zunehmenden „Präsenz“ der Briten in Norwegen wurde auch bekannt, dass sie militärische Ausrüstung in Troms lagern. Die USA lagern seit den 1980er Jahren militärische Ausrüstung in Trøndelag. Eine neue, detailliertere Vereinbarung kam 2019 zustande. Die Lager wurden modernisiert und bestehen aus acht Einrichtungen – sechs Bergstollen und den Luftwaffenstützpunkten Værnes und Ørland. Das „Marine Corps Prepositioning Program Norway“ hat jedoch eine andere Struktur als in den 1980er Jahren. Die Lager waren ursprünglich für den Bedarf in einer Krise oder einem Krieg in Norwegen vorgesehen. Nun handelt es sich um ein Vorratskonzept, das nicht auf Norwegen begrenzt ist.

Am 20. Mai führte ein B-1-Lancer eine Übung mit vier norwegischen F-35 im norwegischen Luftraum durch. Der B-1-Lancer ist ein strategischer Langstreckenbomber, ursprünglich mit Atomwaffen ausgerüstet, seit den 1990er Jahren aber konventionell bewaffnet. Seit 2001 ist dieser Typ an Kampfhandlungen über Afghanistan und dem Irak beteiligt.
Am 3. Juni übten norwegische F-35- und F-16-Kampfflugzeuge mit einer B-52 Stratofortress im internationalen Luftraum nördlich der Finnmark. Die B-52 ist seit den 1950er Jahren das Rückgrat des Strategic Air Command (SAC) der US Air Force. Das Flugzeug kann bis zu 20 Nuklearwaffen transportieren. Ob die B-52, mit der die Norweger übten, Atomwaffen trug, ist nicht bekannt.

Bis jetzt ist Haakonsvern bei Bergen die einzige norwegische Basis, die Atom-U-Boote der NATO aufnehmen kann. Im Mai wurde bekannt, dass die Stadt Tromsø gezwungen wurde, U-Boote mit Atomantrieb in ihren Hafen zu lassen. Obwohl die Ratsvertreter von Tromsø dies ablehnen, ist die Gemeinde an das Hafengesetz gebunden, wonach die Aufnahme aller Arten von Kriegsschiffen verbindlich ist.

Einem Bericht der norwegischen Strahlenschutzbehörde zufolge hat die Zahl der Besuche alliierter Schiffe mit Reaktorantrieb in norwegischen Gewässern erheblich zugenommen. Früher waren es 10 bis 15 pro Jahr, heute sind es pro Jahr 30 bis 40 französische, britische und US-amerikanische U-Boote mit Reaktorantrieb. Die Strahlenschutzbehörde spricht von einem erhöhten Risiko, dass Norwegen von einem größeren oder kleineren „Vorfall“ wie Strandung, Kollision, Leckage, Feuer oder schwerem Reaktorunfall in einem dieser Schiffe betroffen wird. Wenn die NATO-Atom-U-Boote in Tromsø anlegen, weiß niemand, was sie an Bord haben. Die norwegischen Behörden führen keinerlei Kontrolle durch.

Seit den 1950er Jahren spielte Norwegen eine zentrale Rolle beim Sammeln von Informationen und fungierte als Auge und Ohr der Vereinigten Staaten gegenüber der Sowjetunion und später Russland. Die Geheimdienste der USA und Norwegens kooperieren beim „Globus“-Radarsystem in Vardø und beliefern das „U.S. Strategic Command“, das für den Einsatz von Atomwaffen und für militärische Operationen im Weltraum zuständig ist.

Ein Upgrade dieses Radars – Globus III – wird nach Angaben der Streitkräfte im Jahr 2022 in Betrieb gehen. Es ist bekannt, dass russische Kampfjets mindestens zweimal Angriffe auf das Radar simuliert haben. Dies schafft Angst in Vardø. Der Bürgermeister verweist auf die Genfer Konvention, die eine die Vermeidung militärischer Ziele in der Nähe besiedelter Gebiete sowie eine Maßnahme zum Schutz der Zivilbevölkerung fordert.

Das Andøya Space Center war bisher ein Zentrum für den Start von Forschungsraketen und wissenschaftlichen Ballons. Jetzt werden Vorbereitungen getroffen, um die Einrichtung für militärische Zwecke zu nutzen. Vertreter der USA, Britanniens und anderer NATO-Länder haben das Space Center bereits besucht, um die Einrichtung für Militärsatelliten zu nutzen.

Verteidigungsminister Frank Bakke-Jensen hat dem Industrieausschuss des Parlaments, des Storting, mitgeteilt, dass er es für wahrscheinlich hält, dass Angriffe aus dem Weltraum Teil künftiger Konflikte sein werden. Das Parlament hat die militärische Nutzung des Weltraums gebilligt. Das Andøya Space Center hat Gespräche mit den USA und anderen westlichen Ländern über die militärische Nutzung der Anlage bestätigt. Im vergangenen Jahr machte Donald Trump den Weltraum offiziell zur Kriegsarena, als er die „US Space Force“ als Zweig der US Air Force gründete.

Das norwegische Verteidigungsministerium geht davon aus, dass der Waffenhersteller Nammo in Raufoss wahrscheinlich Aufträge für den Ausbau des Andøya Space Port erhalten wird. Nammo kann Raketen und Technologie liefern. So wird der „Satellitenkrieg“ als Erfolg verkauft. Geld und Arbeitsplätze gegen das Risiko, Andøya zu einem Ziel für Bomben zu machen.

Im April kündigte das Pentagon an, dass die USA mit Nammo und dem norwegischen Verteidigungsforschungsinstitut (FFI) bei einer neuen Generation von Präzisionswaffen mit großer Reichweite zusammenarbeiten werden. Das Projekt heißt „Tactical High-Speed Offensive Ramjet for Extended Range“, abgekürzt THOR-ER. Nammo wird schnellere und genauere Raketen mit größerer Reichweite als die vorhandenen entwickeln. Der erste Test der THOR-ER-Rakete in Andøya ist für 2021 geplant.

Kongsberg Defence & Aerospace AS hat Verträge mit den vier größten Waffenherstellern der Welt, alle Amerikaner. Im vergangenen Jahr hat der Konzern einen Vertrag mit Lockheed Martin – dem weltweit größten Waffenhersteller – im Wert von bis zu 2 Milliarden Kronen geschlossen. „Dieser Vertrag bestätigt Kongsbergs starke und langfristige Position im F-35-Programm“, sagte Direktor Eirik Lie. Außerdem hat Kongsberg kürzlich einen Vertrag mit Boeing – dem zweitgrößten Waffenhersteller – über die Wartung seines Poseidon-Überwachungsflugzeugs P-8A abgeschlossen, von dem Norwegen fünf gekauft hat. Mit Northrop Grumman – dem drittgrößten Waffenhersteller der Welt – wurde ein Vertrag zur Vergabe von Unteraufträgen über die F-35 abgeschlossen.

Es gibt kaum Gründe, Russland als Bedrohung der nationalen Unabhängigkeit Norwegens zu betrachten. Sich so stark mit den Vereinigten Staaten und der NATO zu verbinden, scheint weit gefährlicher. Norwegen könnte leicht in einen Konflikt verwickelt werden als Teil des großen Machtspiels.

(Aus „Friheten“, Zeitung der Norwegischen Kommunistischen Partei)
Redaktionelle Bearbeitung: Manfred Idler

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"Ein Bauer im Machtspiel", UZ vom 31. Juli 2020



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