Neue Ausstellung zu Willi Münzenberg in Berlin

Ein aufrechter Kommunist

Rüdiger Deißler

Vor neun Interessierten wurde eine neue Ausstellung über den bekannten Kommunisten und Verleger Willi Münzenberg im Gebäude der ehemals sozialistischen Tageszeitung „Neues Deutschland“ eröffnet. Sie trägt den etwas sperrigen Titel „Globale Räume für radikale Solidarität“ – und hat als Anlass den 135. Geburtstag des am 2. Juli 1889 geborenen Kommunisten. Die Ausstellung umfasst 19 Tafeln und hängt eher stiefmütterlich an den Wänden im Vorraum des großen Willi-Münzenberg-Saals. Gegenüber der ersten Ausstellung, die von 2012 an bis vor wenigen Jahren am selben Ort stand, ist sie allerdings deutlich umfangreicher.

Geboren als Sohn eines Gastwirts im Dorf Friemar bei Gotha, begann er zunächst eine Friseurausbildung, die er abbrach, um sodann mit 15 als Hilfsarbeiter in einer Schuhfabrik in Erfurt zu arbeiten. Früh organisierte er sich in der Gewerkschaft und im sozialdemokratischen Bildungsverein, dessen Leitung er nach kurzer Zeit übernahm. Als arbeitsloser Arbeiter ging er 1910 auf Wanderschaft, um sich in der Welt umzusehen und seine beruflichen Fertigkeiten zu vertiefen. Mit 21 Jahren landete er in Zürich. Dort lernte er Lenin und Nadeschda Krupskaja kennen. Diese Zeit in der Schweiz betrachtete er als seine politische Lehrzeit. Nach acht Jahren wurde er im Dezember 1918 als unerwünschter Ausländer ausgewiesen, engagierte sich kurz in Stuttgart, wo er die Zeitschrift „Die rote Flut“ gründete und zog weiter nach Berlin. Berlin war für den umtriebigen Münzenberg „die einzige Stadt, in der man arbeiten kann“.

Die Gründung einer Internationale der bis dahin bestehenden Kommunistischen Jugendorganisationen (KJI) wurde sein Kampffeld. 1920 und 1921 nahm er in der Funktion als Vorsitzender der KJI am II. und III. Kongress der Kommunistischen Internationale (KI) in Moskau teil.

Nach Ende des russischen Bürgerkrieges und der damit verbundenen imperialistischen Interventionskriege auf russischem Boden kam es 1922 in der jungen So­wjet­union zu einer Hungersnot. Er überzeugte die Genossen von der Notwendigkeit des Aufbaus einer eigenen Hilfsorganisation und erhielt dabei die Unterstützung Lenins, womit die IAH, die Internationale Arbeiterhilfe, geboren war. Münzenberg wurde Generalsekretär der nicht parteigebundenen Massenhilfsorganisation, welche weltweit heute unvorstellbare 18 Millionen Einzel- und Kollektivmitglieder in nationalen Sektionen und lokalen Hilfsorganisationen zählte. Sie leistete gemäß eigenem Anspruch „praktische Solidarität gegen Hunger und für Aufklärung“. Und unterstützte mit Suppenküchen, Streikkassen und dem Betrieb von Kinderheimen Arbeiter und Arbeiterfamilien in Notlagen und bei Arbeitskämpfen. Und zwar immer als „Hilfe zur Selbsthilfe“.

Ein späteres Kampffeld dieses unermüdlichen Agitators wurde die Gründung von Zeitungen und Zeitschriften, was ihm den ungewollten Namen eines „Pressezaren“ und eines „roten Hugenberg“ einbrachte. Die erfolgreichste Gründung war die AIZ, die Arbeiter Illustrierte Zeitung, eine Wochenzeitung, die zeitweise eine Auflage von mehr als 500.000 und mehr Exemplaren hatte und eine noch größere Wirkung, da so eine Zeitung in Arbeiterkreisen von Hand zu Hand ging. Sie sollte die Leser durch Veranschaulichung der Welt zur richtigen Weltanschauung führen. Dazu wurde politische Collagen genutzt, Gedichte, Geschichten und Romane in Fortsetzung. Bemerkenswert ist die globale Sichtweise und der frühe Internationalismus, der hier propagiert wurde mit Informationen über die antikolonialen Kämpfe in Afrika, Asien und Lateinamerika. Gezielt sollte das politische Auge des Arbeiters gefördert werden. Ab 1933 erschien die AIZ bis zum deutschen Überfall auf die Tschechoslowakei 1938 im Exil in Prag mit verringerter Auflage als „Volks-Illustrierte“.

Auch die KPD-nahe Tageszeitung „Die Welt am Montag“ war eine erfolgreiche Gründung Münzenbergs. Der erfolgreichste Verlag seiner Schöpfung war der NDV, der Neue Deutsche Verlag, der im linken Bündnisbereich ein breites Spektrum von Meinungen vertrat.

Beim Medium Film gelang ihm mit der Gründung der Filmgesellschaft Prometheus/Meshraprom ein Überraschungscoup. Hier wurden ab 1921 mehr als 600 Filme aller Art, darunter so berühmte wie „Kuhle Wampe“ (1932) von Bert Brecht und Slatan Dudow und „Panzerkreuzer Potemkin“ produziert. 1936 kam es zur Auflösung der Filmgesellschaft in der So­wjet­union durch Beschluss des ZK der Allunions-KP.

Münzenberg war zusätzlich zu seinen umfangreichen Tätigkeiten von 1924 bis 1933 Reichstagsabgeordneter und seit 1927 bis zu seinem Ausschluss 1938 Mitglied im Zentralkomitee der KPD. Tatkräftig unterstützt wurde er seit 1924 von seiner gleichaltrigen Lebensgefährtin Babette Groß aus Potsdam, deren Schwester Margarete Buber-Neumann ebenfalls in der kommunistischen Bewegung aktiv war.

Im Exil verstärkte er den Kampf gegen den Faschismus durch seine erfolgreiche Bündnisarbeit mit der Durchführung des Volksfront-Kongresses 1935 in Paris, an dem auch Thomas Mann teilnahm. Bereits 1933 koordiniert er die Zusammenstellung und Herausgabe des in etlichen Auflagen 1933/34 erschienenen berühmten „Braunbuchs über Reichstagsbrand und Hitlerterror“.

Ab 1936, als in Moskau die ersten politischen Prozesse gegen frühere ranghohe Kommunisten begannen, wuchsen bei Münzenberg die Zweifel an der Richtigkeit der Politik des von Stalin geführten ZK der KPR. 1938 wurde er aus dem ZK der KPD ausgeschlossen, im März 1939 verließ er die Partei. In seiner Exilzeitschrift „Die Zukunft“ – Ein neues Deutschland. Ein neues Europa“ polemisiert er in der Ausgabe vom 22. September 1939 gegen den im Spätsommer abgeschlossenen deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt.

Im Mai 1940 nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Frankreich war er als Deutscher in einem Lager im Departement Isère interniert. Am 20. Juni1940 gelingt ihm dort zusammen mit anderen die Flucht. Später wird er im Wald von Montagne bei St. Marcellin tot aufgefunden und dort beerdigt. Die Todesursache lässt die Ausstellung bewusst offen, sieht diese aber im Zusammenhang mit dem Verfolgungsdruck durch den deutschen Faschismus und der Besatzung von Münzenbergs Rückzugsort Frankreich.

Globale Räume für radikale Solidarität
Leben und Wirken von Willi Münzenberg
Franz-Mehring-Platz 1, Berlin
Bis 30. September, täglich 8 Uhr bis 20 Uhr
Eintritt frei

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"Ein aufrechter Kommunist", UZ vom 6. September 2024



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