Die Neue Seidenstraße 2025, Teil II: Afrika und Lateinamerika • Von Uwe Behrens

Ein antikoloniales Projekt

Uwe Behrens

Mehr als 140 Länder auf allen Kontinenten sind Teil der Neuen Seidenstraße (Belt and Road Initiative, BRI). 2013 verkündete der chinesische Präsident Xi Jinping die BRI. Ziel der Neuen Seidenstraße ist es, die Handelsbeziehungen mit dem globalen Süden, insbesondere den Ländern in Südostasien und Zentralasien zu sichern und auszubauen. Im ersten Teil des Beitrags (UZ vom 28. Februar) ging es um die BRI mit Blick auf Asien und Europa.

Die Neue Seidenstraße ist ein Projekt, das die Infrastruktur ausbaut und den innerasiatischen Handel erleichtert. Ähnliches gilt für Afrika. Afrika ist ein Kontinent mit großem natürlichem Reichtum. Die Kolonialmächte haben die Ressourcen ausgebeutet, ohne dass sich Afrika entwickeln konnte. Die Transportverbindungen in den afrikanischen Ländern konzentrierten sich jeweils darauf, Rohstoffe zu den Exporthäfen zu bringen. Ein innerafrikanischer Handel war kaum möglich, die Menschen partizipierten nicht am Geschäft des Rohstoffexports. Die Kolonialherren und ihre Nachfolger fungierten als Eigentümer.

Die Volksrepublik China schlug vor, in den Partnerländern Infrastruktur als Grundlage für die Industrialisierung Afrikas aufzubauen und als Gegenleistung Rohstoffe zu erhalten. Ziel ist es, mit den Einnahmen aus dem Rohstoffhandel eine afrikanische Produktion als Basis für den innerafrikanischen Handel aufzubauen. So soll die Armut, die die Folge der Kolonialisierung durch den Westen ist, überwunden werden. Dafür hat China in Afrika 100.000 Kilometer Straßen und mehr als 1.000 Brücken gebaut, 10.000 Kilometer Schienen verlegt und 100 Häfen errichtet. Die Straßen und Schienen verbinden die Länder untereinander, so dass erstmals ein umfangreicher innerafrikanischer Handel möglich wird.

1012 02 - Ein antikoloniales Projekt - Afrika, Belt and Road Initiative, BRI, China, Globaler Süden, Investitionen, Lateinamerika, Neue Seidenstraße, Zoll - Internationales
Techniker bei den Bauarbeiten am Tiefseehafen Kribi in Kamerun (22. Oktober 2022) (Foto: Kepseu/Xinhua)

Im Jahr 2024 zählte die BRI 33 Sonderwirtschaftszonen mit chinesischer Beteiligung. Mithilfe chinesischer Technologie wurde eine verarbeitende Industrie aufgebaut, deren Produkte nun innerhalb der Afrikanischen Union gehandelt werden können. Doch der Aufbau von Infrastruktur und verarbeitender Industrie ist nicht genug. Er muss durch Technologie- und Wissenstransfer sowie kulturellen und wissenschaftlichen Austausch ergänzt werden. Tausende Studenten aus Afrika studieren in China. Sie müssen sich vor Beginn ihres Studiums verpflichten, nach dem Abschluss ihrer Ausbildung in ihre Heimatländer zurückzukehren, um ihr erworbenes Wissen dort einzubringen. Zudem unterstützen zum Beispiel chinesische Landwirtschaftsexperten afrikanische Bauern beim Anbau verbesserter Pflanzenkulturen oder dabei, brachliegendes Land zu kultivieren.

Neben den Engpässen in der Transportinfrastruktur leidet Afrika unter Energiemangel. Noch immer leben rund 600 Millionen Menschen, etwa 43 Prozent der Bevölkerung des Kontinents, ohne Zugang zu einer zuverlässigen Stromversorgung. Auf dem diesjährigen Afrika-Energiegipfel in Tansania wurde beschlossen, bis 2030 die Stromversorgung für mindestens 300 Millionen Menschen sicherzustellen. Dafür stellt die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) Kredite bereit; etwa 43 Milliarden US-Dollar Finanzhilfe kommen aus China. Die damit geschaffenen Stromerzeugungskapazitäten sollen zu 70 Prozent auf erneuerbaren Energien wie Wasserkraft, Wind- und Solarenergie basieren.

Zusätzlich zu den Investitionen in die Stromerzeugung wurden 14 Milliarden US-Dollar für den Netzausbau in Afrika bereitgestellt. Dabei kommen erstmalig in Afrika Ultrahochspannungs-Übertragungsleitungen zum Einsatz, die mit geringen Verlusten Energie über weite Strecken transportieren können.

Um die Stromversorgung in weniger dicht besiedelten Regionen zu sichern, startete China 2023 das Afrika-Solargürtel-Programm mit einem Investment von 14 Mio. US-Dollar für netzferne Solaranlagen. Damit sollen mehr als 50.000 Haushalte mit Strom versorgt werden. Überkapazitäten an nachhaltigen Energiequellen, wie sie die EU beklagt, entstehen dadurch nicht. Im Gegenteil: Die chinesische Produktion wird dringend gebraucht für die Entwicklung des globalen Südens, wie sie im Rahmen der Neuen Seidenstraße stattfindet.

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Kinder warten am Bahnsteig in Nairobi. Die Bahnstrecke verbindet den größten Hafen Ostafrikas, Mombasa, und die Hauptstadt Nairobi, die beiden größten Städte des Landes. (Foto: Xinhua/Wang Guansen)

Ein Modellprojekt für die Entwicklung Afrikas sind die 2024 übergebenen Kakao-Verarbeitungsbetriebe in Ghana und der Elfenbeinküste. Aus diesen beiden Ländern kommen mindestens 50 Prozent der weltweiten Kakaoernte, die bisher jedoch in Rohform nach Europa verschifft wurde. Die Wertschöpfung aus der Verarbeitung erfolgte in den Ländern der ehemaligen Kolonialherren. Das hat sich mit der Inbetriebnahme dieser Anlagen geändert.

Ein Beispiel für den Wissens- und Technologietransfer ist das hochmoderne Weltraumlabor am Stadtrand von Kairo. Es ist das erste in Afrika, das Satelliten für gemeinsame Raumfahrtprojekte mit China produziert.

Wechseln wir noch einmal den Kontinent: Bei der Zusammenarbeit mit den Ländern Lateinamerikas und den pazifischen Inselstaaten werden ähnliche Prinzipen der Kooperation verfolgt, allerdings angepasst an die konkreten Bedingungen.

Das wichtigste Projekt in Lateinamerika ist der im November 2024 in Betrieb genommene moderne Containerhafen Chancay in Peru, der von Mega-Containerschiffen angelaufen werden kann. Bislang mussten Container aus Lateinamerika erst von Zubringerdiensten zu den US-amerikanischen Basishäfen verschifft und dann von dort mit den transpazifischen Containerdiensten nach Asien verladen werden. Die Transportzeiten zwischen China und Peru, Kolumbien, Ecuador, Chile und künftig auch Brasilien haben sich nun um ein bis zwei Wochen verkürzt.

Auch in Lateinamerika geht es darum, den Rohstoffreichtum der Länder zu nutzen, um Entwicklung zu ermöglichen. Bolivien verfügt zum Beispiel über die größten Lithiumvorkommen der Welt. Lithium ist eine der Kernkomponenten für die Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge. Ein gemeinsames Projekt von Bolivien und China ermöglicht die Verarbeitung vor Ort. Die Wertschöpfung bleibt im Ursprungsland, und qualifizierte Arbeitsplätze werden geschaffen.

Die Neue Seidenstraße ist seit ihrer Eröffnung bis heute sehr lebendig. Sie nimmt immer mehr an Fahrt auf und ist Teil der Veränderung der geopolitischen Landschaft. Die Entwicklung geht weg von der Hegemonie der USA hin zu einer multipolaren Welt mit gleichberechtigten Partnern. Die BRI kann nicht losgelöst von anderen internationalen Projekten wie dem Zusammenschluss der BRICS+, der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) oder des China-Afrika-Kooperationsforum (FOCAC) eingeordnet werden. Für die überwiegende Zahl der BRI-Mitgliedsländer sind die wichtigsten Handelspartner ebenfalls Mitglied der BRI. Ihr Anteil an der Weltbevölkerung beträgt rund 90 Prozent, ihr Anteil am weltweiten Bruttoinlandsprodukt (BIP) allerdings nur etwa 40 Prozent. Dies verdeutlicht, wie notwendig die Entwicklung der beteiligten Länder durch eine für alle Seiten gewinnbringende Zusammenarbeit ist. Umso trauriger ist die Tatsache, dass die EU sich daran nicht beteiligt, sondern sich sogar dagegenstellt.

Während die US-Regierung unter Donald Trump neue Handelsbeschränkungen einführt, tut die VR China das Gegenteil. Sie hat im vergangenen Dezember alle Importzölle für die von der UNO als am wenigsten entwickelt eingestuften Länder aufgehoben. Bei diesen Staaten handelt es sich um 33 afrikanische und 10 asiatische Länder, die vor allem landwirtschaftliche Produkte exportieren.

Das Buch „Der Umbau der Welt – Wohin führt die Neue Seidenstraße?“ von Uwe Behrens ist im Verlag edition ost erschienen (2022, 256 Seiten). Es ist für 18 Euro im UZ-Shop erhältlich. Am 19. Mai 2025 erscheint sein neues Buch „Chinas Gegenentwurf – Ein Weg in die Zukunft.“

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"Ein antikoloniales Projekt", UZ vom 7. März 2025



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