Deutsche Spezialkräfte bilden ohne Mandat des Bundestags Soldaten in Afrika aus

Eigentlich nichts Neues

Von Christoph Marischka

Kürzlich wurde bekannt, dass deutsche Spezialkräfte ohne Mandat des Bundestags in Tunesien, Niger, Kamerun und Jordanien an der Ausbildung von Soldaten beteiligt sind. Dies könnte jedoch nur die Spitze des Eisbergs sein.

Wer es wissen will, konnte es schon lange wissen. Vierteljährlich veröffentlichen die Vereinten Nationen seit Beginn ihrer Mission „MINUSMA 2013“ einen Bericht des Generalsekretärs über die Situation in Mali. Mit nur geringen Variationen in der Formulierung heißt es darin seit Jahren alle drei Monate, dass sich die Sicherheitslage verschlechtert habe und sich der Konflikt zunehmend auf die Nachbarstaaten ausdehne. Die Reihe internationaler Interventionen, die sich nach außen harmlos als Ausbildungsmissionen und als Beitrag zur Stabilisierung verkaufen, hat daran einen nicht unwesentlichen Anteil. Schon das zugrunde liegende „Friedensabkommen“ der MINUSMA-Mission berücksichtigte ausschließlich bewaffnete Gruppen, die Konflikte in Mali benannte es in keiner Weise. Seitdem bildet die Bundeswehr im Rahmen einer EU-Mission (EUTM) Soldaten aus und unterstützt diese im Rahmen der MINUSMA bei der Rückeroberung des Nordens, außerdem organisiert man gemeinsame Patrouillen. Dabei kam es von Anfang an zu Massakern und Überfällen auf andere Bevölkerungsgruppen, die sich ihrerseits bewaffnet haben. Angriffe und Vergeltungsschläge mit Dutzenden Toten, bei denen manchmal ganze Dörfer zerstört werden, sind gerade im zuvor eher ruhigen Zentrum Malis keine Seltenheit mehr.

Dass dieser Konflikt außer Kontrolle gerät, war lange sichtbar. Von Anfang an setzte Malis Armee auf die Zusammenarbeit mit Truppen aus dem Niger, Burkina Faso und dem Tschad – Verbündeten Frankreichs und wesentliche Truppensteller der MINUSMA. Wegen der Unsicherheit im Zentrum Malis setzte die Bundeswehr zunehmend auf Nachschubwege aus dem Niger, baute dort eine Luftwaffenbasis auf. Zugleich führt Frankreich von Mauretanien über Mali, Niger, Burkina Faso und den Tschad eine grenzüberschreitende Militärmission zur Bekämpfung des Terrorismus („Barkhane“) durch und die Truppen der betreffenden Staaten wurden zum Aufbau einer eigenen grenzüberschreitenden Interventionsarmee (Force Conjointe G5 Sahel) angehalten, für die Frankreich und Deutschland auf einer Geberkonferenz fast eine halbe Milliarde Euro mobilisierten. Auch die USA sind mit von der Partie und haben alleine im Niger mittlerweile drei Drohnenbasen errichtet, eine weitere in Tunesien.

Von Anfang an war diese konkurrierende Aufrüstung geprägt von Spezialkräften und der entsprechenden Geheimhaltung. Seit 2002 trainieren US-Spezialkräfte lokale Kräfte in der gesamten Sahel-Region in der Terrorismusbekämpfung, seit 2005 führen sie mit demselben Ziel jährliche Großmanöver unter dem Namen „Flintlock“ durch, zu denen auch befreundete Nationen aus dem Westen eingeladen sind. Bereits 2005 war daran auch das „Kommando Spezialkräfte“ der Bundeswehr beteiligt. Die Krise in Mali wurde wesentlich durch die damals neue Miliz „MNLA“ ausgelöst, die sich unter anderem aus Tuareg-Gruppen rekrutierte, die zuvor und unmittelbar nach der französischen Intervention Anfang 2013 gut mit französischen Truppen und Geheimdiensten kooperierten. Die Intervention selbst kam wesentlich auf Betreiben französischer Spezialkräfte zustande, die zuvor in Burkina Faso stationiert waren. Und bereits seit Jahren ist bekannt, dass an den verschiedenen Bundeswehreinsätzen in der Region auch deutsche Spezialkräfte beteiligt sind, die die Vielzahl von Mandaten (EUTM, MINUSMA, Flintlock) nutzen, um sich letztlich grenzüberschreitend zu bewegen.

Insofern ist an der Präsenz deutscher Spezialkräfte in Niger allenfalls ihre Dauerhaftigkeit eine Neuigkeit, ihre Präsenz in Tunesien in Zusammenhang mit „Flintlock“ war bereits zuvor bekannt und sicher gibt es noch weitere, bislang unbekannte Fälle. An der nun bekannt gewordenen Liste geheimer Einsätze ist interessant: Mit Ausnahme von Kamerun handelt es sich dabei um die zentralen Empfängerländer der sogenannten „Ertüchtigungsinitiative“, einem neuen Programm der Bundesregierung, mit dem kostenlos Rüstungsgüter geliefert und militärische Infrastrukturen aufgebaut werden.

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"Eigentlich nichts Neues", UZ vom 31. Mai 2019



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